Full text: Bauzeitung für Württemberg, Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen (1906)

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BAUZEITUNG 
Nr. 17 
Architektur einen in künstlerischer und ästhetischer Hin 
sicht vornehmen Eindruck. Unsern Lesern führen wir 
hier die bemerkenswertesten, jetzt meist zerstörten Ge 
bäulichkeiten der von so schauer vollem Unglück betroffenen 
Stadt vor. 
Der große Reichtum an vorzüglichem Bauholz und 
die allgemein herrschende Ansicht, daß ein Holzgebäude 
in einer Stadt mit den eigentümlichen Verhältnissen 
San Franciscos sicherer und besser sei, sind die Ursache, 
daß im Jahre 1900 in San Francisco nur 3881 Gebäude aus 
Sand- und Ziegelsteinen gegen 50494 Gebäude in Holz 
konstruktion existierten. Indessen ist in den letzten 
Jahren die Mode, dauerhafteres Material zu Bauzwecken 
zu verwenden, mehr und mehr in Aufnahme gekommen. 
Die hie und da auftretenden Erderschütterungen hielten 
lange Zeit davon ah, sogenannte sky-scrapers, d. h. Wolken- 
kratzer, zu erbauen. Im Jahre 1890 jedoch errichtete 
der Besitzer der Zeitung „Chronicle“ ein zehnstöckiges, 
modernes, feuersicheres Gebäude. Dieses Beispiel fand 
bald Nachahmung, und gegenwärtig hat die Stadt eine 
große Anzahl dieser spezifisch amerikanischen Gebäude 
aufzuweisen. Eines derselben hat sogar eine Höhe von 
18 Stockwerken, während die Mehrzahl aus acht-, zehn- 
und zwölfstöckigen Gebäuden, mit Vorwiegen der acht 
stöckigen, besteht. Doch zeichnen sie sich im allgemeinen 
durch gefällige Eleganz vorteilhaft vor den kasernenmäßigen 
Ungetümen des Ostens aus, so das turmartige, schlanke 
Gebäude der Zeitung „Call“ oder das trotz seiner riesen 
haften Maße elegant aussehende St. Francishotel. 
Das am meisten in die Augen springende Gebäude 
ist die City Hall, die von einem 332 Fuß hohen Dom 
überragt ist. Sie kostete über 24 Mill. Mark und ihr Bau 
dauerte 25 Jahre lang. Sie ist sehr solid konstruiert, 
und die aus Ziegelsteinen aufgeführten Mauern sind mit 
Zementbewurf versehen. Das Innere des Domes ist mit 
aus einheimischen Brüchen stammendem Marmor ver 
kleidet. In dem Gebäude sind alle Verwaltungsdepartements 
der Stadt und mehrere Zivilgerichtshöfe untergehracht. 
Die Kriminal- und Polizeigerichtshöfe sowie das Polizei 
departement befinden sich in einem modernen Gebäude, 
das als die „Halle der Gerechtigkeit“ bekannt ist. Es 
besteht aus Ziegel- und Steinmauerwerk und wird von 
einem Glockentunn überragt. 
Das nun eingesttirzte und durch Feuer vernichtete 
Postgebäude, welches erst vor einigen Jahren fertig 
gestellt wurde, war aus Granit erbaut und kostete über 
20 Mill. Mark. Es war keine besonders hervorragende 
architektonische Leistung, wirkte aber durch seine breite, 
massige Anlage. Neben dem Postgebäude unterhielt die 
Bundesregierung eine Münze (bis jetzt unversehrt. D.Red.) 
und ein Unter Schatzamt, das nach den letzten Mel 
dungen abgebrannt ist. 
An der Wasserseite befindet sich das Ferry-Buil- 
ding, ein über 800 Fuß langes, aus hellfarbigem Sand 
stein errichtetes und von einem schmucken Glockenturm 
überragtes Staatsgebäude. Dieses Gebäude mußte fast 
jeder Fremde passieren, der die Stadt betrat. Wie eine 
Kirche enthält das Gebäude ein luftiges, durch seine 
ganze Länge sich erstreckendes Schiff, welches häufig 
zur Ausstellung von Produkten, die in Staatsbetrieben 
erzeugt wurden, benutzt wird. In dem Ferry-Building be 
findet sich auch eine permanente Ausstellung, die die Hilfs 
quellen Kaliforniens illustriert und von dem staatlichen 
Handelsamt unterhalten wird. Auch ist eine feine ethno 
logische Kollektion von Alaska hier untergebracht. Das 
staatliche Münzbureau unterhält eine komplette Aus 
stellung der Mineralien von Kalifornien in dem Gebäude. 
Ein andres hervorragendes Bauwerk ist die Aka 
demie der Wissenschaften, die von James Lick 
mit Fonds ausgestattet wurde. Sie enthält ein in steter 
Ausdehnung begriffenes Museum, das naturwissenschaft 
lichen Zwecken dient. Im Golden Gate-Park, einer 
früheren Sandwüste, die dann kultiviert wurde und jetzt 
das ganze Jahr mit Grün bewachsen und augenblicklich 
in eine Zufluchtsstätte für die Verwundeten umgewandelt 
ist, befindet sich das Memorial-Museum, das zum An 
denken an die erfolgreiche internationale Ausstellung vom 
Jahre 1894 gegründet wurde. 
Das Hopkins-Art-Institute auf dem Nob-Hill 
enthält die Anfänge einer Kunstsammlung. Das Gebäude 
samt Inhalt wurde der Universität Kalifornien geschenkt, 
die es für das Publikum zu unterhalten hat. Die öffent 
liche Bibliothek enthält über 100 000 Bände. Sie 
befindet sich in einem Flügel der City-Hall, unterhält 
jedoch mehrere Filialabteilungen. Im Oktober 1903 
wurden 6400 000 M. ausgeworfen zu dem Zweck, ein 
neues Gebäude für die Bibliothek zu schaffen. 260000 M. 
kostet allein die Unterhaltung dieser Bibliothek. Außer 
der öffentlichen Bibliothek gibt es noch sieben andre 
Bibliotheken von Bedeutung. Die wertvollste derselben 
ist diejenige des Mechanics-Institute, die Werke über 
alle Abteilungen der angewandten Wissenschaft enthält. 
Sie besitzt mehr als 70 000 Bände im Werte von 8 Mill. 
Mark als Eigentum. 
Von den Kirchen bietet keine ein besonders hervor 
ragendes Beispiel für den Kirchenbau. Die römisch- 
katholische Kathedrale ist in Ziegelmauerwerk aufgeführt, 
die Jesuitenkirche von St.Ignatius mit dem daranstoßenden 
ünterrichtsgebäude nimmt ein ganzes Quadrat für sich 
ein. Die Dominikaner haben eine gleich große Kirche. 
Viele der älteren Kirchengebäude sind in Holzkonstruktion 
errichtet. Die Mission Dolores ist ein Ueberbleibsel aus
	        
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