13. JANUAR 1906
BAUZEITUNG
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Bei Entrichtung von Gebühren für die Vorprüfung würde
sich dieser Mißstand von selbst regeln.
Die Einsichtnahme der Baupläne durch die Nachbarn
sollte ebenfalls unter der Aufsicht und Belehrung eines
technischen Beamten erfolgen, weil nur ein solcher in
der Lage ist, die Nachbarn richtig über ein Baugesuch
aufzuklären und darüber, ob eine Einsprache im bau
polizeilichen Verfahren berücksichtigt werden kann oder
ob sie auf den Rechtsweg zu verweisen ist. Wie viele
unnötige Einsprachen aus Unkenntnis oder bösem Willen
gegen Baugesuche erhoben werden, dürfte jedem Stutt
garter Architekten hinlänglich bekannt sein. Private
Streitigkeiten, welche mit dem Baugesuch gar nichts zu
tun haben, spielen eine Hauptrolle. Es könnte manche
Einsprache gegen ein Baugesuch durch eine richtige
Belehrung verhütet werden. Jedenfalls sollte immer
verlangt werden, daß der Grund der Einsprache an
gegeben wird und daß die Erklärung: „Ich erhebe Ein
sprache“ nicht als genügend anerkannt wird. Da nach
barliche Einsprachen wesentlich zur Verzögerung von
Baugesuchen beitragen, sollten Einsprachen, welche offen
sichtlich im baupolizeilichen Verfahren nicht berück
sichtigt werden können, ohne Vorgang der nach Art. 86
der Bauordnung vorgeschriebenen VerständigungsVerhand
lung abgewiesen werden.
Verzögerungen in der Behandlung der Baugesuche wer
den vielfach durch das nachträgliche Verlangen von sta
tischen Berechnungen hervorgerufen. Bestimmungen
darüber, wann statische Berechnungen für Baueingaben
erforderlich sind, bestehen nicht. Es ist dies vielmehr
in das Ermessen der Baupolizeibeamten gestellt. Eine
gewissenhafte Prüfung dieser Berechnungen erfordert
einen größeren Zeitaufwand und häufig die Kenntnisse
eines erfahrenen Bauingenieurs. Es ist als eine Not
wendigkeit anzusehen, daß der Baupolizeibehörde einer
Großstadt ein in allen Gebieten der Hochbaukonstruktionen
erfahrener Bauingenieur zur Seite steht, welcher in
schwierigen Fällen zu Rate gezogen werden kann. Bei
einfacheren statischen Berechnungen sollte jedoch eine
Prüfung durch die technischen Baupolizeibeamten ge
nügen; es muß übertrieben erscheinen, wenn in solchen
Fällen eine Prüfung durch einen Professor der Hoch
schule oder der Baugewerkschule verlangt wird.
Was die Behandlung der Baugesuche bei dem Ministerium
und den hiefür aufgewendeten Zeitaufwand anbetrifft,
so kommt man ohne weiteres zu der Frage: Kann
einer Stadt von der Größe Stuttgarts nicht durch die
neue Bauordnung das Recht verliehen werden, bau
polizeiliche Genehmigungen in größerem Umfang als
bisher selbst zu erteilen? Es sind verhältnismäßig wenig
Fälle, in welchen das Ministerium zu einer andern Ent
scheidung kommt als wie die gemeinderätliche Baupolizei
behörde. Der entstehende Zeitverlust und die Kosten,
Hümmel & EöKSTNER-Stuttgart: Projektierte Baugruppe am
Stafflenberg in Stuttgart. Aus dem Hefte „Ueber Baukunst“
der „Stuttgarter Mitteilungen für Kunst und Gewerbe“
welche aber durch das umständliche Verfahren hervor
gerufen werden, stehen in keinem Verhältnis zu dem
Nutzen der bestehenden Einrichtung. Das Ministerium
kann sich immer noch genügend Aufsichtsrecht über die
städtische Baubehörde sichern. Die Stadtgemeinde hat
einerseits selbst ein Interesse daran, daß die Vorschriften
des Ortsbaustatuts und der Bauordnung eingehalten wer
den und daß die Neubauten allen hygienischen und ästhe
tischen Anforderungen entsprechen, während es anderseits
jedem Gesuchsteller und Nachbar offensteht, gegen eine
Entscheidung der städtischen Behörde Einsprache zu er
heben und im Rekursweg eine Entscheidung der Stadt
direktion oder des Ministeriums herbeizuführen.
