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BAUZEITUNG
Nr. 51
Von der Nürnberger Landesausstellung
(Schluß) Von Baurat C. Schmid
YII. Das bayrische Wasser versorgungswesen
Noch kein halbes Jahrhundert ist es her, daß in un-
serm deutschen Yaterlande das Wort „Wasserversorgungs
wesen“ ein fast unbekannter Begriff war.
Man begnügte sich zu jener Zeit, selbst in großen
Städten, vorzugsweise mit der Wasserentnahme aus öffent
lichen oder privaten Pumpbrunnen oder mit einigen
wenigen ständig fließenden Brunnen, die von beigeleiteten
Quellen gespeist wurden.
Wie in so manchen andern Dingen, haben sich auch
in der Wasserversorgung der Orte in den letzten fünfzig
Jahren gewaltige Wandlungen vollzogen. Die zu be
stimmten Tageszeiten von wasserholenden Dienstboten
belagerten öffentlichen Brunnen — mit ihnen ein Stück
Straßenbild jener „alten guten“ Zeiten — sind fast aus
allen größeren Orten verschwunden! Die Wohnungs
zapfstelle (man beachte den Ausdruck), die selbst im
Landhaus Meyer-Förster in Degerloch bei Stuttgart. Grundrisse
des Erd- und Obergeschosses. Architekten Eisenlohr & Weigle,
Oberbauräte in Stuttgart
obersten Stockwerke des Hauses je nach Bedarf reich
liches und gesundes Wasser unter entsprechendem Druck
spendet, ist eine so selbstverständliche natürliche Ein
richtung geworden, als ob sie von jeher bestanden hätte.
Mit diesen Worten beginnt die Einleitung des Spezial-
kataloges über die Ausstellung des Kgl. bayrischenWasser-
versorgungsbureaus, in welchem der Wert und die Ent
wicklung der Wasserversorgungen mit beredten Worten
geschildert ist.
In letzterer Hinsicht freut sich der württembergische
Besucher der Ausstellung, zu lesen: Bahnbrechend ging
hierin wohl die württembergische Regierung vor, indem
sie im Jahre 1865 den Gemeinden zuerst einen techni
schen Berater für Projektierung von Wasserversorgungen
zur Verfügung stellte und dann am 6. Mai 1869 das
Kgl. Bauamt des Staatstechnikers für das öffentliche
Wasserversorgungswesen errichtete. Das Beispiel und
die Entwicklung, welche die Sache in Württemberg nahm,
blieben nicht ohne Nachahmung.
Gefördert wurde das angeregte bayrische Wasserver
sorgungswesen durch eine neue Fassung bezüglicher Be
stimmungen des bayrischen Brandversicherungsgesetzes,
wonach das Kgl. Staatsministerium des Innern aus den
regelmäßigen jährlichen Beiträgen der Brand versicherungs
anstalt bis zu 7 °/ 0 der Gesamtsumme zur Unterstützung
verunglückter Feuerwehrmänner und deren Hinterbliebenen
sowie zur Förderung des Feuerlöschwesens ver
wenden kann. Mobiliarfeuerversicherungsgesellschaften
haben 3°/ 0 ige Beiträge zu einem „Fonds zur Förderung
des Feuerlöschwesens“ zu bezahlen, und als beste För
derung wird die Verbesserung der allgemeinen Wasser
bezugsverhältnisse angesehen. Die Förderung besteht
aber nicht bloß in Geldzuschüssen zu guten Neuanlagen
von Wasserversorgungen, sondern auch in der Errichtung
des dem Kgl. Ministerium des Innern unmittelbar unter
stellten Wasserversorgungsbureaus, dessen Aufgaben in
folgenden Hauptpunkten zusammengefaßt sind:
1. Die Beratung der Gemeinden, welche ihre Wasser
bezugsverhältnisse verbessern wollen, durch Ausarbeitung
technischer , Gutachten und genereller Projekte.
2. Die Ausarbeitung der Detailprojekte und Mit
wirkung bei der Lösung der privatrechtlichen und finan
ziellen Vorfragen.
3. Die Oberleitung über die Bauausführung, Bauab
rechnung und Betriebseinrichtung.
4. Pi’üfung von Projekten andrer Techniker über ge
meindliche Wasserversorgungen, sofern von den Ge
meinden zur Ausführung Baukostenzuschüsse erbeten
werden.
6. Abgabe von Gutachten über allgemeine Wasser
versorgungsangelegenheiten und damit verwandten Ge
bieten.
6. Die Prüfung der technischen Betriebseinrichtungen
und der Instandhaltung der unter seiner Oberleitung aus
geführten Anlagen je nach Antrag oder Bedarf.
Eine weitere Unterstützung wird den bayrischen Ge
meinden dadurch zuteil, daß zu den Wasserversorgungen
ländlicher Gemeinden Darlehen von der Landeskultur-
Rentenanstalt zu dem Zins von S^/o und in der Regel
einem jährlichen Tilgungsbetrag von 2 1 / 4 °/ 0 — also mit
einer Tilgungszeit von 28 Jahren — gewährt werden,
ohne daß die Gemeinden besondere Sicherheiten stellen
müssen.
Auf der Ausstellung befinden sich nun Darstellungen
der Geschäftstätigkeit des Kgl.
Wasserversorgungsbureaus durch
Karten, statistische Tafeln und ge
druckte Geschäftsberichte; ferner
Karten und Pläne über Wasser-
Abb. 4. Geländeoberfläche leitungsanlagen, sodann Modelle
(undurchlässig) verschiedener Art und endlich eine
hochinteressante Sammlung von
verschiedenen Röhren, Wassermessern und sonstigen
Wasserleitungsgegenständen. In der Sammlung von Rohr-