Full text: Bauzeitung für Württemberg, Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen (1906)

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BAUZEITUNG 
NR. 14 
Gang. Durchgehende ist die Stockhöhe nur etwa 2,80 m, 
also ungenügend für den Luftraum und die Beleuchtung. 
Die Fensterpfeiler der Hauptfensterwand (bis zu 2,50 m) 
sind viel zu breit. Bei den dreiseitig, oft auch bei den 
zweiseitig beleuchteten Sälen müssen die Kinder in die 
Helle sehen. 
Die Sitzbänke sind mangelhaft, müssen bis zu sechs 
Kinder in der Bank aufnebmen und stoßen meist hart an 
die Längswände oder an die Rückwand an. Für die 
Schüleraborte war schlecht gesorgt; es war meist nur 
ein Sitzabort für die Klasse vorhanden, der neben oder 
hinter dem Treppenhaus angebracht war. Die Gänge 
waren fast durchweg schmal (1,70 bis 2 m), die Treppen 
zu den Schulsälen in oberen Stockwerken schmal und steil. 
In erster Linie waren es die Sitzbänke, welche dringend 
einer Abhilfe bedurften. Das Kgl. Ministerium des Kirchen- 
und Schulwesens ging bahnbrechend in dieser Frage vor 
und gab am 19. März 1868 genaue Vorschriften über die 
Größen-, Längen- und Einzelmaße der Schulbänke; am 
28. Dezember 1870 folgten genaue Vorschriften über die 
Einrichtung der Schulhäuser, welche heute noch in Kraft 
sind und welche sich gut bewährt haben. 
Eingehend werden alle Teile vom Bauplatz bis zur 
inneren Ausstattung festgelegt und bestimmt. Als wesent 
liche Verbesserungen sind zu bezeichnen: Sorgfältige 
Auswahl des Bauplatzes, Hinausverlegung des Schüler 
abtritts aus dem Haus; für das Schulzimmer: größere 
Stockhöhe, kleinere Fensterpfeiler, größerer Luftraum, 
ausreichende Tagesbeleuchtung; die Treppen zu Schul 
zimmern in oberen Stockwerken erhalten mehr Breite und 
bessere Steigungsverhältnisse. 
Nach diesen Vorschriften ist eine große Zahl von 
Schulhäusern im Land erbaut worden. Als charakte 
ristisches Beispiel mag das Schulhaus in Weil i. D. 
gelten (1887). Einen weiteren Ausbau dieses Typs zeigt 
das im Jahre 1901 erstellte Schulhaus in Hohenhaslach, 
OA. Vaihingen a. E. Hier sind entsprechend der neu 
zeitlichen Verwendung von Walzeisen die Gebälke von 
Eisen konstruiert. Die gußeisernen Säulen, welche früher 
allgemein in den Schulsälen zum Tragen der Decken 
nötig waren, kamen in Wegfall. Eine größere Anzahl 
von Schulzimmern zeigt die einbündige Schulhausanlage 
von Böckingen, OÄ. Heibronn (1898), welche jetzt schon 
vergrößert werden muß. 
Die nach ohiger Verordnung vom Jahre 1870 er 
richteten Volksschulgebäude zeigen durchweg helle freund 
liche Schulräume, Vorplätze und Treppenhäuser. Die 
Hinausverlegung der Schulaborte in den Hofraum gab zu 
keinerlei Bedenken Anlaß. Die äußere Gestaltung geschah 
im allgemeinen in schlichter Weise, alles symmetrisch, 
meist gefugter Backsteinbau unter Verwendung von 
Maschinen- oder Verblendersteinen. Das Gebäude wird 
mit einem Satteldach abgedeckt und etwa noch durch 
ein Zwerchhaus belebt. Die Sitzbänke werden in der 
Mehrzahl als Pendelsitze drei- und viersitzig gewählt. Zur 
Heizung dient größtenteils ein eiserner Regulierfüllofen 
oder Mantelofen. Für die Abluft wird ein Ventilations 
kamin vorgesehen. Die Lufterneuerung erfolgt bisweilen 
durch Frischluftkanäle im Gebälk, welche zum Ofen 
führen, immer aber durch kleine Lüftungsflügel in den 
Hauptfenstern oder Glasjalousien in oberen Flügeln. 
Wenn nun auch die Schulen in ihren Räumlichkeiten 
bedeutend gewonnen hatten, so war doch das Aeußere 
meist nicht im Einklang mit der örtlichen Bauweise, und 
das Schulhaus fügte sich nicht in das Bild der Ortschaft 
ein, es stand fremdartig unter den übrigen Bauten des 
Ortes. Dieser Mißstand wurde mehr und mehr empfun 
den, und es begann nun eine Bewegung, die Schulhäuser 
auch in künstlerischer Hinsicht besser auszugestalten, um 
insbesondere das Kunstempfinden der Jugend hierdurch zu 
wecken. 
Die Anlehnung an die örtliche Bauweise hat seitdem 
mehr und mehr Fortschritte gemacht, und es hat sich 
dank gut ausgeführter Beispiele und der Veröffentlichungen 
in den Fachhlättern ein vollständiger Umschwung im Schul 
hausbau vollzogen. Schulbauten, welche dieser neuen Rich 
tung Rechnung tragen, sind jene in Böblingen, Botnang, 
Ulm, Besigheim, Heidenheim, Göppingen, Binsdorf, Höfen, 
ferner die Projekte zu Maisenbach, Uttenweiler, Fleisch 
wangen, Ochsenberg, Großsachsenheim u.s.w. Hierher gehört 
auch der Entwurf zu dem Schulhaus in Friedrichshafen, 
der bereits in unsrer Bauzeitung (Nr. 29 und 30, Jahr 
gang 1906) besprochen wurde. 
Von seiten des Kgl. Ministeriums des Kirchen- und 
Schulwesens wird der Frage des Schulhausbaues fort 
während die größte Aufmerksamkeit geschenkt, und es 
ist zurzeit eine Neufassung der Vorschriften vom Jahre 1870 
im Werk, welche den neuzeitlichen Errungenschaften 
Rechnung tragen soll. Es kommen hierbei im wesent 
lichen die Orientierung der Schulhäuser, die Beleuchtung, 
Heizung und Ventilation der Schulzimmer, die Schul 
bankfrage, die Trennung von Schule und Schullehrer- 
wohnung in Frage. Ueber diese Punkte seien im nach 
folgenden die neuesten Auffassungen dargelegt. 
Die Frage der Lage der Schulhäuser ist sehr schwer 
zu entscheiden. Gewiß ist nur, daß die Nordlage für die 
Zeichensäle die geeignetste ist und daß diese Lage, welche 
früher auch für die Klassenlokale verlangt wurde, heut 
zutage für diese als zu winterlich, wenig gesund und 
behaglich gilt. Die Lage der Klassenzimmer nach Süd 
osten oder Süd westen ist jedenfalls vorteilhafter, die 
chemisch wirkenden Sonnenstrahlen reinigen die Luft und 
ermuntern zweifellos die Kinder. Zu grelle Beleuchtung
	        
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