Die epische Fiktion
sei; denn es habe oftmals an seinem Gewissen genagt, ob die Heirat, Zu der er sie in wohl
wollender Meinung und Absicht auf ihr Glück überredet habe, sie auch wirklich zufrieden
stellen werde. . .
Jakobe lächelte mit Augen und Mund halb gutmütig, halb spöttisch und erwiderte:
» Mich dünkt die Umgebung nicht so prächtig und die Familie nicht so höflich wie Euch...
Mein Schwiegervater ... ist ein alberner Greis . ..« Ja, sagte der Kurfürst ein wenig ver
legen, er habe nicht gewußt, daß es so häßlich um den alten Herzog stehe . . . doch ... sie
solle nur bekennen, daß sie mit Jan Wilhelm wohl versehen sei. Dabei streichelte der Kur
fürst ihre vollen dunkelerrötenden Wangen ... Mit ihrem Gemahl sei sie zufrieden, sagte sie.
Worin besteht der deutlich vernehmbare Unterschied dieser indirekten
Reden zu der der Wallenstein-Studie ? Sie sind nicht dreischichtig, ja über
haupt nicht geschichtet. Ein primäres Aussagesubjekt spricht hier nicht, gibt
nicht die Aussagen dritter Personen wieder. Diese reden unmittelbar. Und
dies beruht darauf, daß das Verb »sagen«, das in der indirekten Rede der
Wirklichkeitsaussage die Dreischichtigkeit konstituiert, seine Bedeutung im
fiktionalen Sinne verändert. Im >Großen Krieg< wird nicht, wie in dem Text
des >Wallenstein< mitgeteilt, daß jemand etwas sagt (und dies Sagen dann
der Beurteilung unterzogen), sondern die Personen sind die ‘jetzt und hier’
dies und das sagenden, d. h. sie sind fiktive Personen (obwohl sie ‘histori
sche’ sind). Die indirekte Rede ist hier keine echte indirekte Rede mehr,
genau wie das ‘epische Ich’ kein Aussagesubjekt ist; sie ist nicht abhängiger
vom Anführungsverb als die direkte Rede, weil das Verb »sagen« hier kein
Anführungsverb, sondern ein Situationsverb ist, ebenso wie die Verben »lä
chelte, streichelte«. Darum kann hier wie in dem Schaper-Text die (schein
bare) indirekte Redeform unbeschwert mit der direkten Rede abwechseln.
Die weitgehende Bevorzugung der indirekten Form vor der direkten ist im
»Großen Krieg« ein stilistisches Mittel, hinter den fiktional verlebendigten
Gestalten das historische Geschehen, in dem sie selbst als handelnd und er
lebend geschildert sind, als ein historisches, von der Geschichtswissenschaft
als solches erforschtes und aufgezeichnetes spürbar bleiben zu lassen und es
dennoch zugleich in ein jetzt und hier sich vollziehendes zurückzuverwan
deln. Aber so mächtig ist die noch so sparsame, noch so zurückhaltende Ver
wandlung einer Wirklichkeit in eine Fiktion, daß sogleich die Bedeutungs
gehalte der sprachlichen Formen sich verändern und dem Gesetz folgen, das
ihnen einzig und allein dadurch auferlegt wird, daß Personen nicht als Ob
jekte, sondern in dem Jetzt und Hier ihrer fiktiven Subjektivität oder Ich-
Originität geschildert werden. Die Grenze zwischen historischem und
fiktionalem Erzählen tritt damit sofort als eine kategorial trennende in die Er
scheinung. In der Fiktion fällt jegliches Beziehungssystem zwischen Erzäh
len und Erzähltem dahin. Gespräch und Selbstgespräch, indirekte Rede
form und erlebte Rede verschmelzen mit dem Bericht, dieser mit jenen zu
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