16. Juni 1906
BAUZEITUNG
191
zu versetzen helfen . . . 200 fl.“, so ist klar, daß diese
Giebel schon vor 1649 bestanden haben, es muß also
notgedrungen die ursprüngliche Anlage zwischen 1632
und 1649 erfolgt sein. Ob schon im Jahr 1649, wie man
seither angenommen hat, die Restauration erfolgte, ist
übrigens sehr fraglich, da in einer späteren Baurechnung
von 1660 von „Alt Bauholz vom Otto Heinrichs-Bau ab
gebrochen“ die Rede ist. Das würde nun mit der Zahl
1659 übereinstimmen und die angezweifelte Zahl somit
aufrechterhalten werden können. Uebrigens fand im
Jahr 1692 nochmals eine Restauration dieser Giebel statt,
was 480 fl. kostete; die obere Giebelkrönung wurde ge
ändert und die Schnörkel fortgelassen, was auf einer
Zeichnung von 1764 zu sehen ist. Noch im Jahr 1699
erhielt der Bau ein neues Mansardendach, welches 1764
abbrannte und dann nicht wieder errichtet wurde. Der
Bau blieb fortan als Ruine stehen.
Ob nun diese Zwerchgiebel schon bald nach 1632
oder erst 1659 erbaut worden sind, ist für die Frage der
Restauration von keinem Belang. Sie gehören nicht zum
ursprünglichen Bau und waren nur ein Notbehelf nach
dem Brand von 1632, keinesfalls sind sie aber aus bloßen
Zweckmäßigkeitsrücksichten errichtet worden, wie schon
angenommen wurde. Es wäre verfehlt, sie wieder zu
erneuern, schon deshalb nicht, weil sie zu viel Aehnlich-
keit mit dem Friedrichsbau haben.
Mit den Anschauungen Oechelhäusers kann ich mich
nicht vereinigen, zumal nicht mit seiner abfälligen Kritik
der Wetzlarer Zeichnung. Sie darf freilich nicht mit
den Giebeln späterer Zeit verglichen werden, die
Renaissance war damals in Deutschland noch in der
Entwicklung begriffen, der Entwerfer der Fassade war
ein Niederländer und augenscheinlich gar kein theoretisch
gebildeter Architekt, sondern wahrscheinlich ein Bildhauer
und Dekorateur, vielleicht Alexander Colin selbst, dem
ja der Hauptteil an der Dekoration der Fassade zukommt.
Freilich hätte kein moderner Architekt sich den Aufbau
der Giebel in dieser einfachen Art gedacht, und auch
Schäfer hat ja die Sache weit reicher gestaltet, ent
sprechend der erhaltenen Fassade. An der Richtigkeit
und Zuverlässigkeit der Wetzlarer Skizze ist nun aber
einmal nicht zu zweifeln, abgesehen von den schon be
rührten Blendnischen, von denen zweifellos die eine durch
eine Statue belebt war, das zeigt ja schon die öfters bei
gezogene Darmstädter Skizze im Thesaurus picturatum.
Aus den Merianschen Bildern erhellt weiter, daß auf
der Spitze der Giebel Figuren gestanden haben und die
Silhouette der Giebel einfach gestaltet war. Weiteres
kann aus den beiden angeführten Zeichnungen nicht ge
schlossen werden, und man muß sich hüten, aus den sehr
ungenauen und willkürlich gezeichneten Details sich be
stimmte Formen zu denken.
Es wäre Zeit, endlich einmal zu einer Entscheidung
zu kommen. Nachdem der Eggertsche Plan abgelehnt
und eine ganze Reihe von Technikern die Erhaltung der
Ruine als solche für unmöglich erklärt haben, sollte man
so rasch als möglich mit dem Wiederbaufbau der Giebel
beginnen, die Fassade aber in Ruhe lassen und nur das
Allernotwendigste ausbessern. Was den inneren Ausbau
anbelangt, so dürfte sich empfehlen, nur das Erdgeschoß
wiederherzustellen und die oberen Stockwerke roh zu
lassen und nur so viel Wände und Böden einzuziehen, als
zur Versteifung des Mauerwerks notwendig erscheint.
Mit Recht befürwortet auch Hofmann die Bedachung
des gläsernen Saalbaus und seiner Türme, es ist das
notwendig, um ein einheitliches Bild zu schaffen. Dagegen
scheint mir die Errichtung eines provisorischen Walm
dachs mit allseitig geschieferten Zwerchhäusern und Be-
lassung der Reste der Giebel nicht angemessen.
