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i. Nach der ersteren Richtung galt es, die Schulmodellsammlung zeit-
gemäss zu ergänzen. Es wurden deshalb neue Modellserien ins Leben
gerufen, welche speziell für das System des Zeichnens nach Modellen sowohl
des technischen, als auch des Freihandzeichnens bestimmt sind. Mit diesen
Schöpfungen suchte man Hand in Hand mit der K. Kommission für die
gewerblichen Fortbildungsschulen, welcher der Vorstand der K. Zentralstelle
gleichfalls präsidiert, einen Umschwung im gesamten Zeichenunterricht an
zubahnen, wovon die Früchte schon deutlich zu erkennen sind.
Im Gebiete des Freihandzeichnens war zwar, wie oben erwähnt, schon
vor ca. 50 Jahren in Paris dieselbe Strömung wahrzunehmen, und die würt-
tembergische Unterrichtsleitung hat damals sofort diese Methode des per
spektivischen Freihandzeichnens nach Modellen an der Quelle studieren
lassen, um sie an ihren Schulen allgemein einzuführen; allein wie so oft,
so war auch hier kaum der Anstoss zu neuer Bewegung gegeben, als diese
wieder ins Stocken geriet, um erst nach Jahrzehnten wieder mächtiger auf
zutauchen. Anfänglich mit grosser Begeisterung betrieben erlahmte die neue
Zeichenmethode allmählich. Die Lehrer jener Zeit griffen um so lieber zu
dem ihnen gewohnteren Zeichnen nach ornamentalen Vorlagen, insbesondere
zur Flächendekoration zurück, als sie erkannten, dass sie mit dieser leich
teren Methode für die Schulausstellungen weit mehr in die Augen fallende
Erfolge erzielen können, als mit der schwierigeren des freien Körperzeichnens.
Als nun vor etwas mehr als einem Jahrzehnt aus Künstler- wie aus Laien
kreisen Stimmen laut wurden, welche beklagten, wie wenig das allerorts
betriebene ornamentale Zeichnen für diejenigen geeignet sei, welche sich
einem der Kunst fernerstehenden Berufe widmen, da trat eine langsame
Wendung ein. Es wurde namentlich von seiten der Laien darauf hin
gewiesen, wie sehr viele gebildete Menschen es schmerzlich empfinden,
dass sie nach jahrelangem Sichabquälen im Schulunterrichte in späteren
Jahren nicht einmal im Stande seien, den einfachsten körperlichen Gegen
stand, etwa zur Erinnerung an - Reiseerlebnisse etc. richtig auf das Papier
zu bringen.
Wenn auch derartige Anschauungen ein Kopfschütteln bei manchen
Zeichenlehrern hervorriefen, so gaben sie doch für viele den Anlass, im
Stillen auf Methoden zu sinnen, welche den Zeichenunterricht nach jener
Richtung in neue Bahnen lenken könnten. Professor Conz in Stuttgart ist
hiebei zuerst vorangegangen, indem er in der beim eigenen Unterrichte am
K. Katharinenstift gewonnenen Erkenntnis das Zeichnen nach einfachen
Körpermodellen in der Weise einführte, dass er aus Pappe zunächst die
einfachsten Gebäudeformen herstellte und dann, aufsteigend bis zu malerischen
Gebäudegruppen, Motive für das perspektivische Körperzeichnen schuf,
welche sich als eine geeignete Vorstufe für das Landschaftszeichnen nach
der Natur erwiesen. Als Ergänzung zu diesen Conzschen Pappmodellen hat
auch die K. Zentralstelle eine Serie einfacher Gebäude', Türme, Portale,
Brücken, Treppen und einfachster Möbel ins Leben gerufen, welche für eine