Aus allem geht hervor, daß der Gemeinderat in Stuttgart
wohl einen Teil dazu beitragen kann, eine raschere Er
ledigung der Baugesuche herbeizuführen. Es ist aber
nur dann ein greifbarer Erfolg zu erzielen, wenn die
staatlichen und die städtischen Behörden gemeinsam auf
eine Vereinfachung des baupolizeilichen Verfahrens hin
wirken. Bei Erreichung dieses Ziels wird sich eine
bessere Ausbildung der städtischen Baupolizeibehörde von
selbst als eine Notwendigkeit erweisen. —r.
VEREINSMITTEILUNGEN
Wüettbmbbegischee Baubeamten - Verein. Eintritts-
erkläruug von Hrn. Julius Güeebach, technischer Eisen
bahnsekretär in Stuttgart, Silberburgstraße 72.
WETTBEWERBE
Neue Peeisausscheeiben dee Zeitscheiet „Innen-Deko-
eation“. Vier neue Wettbewerbe wurden ausgeschrieben:
1. Ideen für Dekorationen, 2. Kleinere Holzwaren, 3. Bureau-
und Empfangsraum eines Kaufmanns, 4. Zimmerdecke in
Holz oder Stuck. Die Einlieferungstermine sind 10. März
1906, 10. Mai 1906, 10. Juli 1906, 10. September 1906.
Im Wettbewerb 1, 2 und 4 wird ein I. Preis 80 Mk.,
ein II. Preis 60 M., ein III. Preis 40 M. verteilt werden;
im Wettbewerb 3 beträgt der I. Preis 100 M., II. Preis
80 M., III. Preis 60 M. Alle näheren Angaben und
Bedingungen enthält das Januarheft der „Innen-Deko-
ration“, Darmstadt.
Feankpüet a. M. Zur Erlangung von Entwürfen für die
Neubauten auf dem Friedhof wird von der Stadt Frank
furt unter in Deutschland geborenen oder daselbst ansäßigen
Architekten ein öffentlicher Wettbewerb ausgeschrieben.
Das Preisgericht besteht aus den Herren: 1. Oberbürger
meister De. Amokes , 2. Stadtrat De. Flesch, 3. Stadt
baurat Kölle, 4. Architekt Direktor Rittee, 5. Stadt
baurat Schaumann, sämtlich in Frankfurt, 6. Prof Feied
eich v. Thieesch in München, 7. Geh. Hofrat Prof.
De. Wallot in Dresden. An Preisen sind ausgesetzt;
ein I. Preis von 4000 M., ein II. Preis von 3000 M.,
ein III. Preis von 2000 M. Wir verweisen auf die be
treffende Bekanntmachung im Anzeigenteil.
KLEINE MITTEILUNGEN
Stuttgaet. Am 18. Januar, abends S'/i Uhr, Vortrags
abend des Württembergischen Kunstgewerbevereins im
Vortragssaal des Landesgewerbemuseums; Vortrag von
Beenhaed Kampefmeyee: „Die Gartenstadt“.
Wüettembeegischee Kunstveeein Stuttgaet. Neu aus
gestellt: Feierabend, Ausfahrender Zug, Bahnhof,
Maschinenhalle, Bahnhof halle, Mondschein, Mondnacht
von Hermann Pleuer; Mönch von C. Hartmann; Feier
abend in Holland von Rud. Possin; Landschaft von Ph.
Röth; Alles Gott zu Ehren, Aquarelle von Aug. Koch u. s. w.
Im FeankfueteeBaugeweebe ist eine Krisis ausgebrochen.
Außer der verkrachten Firma Philipp Welter sind folgende
Baufirmen in Zahlungsschwierigkeiten geraten: Joseph
Fischer, Peter Franz Stössel, Joh. Kitzinger sen. und