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Erwägungen aus: »Eine zweckmässige und nützliche Einwirkung auf Handel
und Gewerbe ist zuvörderst bedingt durch eine genaue Kenntnis dessen,
was fabriziert wird und wie die Fabrikate beschaffen sind. Der Mangel
einer solchen Kenntnis ist uns im Laufe unserer Thätigkeit vielfach fühlbar
geworden und zwar umsomehr, als wir nicht einmal schriftliche statistische
Notizen über den Stand unseres vaterländischen Gewerbewesens besitzen.
Indessen würden solche Notizen auch kaum dem Bedürfnisse genügen, da
eine lebendige Anschauung der Industrie unerlässlich ist, wenn es sich
davon handelt, die Lücken und Mängel derselben zu ermitteln und Vor
schläge zur Verbesserung zu machen. Eine solche genaue Kenntnis fehlt
aber nicht bloss uns, sondern es geht auch unserm Handelsstande bei der
grossen Zersplitterung unserer, in zahlreichen kleinen Werkstätten über das
ganze Land zerstreuten Industrie die Erlangung einer vollständigen Ueber-
sicht darüber ab, welche Erzeugnisse aus den vaterländischen Werkstätten
hervorgehen und auf welche er seine Geschäfte mit Nutzen ausdehnen kann.
Endlich aber vermisst der sehr zahlreiche Stand der kleinen Gewerbsleute
des Landes eine Gelegenheit, die Fortschritte, welche das Gewerbewesen in
auswärtigen Ländern gemacht hat, in der Nähe erfahren und überschauen
zu können. Diesen verschiedenen Zwecken und Bedürfnissen wird durch
Anlegung einer Sammlung ausgezeichneter Gewerbe-Erzeugnisse des In-
und Auslandes Rechnung getragen werden und wir haben daher heute nach
reiflicher Ueberlegung die Aufstellung einer solchen Mustersammlung ein
stimmig beschlossen. Je mehr die Anlegung der beabsichtigten Sammlung
geeignet ist, der Einwirkung der Regierung und ihrer Organe auf Beförde
rung des Gewerbefleisses zu dienen, die technische Ausbildung des Gewerbe
stands zu unterstützen und den Absatz seiner Erzeugnisse zu beleben, um
somehr überlassen wir uns der Hoffnung, dass das hohe Ministerium durch
Genehmigung unseres Beschlusses uns in stand setzen werde, zur Ausfüh
rung rasch zu schreiten.«
Ehe eine Entschliessung hierauf erfolgte, wurden — zu Anfang des
Monats Februar 1850 — die in Paris angekauften und inzwischen in Stutt
gart angekommenen Gegenstände in einem Saale des Gebäudes der K. Mi
nisteriums der Auswärtigen Angelegenheiten zur Besichtigung ausgestellt.
Sie bestanden aus Holzdreherarbeiten, Elfenbeinwaren, Verzierungen aus
gepresstem Leder, eisernen Möbeln, Bürsten, kleinen Haushaltungsgegen
ständen, Coupons von Bukskins und Westenstoffen, auf dem Strumpfwebstuhl
gefertigten Kleidern und Strümpfen, Bestandteilen von Korsetten, Knöpfen und
Gespinnstproben. Eine noch bescheidene Sammlung! Aber darunter Produkte,
deren Herstellung in späteren Jahren in unserem Württemberg einen grossen
Umfang angenommen hat. Ob hier nicht ein ursächlicher Zusammenhang
zwischen beidem obwaltet — wer möchte dies bestreiten?
Das öffentliche Interesse an dieser Ausstellung überstieg alle Erwar
tungen. Seine Majestät der König Wilhelm sprachen bei einem
Besuch der Ausstellung Ihre volle Befriedigung aus, erklärten eine Vervoll-