11. August 1906
BAUZEITUNG
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Vorsicht bei der Vereinbarung'
eines Akkordpreises
Der starke Konkurrenzkampf im mo
dernen Geschäftsverkehr bringt es mit sich,
daß nicht selten Verkäufer oder Unter
nehmer sich zu Leistungen verpflichten,
die sie nachher nicht oder nicht in der
vereinbarten Weise zu bewirken in der
Lage sind. Insbesondere kommt es häufig
vor, daß Architekten, Bauunternehmer,
Ingenieure, Maschinenfabrikanten u. s. w.
sich zur Herstellung irgendeines Bauwerks
oder dergleichen zu einem vorher zu bestim-
mendexr festen Preise verpflichten. Dies ge
schieht in der Weise, daß der Unternehmer
sich einen Kostenanschlag macht und auf
Grund desselben die beanspruchte Ver
gütung berechnet; um nun die Konkur
renten auszuschalten, fordert er, vielleicht
ohne allzu genaue Berechnung, einen mög
lichst geringen Preis und bedingt sich
eine besondere Vergütung aus, falls der
Besteller später noch besondere Wünsche
berücksichtigt wissen will oder eine Umänderung des ur
sprünglichen Planes verlangt.
Wie vorsichtig jedoch der Unternehmer bei Auf
stellung eines solchen Kostenanschlages und bei Verein
barung eines fixen Preises für ein bestimmtes Werk sein
muß, zeigt ein Erkenntnis, das vor kurzer Zeit das säch
sische Oberlandesgericht gefällt hat.
Der Kläger hatte sich der Beklagten gegenüber ver
traglich verpflichtet, einen Anbau zu deren Geschäfts
hause auf Grund einer vom Kläger angefertigten Zeich
nung und statischen Berechnung zum Preise von 8000 M.
fix und fertig herzustellen. Mehrkosten, die etwa durch
nachträgliche Umänderung entstehen würden, sollte der
Kläger von der Beklagten noch besonders vergütet er
halten.
Nachträglich ergab sich nun, daß der Kläger die
Kosten für die Herstellung des Mauerwerks erheblich
zu niedrig berechnet hatte; auch verlangte die Baupolizei,
daß für den Bau die doppelte Anzahl der in der Auf
stellung des Klägers angegebenen Eisenträger verwendet
werde. Infolgedessen entstand dem Kläger ein erheblicher
Mehrkostenaufwand, sowohl bei Herstellung des Mauer
werks als auch für die mehr anzubringenden Träger und
deren Verlegung. Er verlangte nun von der Beklagten
Ersatz seiner Mehrkosten, indem er den mit der Be
klagten geschlossenen Vertrag wegen Irrtums anfocht und
die Beklagte für ungerechtfertigt bereichert hielt. Er
wurde jedoch in erster wie in höherer Instanz mit seinen
Anträgen abgewiesen.
Zur Begründung dieser Abweisung führt das Ober
landesgericht folgendes aus: Eine Anfechtung der vom
Kläger im Vertrage abgegebenen Willenserklärung wegen
Irrtums sei um deswillen nicht zulässig, weil es sich hier
nicht um einen Irrtum über den „Inhalt“ der Offerte
handle, sondern um einen Irrtum hinsichtlich eines außer
halb der rechtsgeschäftlichen Erklärung liegenden Um
standes; denn er bestehe in einem Versehen des Klägers
bei der Preiskalkulation, die seiner Offerte „voraus
gegangen“ sei und die ihn „bewogen“ habe, keinen höheren
Preis als 8000 M. zu fordern. Es handle sich also um
einen „Irrtum im Beweggründe“, der nach § 119 des
Bürgerlichen Gesetzbuches keine Beachtung mehr finden
könne.
Dies treffe zu nicht nur hinsichtlich der Mehrforderung
für das Mauerwerk, sondern auch hinsichtlich der For
derung für die Lieferung und Verlegung der mehr an
zubringenden Träger. Denn auch bezüglich der letzteren
Museumserweiterungsbau Trier
Grundriß
Architekt Prof. K. Hocheder
habe Kläger lediglich versehentlich in seinem Kosten
anschläge die Anzahl der zu verwendenden Träger um
die Hälfte geringer angesetzt, als er sie nach den statischen
Berechnungen hätte ansetzen sollen. Es handle sich also
auch hier um ein Versehen des Klägers bei der Preis
kalkulation, wodurch er bestimmt worden sei, mit der
Beklagten einen Akkordpreis von nur 8000 M. zu ver
einbaren; es liege also auch hier lediglich ein Irrtum
im Beweggründe vor. — Eine Vergütung für die mehr
angebrachten Eisenträger könne aber auch auf Grund der
vertraglichen Abrede, wonach der Kläger Mehrkosten,
die durch nachträgliche Umänderung entständen, ersetzt
erhalten sollte, nicht gefordert werden, und zwar des
wegen, weil die vom Kläger bewirkten Mehrlieferungen
und Mehrarbeiten nicht durch „nachträgliche Aenderung
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