Full text: Bauzeitung für Württemberg, Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen (1906)

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BAU ZEITUNG 
Nr. 45 
Aufnahme vom Schloß Rastatt von P. H. Steinhart, Zeichenlehrer in Karlsruhe 
man denke! Oder sollte der Gedanke annehmbar sein, 
daß man mit dem Heraion einen ersten Versuch gemacht 
habe, sich dadurch aber — erklärlich wäre das schon — 
für immer habe ahschrecken lassen? 
Gehen wir nun den Einzelheiten nach. Es waren 
44 Stämme von 1,14 m Durchmesser und 4,745 m Länge 
für die Schäfte der Bingsäulen zu beschaffen. Dazu mußte 
man Eichen von mindestens 1,50 m Durchmesser fällen, 
also die allerstärksten. Auch wohl sicherlich mehr als 
44 Stämme, denn wie viele möchten sich nach dem Fällen 
als unbrauchbar erweisen! 
Woher bezog man denn wohl so viel vom allerbesten 
und stärksten Holze? Aus Elis allein schwerlich, also 
mußte das übrige Griechenland helfen. Wir wissen aber, 
daß der Holzreichtum hier schon im Altertume so zurück 
gegangen war, daß man den Bedarf für die Flotte in 
Kreta und in den nordgriechischen Ländern decken mußte. 
Vielleicht war um das Jahr 1100 noch mehr da, Arkadien 
war ja baumreich; wie stand es aber um die Heran 
schaffung dieser gewaltigen Masse aus der gebirgigen 
Landschaft? An Flößen ist nicht zu denken, dazu waren 
die meisten Flüsse, wenn nicht alle, wegen ihres starken 
Gefälles und der vielen sonstigen Hindernisse ungeeignet; 
selbst die größten, unter ihnen der Alpheios, konnten 
bekanntermaßen nur kurz vor ihrer Einmündung ins Meer 
mit Booten befahren werden. Es blieb also nur die 
Heranschaffung mittels Landfuhrwerk übrig. Allein das 
gebirgige Hellas ist nie gut mit Wegen versorgt gewesen. 
Wie würde es sonst erklärlich sein, daß die Bewohner 
der Ostküsten zu den olympischen Spielen den Seeweg 
um den ganzen Peloponnes vorzogen? Was es nun auf 
sich hatte, die mächtigen Stämme der Bingsäulen, für 
die doch wohl nur einstämmiges Holz in Frage kommen 
konnte, fortzuschaffen, selbst bei der Annahme, daß man 
sie, um an Gewicht zu sparen, gleich auf der Gewinnungs 
stätte zurichtete, lehrt folgende Bechnung: 
Ein einziger Stamm wog nach der Bearbeitung: 
1,14-1,14« 3,14 _ 4 , 745 = 4>84 cbm j e g00 kg _ 3872 kg 
= rund 77 Ztr. Dazu das Gewicht des Wagens mit 40Ztr. 
- 117 Ztr. 
Es gehören bei unsern guten modernen Landstraßen 
in der Ebene schon drei Pferde dazu, um diese Last, also 
einen einzigen Stamm, fortzuschaffen. Welches Bild 
nimmt der Transport der Gesamt 
masse in dem unwegsamen Ge- 
birgslande an! 
Ein weiterer bedenklicher Punkt 
ist die Bearbeitung der Hölzer. 
Vereinzelt kommen ja in den Grä 
bern der mykenischen Zeit schon 
eiserne Gerätschaften vor; ob sie 
aber um das Jahr 1000 v. Chr. 
schon derart vollkommen waren, 
um runde Säulen (ganz abgesehen 
von Kannelüren und Schwellung), 
um Echinus und Abakus in wür 
diger Vollendung herstellen zu 
können, dafür fehlt uns jeder An 
haltspunkt, das muß mindestens 
zweifelhaft bleiben. 
ünabweislich drängt sich nun 
die weitere Frage auf, wie sich 
denn wohl ein solcher aus Holz 
gezimmerter Tempel gegen die Un 
bilden der Witterung verhalten 
habe? Denn daß über Griechenland 
ein ewig blauer Himmel lachte, ist 
eine Fabel. Curtius in seiner Ge 
schichte von Olympia sagt: „Das 
untere Alpheiostal gehört zu den 
Gegenden Griechenlands, die im 
Gegensätze zu den östlichen Küstenlandschaften von hef 
tigen Niederschlägen vorzugsweise heimgesucht sind. Darum 
hat der Gewitterzeus seit den ältesten Zeiten besonders in 
Ehren gestanden.“ Jawohl, so war es; schwere Schlagregen 
lösten sich mit stechendem Sonnenschein in kurzen 
Zwischenräumen ab. Binnen wenigen Jahren hätten 
sicherlich die überstehenden Abaken ein wunderliches 
Aussehen angenommen und Bisse über Bisse hätten sich 
in dem schweren massiven Holze gezeigt. Denn wenn 
man auch heutzutage starke Stämme durch entsprechende 
Behandlung einigermaßen vor dem Beißen zu schützen 
weiß; — nicht ein einziges Beispiel wird beizubringen 
sein, bei dem es gelungen wäre, annähernd starke Hölzer 
wie hier beim Heraion zur Verwendung von Außen 
architektur brauchbar zu. machen. Wie stand es denn 
vor 3000 Jahren um solche Erfahrungen? 
Weiter; Beim Heraion war die Gellawand massiv, 
d. h. der Sockel bestand aus Quadern, die ganze Ober 
wand aus Lehmsteinen, und eine gleiche Herstellung hatte 
man den Zungenmauern gegeben, welche in die Cella 
hineinsprangen und dort Nischen bildeten. Und diese 
Zungenmauern aus Lehm endigten in — Holzsäulen. Das 
ist wohl kaum griechisch gedacht. 
Ein solches Holzgebilde nun soll in einem Lande ge 
standen haben, welches geeignetes Steinmaterial, ganz 
abgesehen von Marmor, in Hülle und Fülle besaß. All 
überall, auch bei Olympia, gab es Bruchsteine, aus denen 
man mit Leichtigkeit, d. h. ohne besondere handwerkliche 
Fertigkeit, ohne feinere Gerätschaften und ohne schwie 
rigen Materialtransport Steine aufmauern oder auch in 
Stücken zusammensetzen konnte. Solche Säulen, mit 
Stuck sauber abgeputzt und getüncht, verlangten von dem 
Arbeiter das denkbar Geringste und kosteten — gegen 
Holzsäulen gerechnet — so gut wie nichts. 
Dörpfelds Behauptung setzt also voraus, daß man 
zuerst den schwierigen, unsicheren und kostspieligen Weg 
beschritten und erst später den einfachen und natur 
gemäßen eingeschlagen habe. Ich aber bin überzeugt, 
daß, wie der Aegypter seine Gebäude aus Nilschlamm 
und abgeworfenen Palmzweigen baute, auch der Grieche 
zunächst zu dem Material griff, das ihm zur Hand lag, 
also Holz nur da und zu solchen Teilen verwandte, die 
ohne allzu große Mühe und Kosten aus demselben her 
zustellen waren. Gleicher Ansicht ist Durm, welcher in
	        

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