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BAUZEITUNG
Nr. 30
durchgebildete Wohnhaus zu stellen berechtigt sind, be
ruhen hauptsächlich auf praktischen Fragen. Unsre An
sprüche an Komfort einerseits und an Hygiene anderseits
sind in einer Weise gestiegen, die wir uns oft erst klar
machen, wenn wir in die Lage kommen, mit kritischem
Blick ein normales Haus etwa aus der Mitte des 19. Jahr
hunderts auf seine technische Bewohnbarkeit zu betrachten.
Wir finden vielleicht sehr hübsche Wohnräume, aber mit
deren Disposition ist der Grundriß im wesentlichen er
ledigt, es ist ein äußerst einfacher Organismus von an
einander gereihten Wohnzimmern.
Das moderne Haus hat neben dem selbstverständlichen
Gesichtspunkt, den die Forderung des behaglichen Aufent
halts in den Wohnräumen mit sich bringt, den zweiten
gestellt, auch den Betrieb im Hause, den sein Bewohnen
außerhalb der Wohnräume mit sich bringt, so bequem
wie möglich zu gestalten.
Das fängt schon vor der Haustür an. Der Besucher
muß, wenn er sie erreicht, durch Schutzdach oder Vor
halle geschützt sein vor Witterungsunbilden, anderseits
muß eine Windfanganlage selbstverständlich das Innere
des Hauses beim Oeffnen der Haustür vor äußeren Ein
flüssen wahren. Dann muß der Ankommende, ehe er
das eigentliche Wohnhaus betritt, seine Garderobe ab-
legen und für seine Toilette mit allen Bequemlichkeiten
sorgen können. Ist man dann in den eigentlichen Wohn-
teil des Hauses eingetreten, so ist der Hauptgesichtspunkt
der, daß der Bewohner sich in ihm sowohl im Alltags-,
als auch im Festtagsbetriebe bewegen kann, ohne durch
den Bedienungsapparat gestört zu werden. Teilweise
wird das im neuzeitlichen Hause indirekt erreicht da
durch, daß man mittels elektrischer Klingel und Haus
telephon sich aus der Entfernung mit dem Personal
verständigen kann und dieses ebenfalls aus der Entfernung
durch Zentralheizung, Wasserleitung, Aufzug eine ganze
Reihe Obliegenheiten der Haus
bedienung zu erfüllen vermag. Zum
größten Teile muß es aber direkt
erreicht werden, nämlich durch die
geschickte architektonische Disposition
des Gebäudes. Kann man sich die
Ausführung einer Nebentreppe er
lauben, und auch ohne in die Sphäre
des Luxus zu dringen, ist das bei ge
schickter Anlage möglich, so ist die
Art ihrer Lage für diese Frage von
entscheidender Bedeutung. Sie muß
im Zusammenhang mit den Küchen
räumen so liegen, daß von ihr aus
einerseits der Hauseingang unmittel
bar beherrscht wird, anderseits das
am meisten Bedienung erfordernde
Speisezimmer, das selber durch eine
Anrichte und, falls die Küche im
Kellergeschoß liegt, durch Aufzug
vom eigentlichen Dienstbetrieb ent
lastet ist. Diese Nebentreppe, die
Dach durch das Haus hindurchgehen
möglich, daß die eigentliche interne
nur durch ein einziges Stockwerk ge-
und dadurch für künstlerische
wird. Durch die Nebentreppe stehen
der Dienstboten im Dach mit ihren
abgesonderter Verbindung.
von Keller bis
muß, macht es
W olmhaustreppe
führt zu werden braucht
Disposition frei
die Schlafräume
unteren Arbeitsräumen in
Diese Arbeitsräume bilden bei vornehmeren Anlagen ein
ganzes Reich für sich; die Nebengelasse der Küche ver-
raannigfaltigen sich, Spülküche, Putzraum, Gesindestube,
Gesindebaderaum und Klosett werden angelegt, die
Waschküche wird bei städtischen Villen vielfach in das
Dachgeschoß verlegt, wo sie bequem mit dem Trocken
boden in Verbindung steht und ihr Dunst dem Hause
keine Unannehmlichkeiten bereiten kann.
Diesem engen und bequemen Zusammenschluß aller
Wirtschaftsräume entspricht auf der andern Seite ein
gleicher engerer Zusammenschluß aller Wohngemächer.
Das führt vor allem zu dem Wunsch, Schlafzimmer und
Wohnzimmer nicht durch ein unbewohntes Etwas von
Treppenhaus und Korridor auseinander zu reißen, sondern
die Verbindung beider Bereiche so zu gestalten, daß man
stets im Eindruck bewohnter Räume bleibt. Eine Dis
position der Treppenanlage, die den Charakter des
Wohnraumes wahrt, ist die Folge. Auch bei einfachen
Bauten ergibt sich dadurch Gelegenheit, durch geschickte
Anlage dieser internen Verbindung zweier Geschosse eine
Fülle reizvoller Motive zu gewinnen, so daß ein gut an
gelegtes Haus in seiner Treppenhalle, ohne besonderen
Raumluxus zu treiben, sozusagen einen Wohnraum be
vorzugter Art nebenher bekommt. Da die Treppe nur
durch e i n Stockwerk zu reichen braucht, liegt die Mög
lichkeit offen, zwei Geschosse dielenartig zu einem ein
zigen gegliederten Raum zusammenzuziehen und so dem
Hause einen ausgesprochenen künstlerischen Mittelpunkt
zu geben.
Alle diese Momente erfordern naturgemäß auch bei
bescheidener Gestaltung Raumgruppierungen, die in der
Lage von Eingang, Treppen, Vorplatz, Speisezimmer und
Anrichte komplizierte Beziehungen hervorbringen, die
nicht jedem beliebigen Schema eingefügt werden können,
wenn sie zugleich ökonomisch und gut funktionierend an
gelegt sein sollen.
Bei der Ausbildung der Wohnräume selbst ist wohl vor
allem das Schlafzimmer in seinen Ansprüchen gestiegen.
Bad und Klosett müssen mit ihm in unmittelbarer Ver
bindung stehen; wo es möglich ist, wird ein eigner An-
kleideraum, der dann den mit kaltem und warmem
Wasser bedienten Waschtisch enthält, hinzugefügt, und
Wandschränke für die Garderobe sucht man überall zu