Full text: Bauzeitung für Württemberg, Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen (1906)

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BAUZEITUNG 
Nr. 39 
Saalbau Mülhausen i. B. 
kannte Sache, daß dreistöckige Bauweise bei den in 
Stuttgart ortsüblichen Bauverhältnissen nur dann rentabel 
ist, wenn große Wohnungen eingebaut werden; wenn 
aber billige, bescheidene Wohnungen gebaut werden 
sollen, dann muß der — in unserm bergigen Gelände 
ganz erhebliche Kosten verursachende — Unterbau durch 
mindestens vier Stockwerke ausgenutzt werden. Eine 
natürliche Folge davon wird sein, daß der Wert der 
Bauplätze sinkt, die Bautätigkeit infolge Unrentabilität 
abnimmt und die Miete, insbesondere bei kleinen Woh 
nungen, sich bedeutend steigern wird, welch letzteres 
durch die enorme Steigerung der Baumaterialien und 
Arbeitslöhne der letzten fünfzehn Jahre ohnehin 
hereinzubrechen droht. Außerdem hat die Beschrän 
kung der Stockwerkszahl auf den allgemeinen Steuer 
beutel insofern einen Einfluß, als die Neuanlage und 
somit auch die Unterhaltung der Straßen ausgedehnt 
werden muß. 
Daß aber dadurch eine Wirkung durch diese Neu 
fassung des § 27 hervorgerufen wäre, die von weittragen 
der Bedeutung ist und neue Wirkungen folgerichtig ge 
bären müßte, bedarf einer Erörterung nicht. Sucht man 
im Amtsblatt nach Gründen, die diese Aenderung ver- 
anlasssen, so findet man folgendes: „. . . die Aenderung 
enthebe der Notwendigkeit, immer wieder besondere Be 
stimmungen in dieser Richtung zu treffen. Außerdem sei 
eine Klarheit in der Richtung erwünscht, was für ein 
Unterschied bestehe zwischen Gebäuden mit 2, 3 und 4 
und solchen mit 2 1 / 2 , 3^2 und 4'/ 2 Stockwerken. ... Im 
weiteren habe sich eine andre Anordnung des ganzen 
Paragraphen im Interesse der Uebersichtlichkeit, Ver 
ständlichkeit und Folgerichtigkeit nahegelegt.“ Das sind 
die Gründe, die das Amtsblatt anführt: kleine Ursachen, 
große Wirkungen —!? 
Wohl darf zugegeben werden, daß in bezug auf Licht- 
und Luftverhältnisse unsre Bauvorschriften etwas zu 
wünschen übriglassen. Hier kann aber nicht durch Be 
schränkung der Stockwerkszahl, sondern durch Schaffung 
größerer Lichtquellen abgeholfen werden, und die Ab 
änderung des § 47, betreffend die Baudichtigkeit, wäre in 
der Art gerechtfertigt, daß Abstände zwischen Vorder- 
und Hinterhäusern statt 6 m mindestens 8 m betragen 
müssen. 
Vergleicht man nun die Ursachen der Aenderung des 
§27 mit den Wirkungen und zieht man unsre zurzeit 
bestehenden außerordentlich teuren Existenzverhältnisse 
in Betracht, so ist es eine humane Pflicht, gegen die 
seitens der Stadtgemeinde Stuttgart im Eiltempo vor 
geschlagene Neufassung des § 27 des Ortsbaustatuts Front 
zu machen. Dem Kgl. Ministerium aber wäre zu raten, 
derartige einschneidende Aenderungen prinzipiell ahzu- 
weisen und die Beratungen und Beschlüsse im Landtag 
über die neue Bauordnung abzuwarten, welche ein objek 
tives Bild unsrer Bauverhältnisse in Württemberg zeitigen 
dürften. 
Architekt Albert Schieber, Stuttgart 
Wettbewerb Saalbau Mülhausen i. Eis. 
(Schluß) 
Mit heutiger Nummer schließen wir die Reihe der 
Konkurrenzentwürfe des interessanten Wettbewerbs. Ueber 
den Entwurf mit dem Kennwort: „Parkstimmung“, Ver 
fasser Architekt Ohr. Städler-Tübingen, urteilte das Preis 
gericht wie folgt; Der Entwurf zeigt ein anerkennens 
wertes Streben nach eigenartigen Lösungen und eine 
ansprechende Architektur, die mit bescheidenen Mitteln 
auskommt. Im Grundriß sind die Garderoben zu be 
schränkt, das Podium ist zu schmal; der Haupteingang 
liegt an der Modenheim erstraße nicht besonders zweck 
mäßig. Sehr hübsch ist die Verbindung des Hauses mit 
dem Garten gelöst. 
Den prämiierten Entwürfen lassen wir ein weiteres 
Projekt folgen von Architekt Albert Schieber-Stuttgart. 
Auch hier liegen der Hauptsaal längs der Modenheimer- 
straße, die Gesellschaftssäle mit darunterliegendem Restau 
rant an dem Salvatorplatz. Eigenartig an der Gesamt 
disposition ist die Lage des Orchesters auf der Seite des 
Haupteingangs, über welchem die Stimm- und Solisten 
zimmer liegen. Durch diese Anordnung ist der An 
forderung des Programms, daß Stimmzimmer und Gesell 
schaftsräume von einem gemeinsamen Treppenhaus zugäng 
lich sein sollen, entsprochen. Die Fassaden sind schlicht 
mit großem Motiv des Hauptsaals am Salvatorplatz.
	        
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