8. Dezember 1906
BAUZBITUN 0
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Mahlzeiten, das Familienleben gruppiert. Die Fenster
sind so gebaut, daß sie, wie bemerkt, Licht und Luft so
reichlich als möglich hereinlassen, dabei mit niedrigen
und breiten Brüstungen, einerseits um Blumen Kaum zu
gewähren, anderseits um beim Sitzen am Fenster das
Ablegen von Büchern, Näharbeiten u. s. w. zu ermög
lichen; auch in dieser Beziehung war das Mietsetagen
system mit seinen abrasierten Fensterbrettern so un
heimisch, zeremoniös und unwohnlich als möglich. Glas
häuser und Glasveranden halten wir ebenfalls für
unwohnlioh, dagegen erhöhen die sehr reizvollen neuer
dings eingeführten Blumenerker den Eindruck des Fensters
sowohl von außen als von innen.
Die Höhe der Zimmer braucht beim Landhaus nicht
bis zu der bei den Mietsetagen üblichen hinaufzugehen,
doch ist ein Zurückgehen derselben bis auf die heim
Innenräume auf den Garten übertragen und die Natur
von der Kunst überhieten lassen. Nein, das Zimmer sei
trotz des Blumenschmuckes Wohninnenraum, der Garten
dagegen eine Feststätte der Natur, d. h. der Ort, wo die
Natur als Natur herrscht in Fülle und Pracht. Im großen
Stile bieten die englischen Parks der letzten fünfzig Jahre
ein durchaus nachahmenswertes Vorbild. Die deutschen
Verhältnisse sind intimer; ein wenig von der japanischen
Gartenkunst, jener englischen Parkkunst großen Stiles
zugesetzt, dürfte die für Deutschland richtige Mischung
ergeben. Aber freilich ist auch hier die Hauptsache, daß
jeder Heimherr den Garten schafft, der seinem und seiner
Frau individuellen Empfindungsleben entspricht.
Denn diese individuelle Note wollen wir beim modernen
Landhaus, so wie wir es uns wünschen, nach keiner
Richtung missen.
Landhaus Dr. Mülberger in Darmstadt, Preis 85000 M., d. i. 27,6 M. pro cbm. Architekt Professor Putzer, Darmstadt
Aus Haenel-Tsoharmann „Das Einzelwohnhaus der Neuzeit“
Bauernhaus übliche, wie man es heute, namentlich in
England, häufig findet, als Mißgriff und reaktionär im
schlechten Sinne zu bezeichnen. Die Hygiene darf vor
dem modernen Luxus nicht Halt machen, vielmehr muß
gerade hier dafür gesorgt werden, daß die köstliche Him
melsgabe Raum und Platz findet und durch das Atmen
der Menschen nicht gar zu sehr verdorben wird.
Endlich noch ein Wort über den Garten. Vor zwanzig
Jahren machte der, welcher die Natur liebte, aus seinem
Wohnzimmer ein Gewächshaus und aus seinem Garten
ein Wohnzimmer, indem er saubere Kieswege anlegte,
Einfassungen anbrachte, Barrieren aufschlug, Tierfiguren,
Gnomen, Göttinnen errichtete, Lauben mit buntfarbigen
Scheiben baute und alle Gewächse mit der Schere gerad
linig schnitt. Und in einen ähnlichen Fehler verfallen
moderne kunstgewerbliche Künstler (vergl. z. B. Peter
Behrens’ Garten auf der Düsseldorfer Gartenausstellung
1904), wenn sie die strengen Linien und Formen der
lieber Kunst im Städtebau
bringt Dr. Josef Dierschke-Breslau in dem Technischen
Gemeindehlatt Nr. 10 eine ganz interessante Abhand
lung, aus welcher wir einen kurzen Auszug hier wieder
gehen.
1. Wie entwerfen wir unsre Stadtbaupläne V
Im Mittelalter verstand man noch im wahren Sinne des
Wortes zu wohnen. Wohnung und Straße harmonierten
miteinander. Nicht die Straßenflucht bezwang den Bau,
sondern der Bau die Straßenflucht. Für die moderne
Gestaltung der Straßen sind zwei Momente ausschlag
gebend: der Verkehr und die Volksgesundheit. Von
diesen Gesichtspunkten ausgehend, drang man auf breite
und gerade Straßen. Dies brachte eine gewisse Ein
tönigkeit in das Straßenbild. Industriegebäude sind in
Villenvierteln zu verbieten. Es ist von großem Wert,
umfangreiche Parkanlagen zu schaffen. Bei der Anlage