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Architekt A. Wienkoop
wenden, wenn diese nicht dort zu finden sind; kein Fremd
körper in bezug auf Material und Bauform. Die sonst
so geschätzte Verbesserung des Verkehrs hat hier un
günstig eingewirkt, indem die Eisenbahnen fremde Bau
materialien in die entlegensten Ortschaften befördern.
Aber nicht die richtige Konstruktion, das richtige
Material allein, auch die richtige Ausführung und
Verwendung muß folgen. "Was hilft alles Zeichnen,
wenn die Ausführenden die Einzelheiten nicht gewissen
haft beachten. Dachüberstande, Schornsteinanschlüsse,
Eindeckung der Kehlen, Umfassungen der Fenster und
Türen, an sich scheinbar oft weniger bedeutend, müssen
materialgerecht ausgeführt sein (Material zu Material,
Klempner auf sein eigenstes Gebiet beschränkt). Warum
so viel oft unechte und darum nicht dauerhafte Gesimse,
wo doch die alten Vorbilder nichts davon wissen! Dann
kommt auch Schönheit in das Ganze, die bei der in Rede
stehenden Art von Bauten — abgesehen von der Echt
heit und Bodenwüchsigkeit des Materials — im wesent
lichen gegründet ist auf die Gesamtgruppierung (schlichte
Silhouette, kein zerhacktes Dach) und die maßvolle Wahl
der Einzelformen. Alle Schmuckformen helfen nichts,
wenn das äußere Ansehen schlecht ist. Das Malerische
schafft schon die Umgebung, man braucht nicht aus jedem
einzelnen ein Schmuckstück zu machen; wie wenig Aus
drucksmittel braucht ein Blaus auf dem Lande, um ein
gefälliges Aussehen zu erhalten. Die Kunst ist keine
Wissenschaft, sondern beruht wesentlich im Empfinden.
Dieses muß gehegt, gepflegt und
weiter entwickelt werden. Wenn in
diesem Sinne entworfen und ge
baut wird, läßt endlich auch die
wirtschaftliche Seite der Frage
(Billigkeit) sich befriedigend lösen.
Redner besprach sodann die
zur Erläuterung des Vortrags aus
gestellten Pläne, vor allem die vom
Ernst Ludwig-Verein veranlaßte
Konkurrenz zur Erlangung von Ent
würfen für Klein- und Arbeiter
wohnungen. Diese Konkurrenz hat
überall große Befriedigung hervor
gerufen, und der Verein hat damit
einen festen Boden unter den Füßen
gewonnen.*) Wichtig bleibt hier
bei, daß überall der richtige Ge
brauch von den Plänen gemacht
werde. Namentlich aber auch,
daß unter Abstandnahme von allen persönlichen Ver
hältnissen nur solche Architekten zu Rate gezogen
werden, die wirklich die erforderliche praktische Er
fahrung und künstlerische Befähigung besitzen. Damit
soll keineswegs einem Monopol einzelner Architekten das
Wort geredet, vielmehr nur bezweckt werden, daß die
Einzelheiten der auszuführenden Bauten jedenfalls be
rufenen Technikern vorgelegt werden. Beispiele dafür,
daß dies möglich ist, liegen für Blessen mehrere vor,
indem für einzelne Kreise Musterentwürfe aufgestellt und
an Interessenten abgegeben oder anderweit geplante Ent
würfe den örtlichen sachverständigen Beamten zur Begut
achtung vorgelegt oder endlich, daß hervorragende Archi
tekten (Metzendorf u. a.) durch eigne Entwürfe und
Ausführungen für ganze Gegenden bahnbrechend wirken.
An einem drastischen Gegenbeispiel wird gezeigt, wie
geradezu mißständig eine Bauabsicht sich gestalten kann,
wenn man sich eines sachverständigen Beirats nicht be
dient.
Erfreulich ist ferner das Bestreben der Eisenhahn
behörde in Hessen (hessisch-preußische Eisenbahngemein
schaft), auch ihre Hochbauten gefällig, dem Charakter
der Gegend entsprechend zu gestalten. Die in der
Ministerialahteilung für Bauwesen zu Darmstadt unter
Hofmanns Leitung von Regierungsbaumeister Köster be
arbeiteten Entwürfe, von denen einige ebenfalls aus
gestellt waren, sollen künftigen Ausführungen zugrunde
gelegt werden. Besonders anzuerkennen ist eine von der
Firma Merck, Chemische Fabrik in Darmstadt, geplante
*) Den I. Preis in dieser Konkurrenz haben die Entwürfe des
Hauptlehrers an der Laudesbaugewerkeschule, Architekt Wienkoop-
Darmstadt, davongetragen, die hier teilweise zur Veröffentlichung
gelangen.
Einfamilienhaus, Architekt A. Wienkoop
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