27. Oktober 1906
BAUZEITUNG
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Angekauiter Entwurf. Verfasser: Begierungsbaumeister Karl Jung, Stuttgart
Hirschgasse und dem eigentlichen westlichen Münster
vorplatz, ungefähr an der Stelle des einstigen Gymnasiums
und „Kirchles“. Welchem Zweck ein hier einmal
zu
errichtender Bau zu dienen hätte, das lag ja ganz außer
halb des Rahmens, und es ist entschieden darauf hinzu
weisen, daß, wie schon oben gesagt, der Wettbewerb nur
Material zeitigen sollte, daß daher die in den einzelnen
Entwürfen geplanten Bauten nur als beispielsweise dar
gestellte Möglichkeiten aufzufassen sind, für deren Ver
wirklichung die Voraussetzungen völlig in der Zukunft
liegen. Daher ist auch die Gestalt dieser Bauten im
einzelnen eine Frage, die gar
nicht zur Erörterung steht und
deren Lösung in den verschie
denen Entwürfen als etwas ver
hältnismäßig Nebensächliches zu
betrachten ist. Nur mit einem
grundsätzlichen Problem, das in
diesem Zusammenhang auftaucht,
muß man sich von vornherein
auseinandersetzen. Das Bedauern
über den vor 30 Jahren getanen
unheilvollen Schritt der Ab
tragung der Barfüßerkirche hat
eine Anzahl von Bewerbern dazu
geführt, eine Wiederherstellung
versuchen oder wenigstens
zu
mehr oder weniger deutliche An
klänge an das vormalige Aus-
Eegierungsbaumeister Karl Jung, Stuttgart
sehen des Platzes ihren Plänen einzuverleiben. Aber es
bleibt doch ein vergebliches Bemühen, das Verschwundene
wieder aufleben lassen zu wollen, und wenn man an die
große Aufgabe praktisch herantritt, wird man die Alter
tumswissenschaft besser aus dem Spiel lassen, wird besser
darauf verzichten, etwas künstlich Altes hinzustellen; man
soll es wagen, zwar im Einklang mit dem Vorhandenen,
aber doch voll aus dem modernen Empfinden heraus die
baulichen Gedanken zu schöpfen, mit denen der ange
strebte Zweck erreicht wird. Das tun denn auch die
sämtlichen preisgekrönten Entwürfe, denen wir uns nun
mehr zuwenden.
Der mit dem I. Preis be
dachte Entwurf, der außer den
Plänen durch ein hübsches und
umfassendes Modell verdeutlicht
wird, sieht eine Markthalle vor
mit kleineren Nebengebäuden,
die einen Hof einschließen. Die
ganze Gruppe ist im Aufriß ge
schickt derart angelegt, daß eine
sattelartige Lücke den prächtigen
Blick auf das Münster bis zum
oberen Teil der Vorhalle herab
frei läßt. Auch der diagonale
Blick auf den Turm von der
Mündung der Köpfingergasse ist
ganz gewahrt. Der leicht ge
schwungene Grundriß ordnet