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FÜR WÜRTTEMBERG
BADEN HESSEN EL
SAS S - LOTHRINGEN*
STUTTGART, 22. DEZEMBER 1906
NUMMER 51
Inhalt: Fortschritte im Bau weit gesprengter flacher massiver Gewölbe. — Von der Nürnberger Landes
ausstellung. — Landhaus Meyer-Förster in Degerloch. — Wohn- und Stallgebäude in Degerloch. —
Vereinsmitteilungen. — Wettbewerbe. — Kleine Mitteilungen. — Personalien. — Bücher.
Alle Rechte Vorbehalten
Fortschritte im Bau weitgesprengter flacher massiver Gewölbe
(Schluß) Von Landesbaurat Lei
Werksteingewölbe aus rauh behauenen Steinen sind
bei teuerm Mörtel und billigem, leicht zu bearbeitendem
Stein am Platz, Ausführungen in Quadermauerwerk, wo
es sich um große Festigkeit und monumentale Wirkung,
wie bei den Münchner Brücken, handelt. Zur Vermeidung
schädlicher Aufwärtsbewegung des Lehrgerüsts nach Ge
wölbeschluß ist dieses nötigenfalls ein wenig abzulassen.
Die Ausschalung selbst hat möglichst gleichmäßig an
allen Punkten in einer Reihenfolge einzelner Senkungen
zu erfolgen; vorher ist die Lage der Drucklinie zu prüfen,
falls die Uebermauerung noch nicht fertiggestellt ist, und
nötigenfalls durch künstliche Belastung gefährlichen Aus
schlägen entgegenzuwirken.
Um einen leichten Ueberblick über die Fortschritte
bei neueren Brückenbauten von 50 m und mehr Weite zu
gewinnen, sei noch auf die wesentlichsten Abmessungen
und Pressungen eingegangen. Zweckmäßig unterscheidet
man: Flachbrücken mit einem Pfeilverhältnis von '/ s und
weniger, gedrückte Brücken mit '/s Vi Pfeil und Hoch
brücken, deren Pfeilverhältnis über '/i hinausgeht. Das kenn
zeichnendste Merkmal für die Kühnheit eines Brückenbaus
mehr noch als das Pfeilverhältnis ist der Scheitelhalbmesser.
Während die größten Ausführungen der Jahre 1866
bis 1875 Scheitelhalbmesser von 26—57 m aufweisen, die be
rühmten französischen und österreichischen von 1883 bis 1903
entstandenen Bauten solche von 36 —53 m, zeigen die ge
drückten Brücken aus den Jahren 1899 bis 1906 36—75 m,
die 1893 bis 1906 gebauten Flachbrücken 62—106 m, der
Mannheimer Konkurrenzentwurf 170 Scheitelhalbmesser.
Die kleinsten Wölbstärken der älteren Bauten gehen
bis auf V35 herab, die Neckarhauser Betonbrücke dagegen
hat bei Zugrundelegung der Gesamtsttitzweite von 66,4 m
als Maßstab ‘/ss» der eben genannte Entwurf nur Vin-
Dementsprechend sind die Pressungen in den Flachbrücken
auf über das Doppelte, an den Gelenkstühlen auf reich
lich das Dreifache gestiegen. Die Plauensche Brücke wird
im Bruchsteinmauerwerk, wie schon erwähnt, mit 69 Atm.
beansprucht, und in andern Brücken ist man an den
Gelenkstühlen bis 100 Atm., bei Quadern sogar 170 Atm.
gegangen.
Redner geht hierauf nach einem Hinweis auf die zahl
reichen im Saal ausgestellten Pläne und Abbildungen,
die von Behörden und Firmen in zuvorkommendster W eise
zur Verfügung gestellt waren, auf die Bedeutung tüchtiger
Unternehmerfirmen für den Steinhrückenbau ein.
b b r a n d - Sigmarmgen
Wenn ein besonderer Vorzug der massiven Brücken
darin zu erblicken ist, daß kleinere Ausführungen bei ein
fachen Verhältnissen von jedem tüchtigen Baugewerk
meister ausgeführt werden können, so verlangen große
Bauten doch ein geschultes Personal und erprobte mecha
nische Einrichtungen. Vielfach haben die großen Firmen
selbst befruchtend auf die Entwicklung des Steinhaus
eingewirkt. Unter den in der neuesten Zeit besonders
hervorgetretenen sind z. B. Dyckerhoff & Widmann,
Wayß & Freitag, Liebold & Cie., Kunz in Kempten,
Grün & Bilfinger, Säger & Wörner zu nennen.
Die großen Vorteile solcher massiven Brücken be
ruhen nicht allein in der Ersparnis an Bau- und Unter
haltungskosten gegenüber Eisenbrücken, sondern vor allem
auch darin, daß die Steinbrücken mit heimischem Material
und heimischen Arbeitskräften ausgeführt werden können
und daß so der Gleichmacherei und dem Schematismus
im Bau, wie der Zentralisierung der Arbeitsstellen ent
gegengearbeitet wird, was von nicht zu unterschätzender
sozialer und wirtschaftlicher Bedeutung ist. Auch be
dürfen massive Brücken bei Vergrößerung der Ver
kehrslast nicht so bald einer Verstärkung wie eiserne
Brücken.
Eine weitere mächtige Stütze findet der Steinbrücken
bau durch seine Ueberlegenheit in künstlerischer Hinsicht
über Eisenkonstruktionen. Er schmiegt sich in vollendetster
Weise in das mittelalterliche Städtebild, die moderne Groß
stadt, spiegelt als mächtiger Bogen aus rauhen Quadern
den Ernst der Gebirgslandschaft oder übersetzt als Gelenk
brücke in schlanker Linie den Strom im Flachland.
Man sollte bei Gelenkbogen die an der Bruchfuge
verdickte Form nicht äußerlich verhüllen, wie dies viel
fach geschehen ist. Wenn die Gelenke als solche auch
äußerlich gezeigt werden, wirkt eine der Wahrheit ent
sprechende Erscheinung der Bogenform durchaus nicht
unschön. Durch ihren besonderen Reiz hat sie bei dem
vom Vortragenden in dieser Hinsicht ausgebildeten großen
Brücken rasch Beifall gefunden. In neuester Zeit haben
auch bedeutende Architekten, wie Fr. v. Thiersch, Fischer,
Billing, Bodo Ehhard, Hofmann u. a., dem Steinbau ihre
Kräfte gewidmet und, wie in den Münchner Brücken,
Hervorragendes geschaffen.
Bemerkenswert ist, daß man bei den großen Aus
führungen auf die hei Eisenbauten üblichen schweren
Pfeileraufbauten verzichtet hat. Sie sind hier nicht er