Full text: Bauzeitung für Württemberg, Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen (1906)

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BAUZEITUNG 
Nr. 35 
Kranen, Betonmischmaschinen und Erzeugung von elek 
trischem Licht sämtliche Pfeiler mit einer Aushubmasse 
von 6000 cbm, einer Betonmasse von 3000 cbm bis 
16. Dezember 1903 gegründet. (Fortsetzung folgt) 
John Kuskin 
John Kuskin, der englische Kunstkritiker und Sozial 
reformer, ist geboren den 8. Februar 1819 zu London. 
Er studierte zu Oxford und lebte darauf seiner an 
gegriffenen Gesundheit wegen mehrere Jahre lang in der 
Schweiz und in Italien. Seine erste literarische Arbeit 
war eine Flugschrift zur Verteidigung des englischen 
Malers Turner. Ausgearbeitet und erweitert ist diese 
Schrift unter dem Titel „Moderne Maler“ später er 
schienen. 1851 entstanden seine Briefe über den Prä 
raffaelismus, die auf die englischen Maler dieser Zeit so 
großen Einfluß haben sollten. 1870 wurde Kuskin als 
Professor der schönen Künste an die Universität Oxford 
berufen, von wo aus er seinen ungeheuren Einfluß auf 
das englische Volk ausübte. 1884 erfolgte seine geistige 
und körperliche Erkrankung, die am 20. Januar 1900 
seinen Tod herheiführte. 
Der Hauptgedanke, der in all seinen Schriften zum 
Ausdruck kommt, ist der, daß alle wirtschaftlichen und 
sozialen Kämpfe nur auf ungenügende Volkserziehung 
zurückzuführen seien, und nur Veredelung und Ver 
schönerung des Lehens durch Rückkehr zur Natur und 
die Pflege der Kunst könnten Abhilfe schaffen. Ruskins 
Einseitigkeit wollte die ausschlaggebende Bedeutung des 
sinnlichen Elementes in der Kunst absolut nicht anerkennen. 
Seiner Kunstkritik, seiner Einschätzung des künstlerischen 
Genusses, seiner ganzen Art, an die Kunst heranzugehen, 
lag immer nur ein ethisches Moment zugrunde. „Er be 
urteilte ein Gemälde nach der Summe vornehmer Moral 
prinzipien, die es zum Ausdruck bringt.“ Er war ein 
wütender Feind der Renaissance. Die Gotik gab ihm 
alles. Van de Velde, der sich so unbedingt der von 
Kuskin propagandierten Richtung anschloß, der ganz auf 
den Schultern von William Morris steht, drückt diese 
Art der Anschauung in seinen „Kunstgewerblichen Laien 
predigten“ als Glaubensbekenntnis aus: 
„Seit 400 Jahren, seit der Blütezeit der Gotik, ist 
der einst in unsern Landen stolz aufragende Baum ab 
gestorben, der eine Periode von einigen Jahrhunderten 
bezeichnet auf jener Wanderung der Kunst von Ost nach 
West, an deren letztem Ende ihr Ge 
schick sich erfüllen muß. Unaufhaltsam 
geht sie ihren vorher bestimmten Weg, 
gehorsam jenem uralten Triebe, der die 
Völker von der Stätte ihrer Geburt 
nach dem Horizont drängt, wo die 
Sonne versinkt, die allabendlich von 
dorther bessere Tage, herrliche Voll 
endung und Auferstehung im Lichte 
verheißt. Jede Versündigung gegen 
dieses Gesetz, jeder Schritt nach rück 
wärts trägt Unfruchtbarkeit und Tod 
in sich. Die Kunst erschöpft auf ihrem 
Wege das Land, wo sie blühte, und 
wenn der Baum stirbt, den sie als 
stolzes Zeugnis ihrer Anwesenheit gen 
Himmel wachsen ließ, so wandelt sich 
dieses Zeugnis in ein unheilvolles Vor 
zeichen. Aber die Menschen hören 
gerade so wenig auf die Lehren der 
Kunst wie auf das gebieterische Be 
fehlswort der Sonne; hartnäckig be 
ackern sie seit 400 Jahren hoffnungs 
los ausgesogene Felder, um immer 
wieder das eigenartige Spitzengewebe 
gotischer Kunst in den höchsten Him 
mel zu erheben. Ihr Elend aber und der Verfall der 
Kunst zeigte sich am deutlichsten, wenn diese feigen 
Nachzügler zurückblickten und Trümmer an das Licht 
zogen, die eine weise Vorsehung im Dunkel ver 
borgen hatte. Durch diesen Bund mit dem Tod wurde 
alles Schaffen der Künstler zunichte. In ungezügelter 
Neugier durchwühlten sie alle Erdenwinkel, die je von 
der Kunst berührt worden waren. Tollkühn unternahmen 
sie die Auferweckung, ein Werk, das über Menschen 
kräfte geht, und wie sie Gott ins Handwerk pfuschten, 
waren sie auch von Gott verlassen. Aber eine scheuß 
liche Verirrung trieb sie immer wieder zur Betrachtung 
von Dingen, die schon in der Erde faulten; mit der 
Leidenschaft von Wahnsinnigen versuchten sie sie nach 
zubilden, ja, der Sinn für Moral war ihnen derart ab 
handen gekommen, daß sie in ihrer unverantwortlichen 
Harmlosigkeit gottlose Opfer Gott darbrachten. Für 
diesen Versuch, dem Tode sein Geheimnis zu rauben, 
traf sie dieselbe Strafe wie jene Vermessenen, die durch 
den Turm zu Babel dem Himmel sein Geheimnis hatten 
entreißen wollen, denn bis dahin hatten alle Zweige der 
Kunst einerlei Zunge und Sprache, jetzt aber ,fuhr der 
Herr hernieder und vor wirre te ihre Sprache, daß keiner 
des andern Sprache vernehme, und verstreuete sie von 
dannen in alle Länder*. Doppelt schwer wurde die 
Wirkung des Fluches dadurch, daß von jetzt ab jeder 
Kunstzweig sich selbständig seinen Ruhm erwerben mußte 
und der Ehrgeiz der Künstler niemals gestillt werden 
sollte. Seit der Zeit herrscht eitel Wirrwarr in unserm 
Streben. Darunter ist fast das schlimmste, daß man 
sich zu Tode plagt, Abgetanes neu anzufangen, und solch 
ein unwürdiger Rückschritt wird — geschmacklos genug — 
auch noch ,Renaissance* genannt.“ 
Van de Velde hat die große, aber beschränkte Idee 
des Kuskin, Morris weiterentwickelt; er hat den prak 
tischen Wert der Idee erschlossen und ihr zum Erfolg 
verholfen. Van de Velde hat entwickelt. Ruskin und 
seine Anhänger waren Fanatiker der Handarbeit und 
haßten und bekämpften durch Schrift, Wort und Tat 
jegliche Anwendung und Benutzung der Maschine. Sie 
gingen so weit, die Eisenbahnen als Verkehrsmittel abzu 
lehnen. Ruskin soll nie eine Eisenbahn benutzt haben, 
seine Studenten in Oxford klopften Steine für eine Straße, 
die nach seinen Angaben ausgeführt wurde. Solch un 
harmonische Widersprüche kennt Van de Velde nicht, 
er ist, was Technik und Material anbelangt, immer in
	        

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