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BAUZEITUNG
Nr. 17
Architektur einen in künstlerischer und ästhetischer Hin
sicht vornehmen Eindruck. Unsern Lesern führen wir
hier die bemerkenswertesten, jetzt meist zerstörten Ge
bäulichkeiten der von so schauer vollem Unglück betroffenen
Stadt vor.
Der große Reichtum an vorzüglichem Bauholz und
die allgemein herrschende Ansicht, daß ein Holzgebäude
in einer Stadt mit den eigentümlichen Verhältnissen
San Franciscos sicherer und besser sei, sind die Ursache,
daß im Jahre 1900 in San Francisco nur 3881 Gebäude aus
Sand- und Ziegelsteinen gegen 50494 Gebäude in Holz
konstruktion existierten. Indessen ist in den letzten
Jahren die Mode, dauerhafteres Material zu Bauzwecken
zu verwenden, mehr und mehr in Aufnahme gekommen.
Die hie und da auftretenden Erderschütterungen hielten
lange Zeit davon ah, sogenannte sky-scrapers, d. h. Wolken-
kratzer, zu erbauen. Im Jahre 1890 jedoch errichtete
der Besitzer der Zeitung „Chronicle“ ein zehnstöckiges,
modernes, feuersicheres Gebäude. Dieses Beispiel fand
bald Nachahmung, und gegenwärtig hat die Stadt eine
große Anzahl dieser spezifisch amerikanischen Gebäude
aufzuweisen. Eines derselben hat sogar eine Höhe von
18 Stockwerken, während die Mehrzahl aus acht-, zehn-
und zwölfstöckigen Gebäuden, mit Vorwiegen der acht
stöckigen, besteht. Doch zeichnen sie sich im allgemeinen
durch gefällige Eleganz vorteilhaft vor den kasernenmäßigen
Ungetümen des Ostens aus, so das turmartige, schlanke
Gebäude der Zeitung „Call“ oder das trotz seiner riesen
haften Maße elegant aussehende St. Francishotel.
Das am meisten in die Augen springende Gebäude
ist die City Hall, die von einem 332 Fuß hohen Dom
überragt ist. Sie kostete über 24 Mill. Mark und ihr Bau
dauerte 25 Jahre lang. Sie ist sehr solid konstruiert,
und die aus Ziegelsteinen aufgeführten Mauern sind mit
Zementbewurf versehen. Das Innere des Domes ist mit
aus einheimischen Brüchen stammendem Marmor ver
kleidet. In dem Gebäude sind alle Verwaltungsdepartements
der Stadt und mehrere Zivilgerichtshöfe untergehracht.
Die Kriminal- und Polizeigerichtshöfe sowie das Polizei
departement befinden sich in einem modernen Gebäude,
das als die „Halle der Gerechtigkeit“ bekannt ist. Es
besteht aus Ziegel- und Steinmauerwerk und wird von
einem Glockentunn überragt.
Das nun eingesttirzte und durch Feuer vernichtete
Postgebäude, welches erst vor einigen Jahren fertig
gestellt wurde, war aus Granit erbaut und kostete über
20 Mill. Mark. Es war keine besonders hervorragende
architektonische Leistung, wirkte aber durch seine breite,
massige Anlage. Neben dem Postgebäude unterhielt die
Bundesregierung eine Münze (bis jetzt unversehrt. D.Red.)
und ein Unter Schatzamt, das nach den letzten Mel
dungen abgebrannt ist.
An der Wasserseite befindet sich das Ferry-Buil-
ding, ein über 800 Fuß langes, aus hellfarbigem Sand
stein errichtetes und von einem schmucken Glockenturm
überragtes Staatsgebäude. Dieses Gebäude mußte fast
jeder Fremde passieren, der die Stadt betrat. Wie eine
Kirche enthält das Gebäude ein luftiges, durch seine
ganze Länge sich erstreckendes Schiff, welches häufig
zur Ausstellung von Produkten, die in Staatsbetrieben
erzeugt wurden, benutzt wird. In dem Ferry-Building be
findet sich auch eine permanente Ausstellung, die die Hilfs
quellen Kaliforniens illustriert und von dem staatlichen
Handelsamt unterhalten wird. Auch ist eine feine ethno
logische Kollektion von Alaska hier untergebracht. Das
staatliche Münzbureau unterhält eine komplette Aus
stellung der Mineralien von Kalifornien in dem Gebäude.
Ein andres hervorragendes Bauwerk ist die Aka
demie der Wissenschaften, die von James Lick
mit Fonds ausgestattet wurde. Sie enthält ein in steter
Ausdehnung begriffenes Museum, das naturwissenschaft
lichen Zwecken dient. Im Golden Gate-Park, einer
früheren Sandwüste, die dann kultiviert wurde und jetzt
das ganze Jahr mit Grün bewachsen und augenblicklich
in eine Zufluchtsstätte für die Verwundeten umgewandelt
ist, befindet sich das Memorial-Museum, das zum An
denken an die erfolgreiche internationale Ausstellung vom
Jahre 1894 gegründet wurde.
Das Hopkins-Art-Institute auf dem Nob-Hill
enthält die Anfänge einer Kunstsammlung. Das Gebäude
samt Inhalt wurde der Universität Kalifornien geschenkt,
die es für das Publikum zu unterhalten hat. Die öffent
liche Bibliothek enthält über 100 000 Bände. Sie
befindet sich in einem Flügel der City-Hall, unterhält
jedoch mehrere Filialabteilungen. Im Oktober 1903
wurden 6400 000 M. ausgeworfen zu dem Zweck, ein
neues Gebäude für die Bibliothek zu schaffen. 260000 M.
kostet allein die Unterhaltung dieser Bibliothek. Außer
der öffentlichen Bibliothek gibt es noch sieben andre
Bibliotheken von Bedeutung. Die wertvollste derselben
ist diejenige des Mechanics-Institute, die Werke über
alle Abteilungen der angewandten Wissenschaft enthält.
Sie besitzt mehr als 70 000 Bände im Werte von 8 Mill.
Mark als Eigentum.
Von den Kirchen bietet keine ein besonders hervor
ragendes Beispiel für den Kirchenbau. Die römisch-
katholische Kathedrale ist in Ziegelmauerwerk aufgeführt,
die Jesuitenkirche von St.Ignatius mit dem daranstoßenden
ünterrichtsgebäude nimmt ein ganzes Quadrat für sich
ein. Die Dominikaner haben eine gleich große Kirche.
Viele der älteren Kirchengebäude sind in Holzkonstruktion
errichtet. Die Mission Dolores ist ein Ueberbleibsel aus