Full text: Bauzeitung für Württemberg, Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen (1906)

FÜR WÜRTTEMBERG 
BADEN HESSEN EL 
SAS S - LOTHRINGEN* 
STUTTGART, 13. OKTOBER 1906 
Inhalt: III. Deutsche Kunstausstellung Dresden. — Wettbewerb Krankenhaus Tuttlingen. — Kontinuier 
liche Balkenbrücken aus Eisenbeton. — Vom rheinischen Holzmarkt. — Vereinsmitteilungen. — Wett 
bewerbe. — Kleine Mitteilungen. — Personalien. — Bücher. 
•HAUSTEIN. " 
Alle Rechte Vorbehalten 
III. Deutsche Kunstausstellung’ Dresden 
Von Architekt Eich. W e i g 1 e - Berlin 
Wenn man die Entwicklung des Kunstgewerbes in 
den letzten Jahren verfolgt hat und nun die Dresdner 
Ausstellung für Raumkunst ins Auge faßt, so muß selbst 
der verbissenste Pessimist etwas von der Wiederbelebung, 
dem großen Aufschwung und dem Fortschritt unsers in 
den letzten Jahrzehnten durch die sogen. Gotiker und 
sonstigen Stilarchitekten bezw. geistlosen Kopisten der 
alten Stile versumpften Kunstgewerhes spüren. Nicht 
nur die große Menge der ausgestellten Arbeiten und 
Räume, sondern auch das künstlerisch Wertvolle der 
einzelnen Objekte erfüllt uns mit einer gewissen Befrie 
digung, und es kann sich wohl keiner der Beschauer der 
Tatsache verschließen, daß das deutsche Kunstgewerbe 
wieder einmal einen tüchtigen Schritt vorwärts getan 
hat. In erster Linie gilt dies auch in Beziehung auf 
die kirchliche Kunst, und es wird wohl kaum mehr 
ein Kritiker imstande sein, sich einzureden, daß die 
Lebensdauer unsrer neuen Richtung nur kurze Zeit 
währt, jedenfalls wird sie nicht mehr zu dem trau 
rigen Dilettantentum der letzten Jahrzehnte zurück 
kehren, sondern sich kraftvoll zu größerer Vollendung 
weiterentwickeln. Die Ausstellung wollte nun die kirch 
liche Kunst auch mit unsern modernen Empfindungen 
und Bedürfnissen in Einklang bringen, und sie ist frei 
von allem Hergebrachten an die Lösung dieser Aufgabe 
herangetreten. Es handelte sich auch weniger darum, für 
gottesdienstliche Zwecke ge 
eignete Räume zu schaffen, 
als denselben durch ihre 
künstlerische Durchbildung 
kirchliche Stimmung und 
Weihe zu geben. Diesen 
Anforderungen im evangeli 
schen und katholischen Sinne 
gerecht zu werden, war die 
Aufgabe, und sie ist gut 
gelungen. Fernerhin bieten 
ein freireligiöser Versamm- 
lungssal und eine Synagoge zu 
Gegenüberstellungen reich 
liche Gelegenheit. 
Der protestantische Kir 
chenraum wurde von Prof. 
Fritz Schumacher - Dresden, 
der katholische von Prof. 
Rieh. Berndl-München ent 
worfen. An die katholische Kirche schließt sich eine 
sehr hübsch durchgebildete Sakristei von Architekt Os 
wald Bieber-München, an, die leider, wie auch die katho 
lische Kirche, ziemlich dunkel ausgefallen ist. Es war 
dies, da die Räume in das vorhandene Hauptgebäude 
eingebaut werden mußten und Fenster nicht ins Freie 
führen konnten, nicht zu vermeiden. Die evangelische 
Sakristei von Architekt Ernst Kühn-Dresden schien 
mir weniger gelungen, der ernste Charakter ist hier 
wohl in zu vorwiegender Weise zum Ausdruck ge 
bracht, während die würdige Ruhe in Prof. Schu 
machers kirchlichem Vorraum besser zur Geltung 
kommt. Interessant ist auch die in dem von Prof. 
Schumacher entworfenen Raume befindliche Sonder 
ausstellung für kirchliche Kleinkunst, welche von Dr. Ber- 
ling zusammengestellt wurde. Die Ausstellung veran 
schaulicht die Entwicklung und Ausbildung der Form 
der Abendmahlskelche vom Jahre 1250 an; wir sehen 
dort, wie die Künstler der verschiedenen Perioden 
vom romanischen bis zum Barock- und Empirestil immer 
bemüht waren, Neues zu schaffen, das ihrer Zeit und 
Anschauung entsprach. Nur die stillose Zeit des ver 
gangenen Jahrhunderts, in welcher die alten Stile in 
meist geistloser und mißverstandener Weise kopiert wur 
den, unterbricht die Entwicklung, und erst in neuester 
Zeit sehen wir Kelche in moderner guter Auffassung er 
stehen, von denen leider nur 
eine bescheidene Anzahl ver 
treten ist. Als ein erfreu 
liches Ereignis dürfte auch 
wohl die Ausstellung eines 
Friedhofes zu begrüßen sein, 
die, wie ich hoffe, manches 
zur Hebung der heute noch 
auf einem sehr niedrigen 
Niveau stehenden Grabmals 
kunst beitragen wird. Es 
konnte sich ja hier bei einem 
Platze von ca. 15 a wohl kaum 
um die Lösung der Großstadt 
friedhoffrage handeln, aber 
ich glaube doch, daß das 
kleine, liebevoll durchgebil 
dete Fleckchen Erde auf das 
Gemüt des Besuchers eine 
nachhaltige Wirkung haben 
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Wettbewerb Krankenhaus Tuttlingen
	        
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