1. September 1906
BAÜZEITUNG
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Einrüstung der Brücke, links die Fahrrinne
Tollstem Einklang mit dem, was das volkstümliche Schlag
wort „Fortschritt“ bezeichnet. Und dadurch eben hat er
den allernützlichsten und größten Einfluß in sozialer Be
ziehung und verwirklicht den volkswirtschaftlichen Ge
danken: „daß ein Mensch, nach seinen Werken gemessen,
um so mehr wert ist, je zahlreicheren Menschen sein
Lebenswerk Nutzen oder Veredelung bringt.“ Van de
Veldes Bedeutung liegt aber keineswegs beschlossen in
dem vollendeten Gebrauche der Werkzeuge der Kunst,
denn darin könnte er immer nur sich selbst offenbaren,
sondern vielmehr ist ihm gelungen eine neue „Möglich
keit der Kunst“. Die konstruktive Tendenz, die ihm zu
eigen ist, erstreckt sich auf das geringste seiner Orna
mente. Von dem Ornament einer Tapete verlangt und
gibt er solche Eigenschaft, und er erreicht und hat es
unter dem Einfluß gewisser moderner französischer Maler
fertig gebracht, mit Linien von rein konstruktiver Tendenz
Stimmungen zu schaffen. Die konstruktive Form erhob
er zu geschlossener ornamentaler Wirkung, und es gelang
ihm damit der Ausdruck und die Stimmung, welche die
Kunst kennzeichnen. Und darin liegt sein besonderes
Verdienst, das nicht hoch genug eingeschätzt werden
kann. Die Harmonie von Körper und Seele ist ihm ge
lungen. Beides war seit den Zeiten der Gotik getrennt
gewesen. Die Renaissance, „jenes verbrecherische Spiel
des Lebens mit dem Tode“, hat er überwunden. Körper
und Seele. Beides war getrennt gewesen, gewöhnlicher
Realismus und eine leere Idealität. Adolf Lutz.
Naturrote Tonplatten
Vor einiger Zeit gab ein vom Geh. Oberbaurat 0. Hoß-
feld im „Zentralblatt der Bauverwaltung“ veröffentlichter
Aufsatz über Stadt- und Landkirchen Veranlassung zu
einer ziemlich lebhaften Kontroverse zwischen Architekten
und Keramikern. Oberbaurat Hoßfeld rühmte die Güte
der kleinen und kleingemusterten harten Tonplatten nach
Mettlacher Art, betonte aber, daß sie für den Kirchen
bau nicht geeignet seien, da sie aus dem Maßstabe des
Raumes herausfallen. „In den Kirchenschiffen,“ sagt
Hoßfeld,. „ist einer großen einfarbigen Fliese aus ge
branntem Ton oder Werkstein, sei es in einem durch
gehenden Farbentone oder in einer mit einfarbigen Fliesen
erzielten Musterung, fast immer der Vorzug zu gehen.“
In technischer Hinsicht rügte Hoßfeld namentlich die
große Glätte der Mettlacher Fliesen. Es ist dann manches
für und wider diese Ansicht vorgebracht worden, ins
besondere wurde die zweifellos unzutreffende Ansicht
Hoßfelds bekämpft, daß eine harte Tonplatte zugleich
auch stets eine hervorragende Glätte aufweise, die sie für
einen Fußboden, den man unter Umständen mit Schnee
und Eis an den Füßen betreten muß, ungeeignet mache.
Denn es lassen sich ebensogut auch hartgebrannte Ton
platten mit rauher Oberfläche erzeugen, während sich
anderseits Fußbodenplatten aus weichem Naturstein leicht
abtreten und abschleifen und dann gerade außerordentlich
glatt werden. Aber in einer Hinsicht haben doch die
Architekten vielfach Herrn Oberbaurat Hoßfeld zustimmen
müssen: es ist nicht zu bestreiten, daß viele architek
tonische Aufgaben weder eine zu zarte Tönung, noch eine
mehrfarbige Musterung der Fußbodenplatten vertragen.
Was Hoßfeld hier von den Kirchen sagt, trifft auch
für viele Anlagen der profanen Baukunst zu. Die Mett
lacher Platten werden aus Rücksicht auf ihre große Härte
und Dauerhaftigkeit zu wahllos, mit zu wenig Verständ
nis für die gerade vorliegende technische oder architek
tonische Aufgabe verwendet. Die reichen, vielfarbigen
Muster verleiten vielfach dazu, einen Luxus zu treiben,
wo dieser gar nicht am Platze ist und wo mit schlichteren
einfarbigen Platten schönere Wirkungen zu erzielen wären.
Namentlich ist die Wahl so zarter Tönungen oder teppich
artiger Muster am wenigsten angebracht, wo der Fuß
boden eine ruhige Folie für eine schlichte, würdige
Raumarchitektur bilden soll. Aber man ist darum noch
keineswegs auf die großen, von Hoßfeld empfohlenen
rauhen Fliesen aus gebranntem Ton oder Werkstein an
gewiesen, die in der Regel zu unkorrekt ausfallen und
sich darum schwer verlegen lassen. Man hat früher
häufig derartige Platten verwendet, aber die Baumeister
sind davon mehr und mehr zurückgekommen, weil man
mit dem korrekt gearbeiteten, hartgebrannten Material
weit bessere Erfahrungen gewonnen hat. Nun besitzen
wir aber in den hart gesinterten Friedländer Tonplatten
von naturroter Färbung ein vortreffliches Material, das
einerseits den erwähnten Anforderungen entspricht, ander
seits so korrekt gearbeitet ist, daß es sich leicht und
bequem verlegen läßt. Diese Platten wollen mir für
Kirchenbauten, wo eine würdige Schlichtheit angestrebt
wird, wie überhaupt für monumental angelegte Räume
ganz besonders geeignet erscheinen.