Die Ruine zu lassen, wie sie ist, oder durch allerlei
künstliche Mittel nach den Vorschlägen Eggerts zu er
halten zu suchen, wäre ein Barbarismus. Nur allein eine
Bedachung kann in dem vorliegenden Fall helfen, das
scheint auch auf dem Tag der Denkmalpflege allgemeine
Anerkennung gefunden zu haben.
Darum weg mit den ewigen Nergeleien und Ver
dächtigungen Unberufener und den Hetzereien eines
Th. Alt u. a., welche falsche Meinungen verbreiten und
die öffentliche Meinung irreführen. Max Bach.
Nachschrift. Kaum waren die vorstehenden Zeilen
gesetzt, als durch die Zeitungen die Denkschrift des
badischen Finanzministeriums über das Heidelberger
Schloß bekannt wurde. Ich habe die Genugtuung, daß
meine Anschauungen mit denen der Denkschrift über
einstimmen, nur die Gestaltung der Giebel ist noch un
entschieden, wir dürfen aber hoffen, daß solche zu all
gemeiner Befriedigung ausgeführt werden.
Es ist erfreulich, daß die Regierung nach langem
Schwanken die Wiederherstellung des Otto Heinrichs-
Baus definitiv beschlossen und die Ueberzeugung ge
wonnen hat, daß nur die Errichtung eines Daches und die
Einziehung der Innenmauern, Verglasung der Fenster u. s. w.
den Bau vor dem Untergang retten kann. Die Bau
kosten sind auf ca. 500000 M. berechnet und werden
dem badischen Landtag vorgelegt werden.
Y ereinsmitteilnngen
Württembergischer Verein für Baukunde. An
die Mitglieder! Um das Mitgliederverzeichnis auf
dem laufenden halten und Unregelmäßigkeiten in der
Zusendung der Einladungskarten zu den Vereinsversamm-
lungen verhüten zu können, wird dringend gebeten, Aende-
rungen der Wohnungsadressen alsbald dem.Vor
sitzenden oder dem Sekretär des Vereins anzuzeigen.
Zur Sicherung des ungestörten Fortgangs der Lieferung
der „Bauzeitung für Württemberg u.s.w.“ empfiehlt es sich,
daß die Herren Vereinsmitglieder jede Adressenänderung
sofort der betr. Postanstalt anzeigen. Der Vor
sitzende und der Sekretär des Vereins sind jedoch gleich
falls bereit, diese Anzeige an die Post zu vermitteln,
wenn sie darum angegangen werden. Eine Anzeige des
Wohnungswechsels an die Expedition der „Bauzeitung“
ist nicht erforderlich und nicht zweckmäßig, weil die
Namen der Bezieher der Zeitung an die Post über
wiesen sind.
Stuttgart, den 6. Juni 1906.
An Stelle des Vorsitzenden:
Zügel.
Deutscher Arbeitgeber!)und für das Baugewerbe,
E. V. In D ü r e n (Rheinland) sind am 2. Juni sämtliche
Maurer und Bauhilfsarbeiter ausgesperrt worden, weil
die Gewerkschaftsleitungen über den Neubau der evan
gelischen Volksschule die Sperre verhängt und seit sieben
Wochen durchgeführt hatten. In Jüterbog (Prov.
Brandenburg) haben am 6. Juni die Maurer wegen nicht
bewilligter Lohnforderungen die Arbeit niedergelegt. In
Posen ist die Aussperrung der Maurer nach erfolgter
Vereinbarung eines neuen Tarifvertrages aufgehoben und
die Arbeit am 16. Mai wieder aufgenommen worden. In
Hirschberg (Schles.) ist am 6, Juni der Streik der
Zimmerer und Bauhandarbeiter sowie die Aussperrung
der Maurer durch Vergleich beendet worden. Der in
der ganzen Amtshauptmannschaft Pirna seit dem
9. April d. J. währende Streik und die teilweise Aus
sperrung der Maurer, Zimmerer und Bauhandarbeiter ist
seit dem 2. Juni beendet. In Weißenfels a. S. ist der
Streik der Maurer und Bauarbeiter als beendet anzusehen.
In Neustadt i. M. ist der Zimmererstreik seit dem
1. Juni nach erfolgter Vereinbarung eines Stundenlohnes
von 37 Pf. beigelegt worden. In Stiderbrarup
(Schlesw.-Holst.) ist der Streik der Maurer und Zimmerer
durch vereinbarte geringe Lohnaufbesserung beendet
worden.