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BAUZEITUNG
NK. 5
gaben, die da und dort zu erfüllen sind? Der kirchlichen
Malerei und Plastik tut vor allem das Verinnerlichen not.
Was empfinden wir denn bei den meisten unsrer neuen
Altarblätter und Skulpturen hauptsächlich als Mangel?
Ich glaube, es ist, vom Technischen abgesehen, in erster
Linie das Fehlen des Ausdruckes, der Beseelung, des
inneren Lebens, was uns gegenüber diesen Werken so
kalt läßt. Daher blicken wir auch so gerne auf die
alten Bilder und Figuren; denn in ihnen finden wir
gerade das, was wir an den neuen meist vermissen.
Seit Jahren hat die moderne Malerei eine reiche Ent
wicklung aufzuweisen. Wie gering an Zahl sind die
Werke in unsern Kirchen und Rathäusern, die späteren
Generationen von dieser Entwicklung Zeugnis geben
können! Viele tüchtige Künstler harren der monumen
talen Aufgaben — der Aufgaben, die ihnen nicht oder
nur in verschwindend geringem Maße gestellt werden.
Man verweist und vertröstet sie in der Regel auf die
Ausstattung von Neubauten. leb hörte vor kurzem den
Satz: In den alten Kirchen ist nur Raum für die alte
Kunst, d. h. für die altertümelnde Kunst, die moderne
Kunst soll sich zufrieden geben mit den neugebauten
Kirchen. Es war ein Künstler, der so sprach, ein sehr
angesehener Künstler. Welch verkehrte Anschauung,
welche unheilvolle, folgenschwere Verirrung! Hätte man
in früheren Jahrhunderten so gedacht und gehandelt, wo
wäre da die abwechslungsreiche Kunstentwicklung ge
blieben, deren Schöpfungen uns eben wegen ihrer Mannig
faltigkeit so erfreuen und innerlich ergreifen? Wäre man
so verfahren, so hätten wir zum Beispiel keinen Bam-
berger Dom, einen Bau, der uns durch den schrittweisen
Uebergang vom romanischen zum gotischen Stil die be
wegenden Kunstideen seines Zeitalters in so lebendiger
Weise beleuchtet. Wahrhaftig, Leute mit solchen Grund
sätzen hätten im 13. Jahrhundert die Gotik, die ja sprung
weise da und dort aus Frankreich nach Deutschland
übertrat, nicht ins Land hereingelassen. Und dreihundert
Jahre später hätte die Renaissance vor den Grenzen
kehrt machen müssen.
Wie lange noch werden die vielen tüchtigen Maler und
Bildhauer, die nicht in alten Manieren schaffen
wollen, es ruhig mitansehen, daß man ihnen und
ihren Werken in der Regel systematisch die
Türen der alten Kirchen und Baudenkmäler
verschließt? Doch, was sage ich, ruhig mit
ansehen! Eingeweihte wissen, mit welch ver
haltenem, stillem Grimm ein großer Teil der
Künstlerwelt dem einseitigen, alles Neue und
Selbständige rücksichtslos ausschließenden Be
gehren gegenübersteht. Versuchen wir es doch,
weniger engherzig zu sein, versuchen wir es —
ich bitte darum —, der lebenden Kunst auch
in alten Bauten mehr Freiheit, mehr Luft zu
gewähren. Wo es sich um neue Zutaten, um
Neuschöpfungen in und an unsern alten Bauten
handelt, hat die lebende Kunst das Recht, sich
mitzubetätigen, sie hat mindestens den Anspruch
auf wohlwollende und vorurteilslose Prüfung
der Entwürfe; sie darf verlangen, nicht von vorn
herein nur deshalb ausgeschlossen zu werden,
weil sie neue Bahnen geht.
Doch da taucht drohend ein Gespenst vor uns
auf, ein Gespenst, das so viele schöne Vorsätze
verscheucht, so viele schöne Pläne hintertreibt:
der Kostenpunkt. Kopien sind um billiges Geld
zu bekommen, und auch Bilder, die nur mit
Anlehnung an alte oder mit Benutzung alter
Motive gemalt sind, kosten weniger als selb
ständig konzipierte Werke talentvoller, hervor
ragender Künstler. Und in unsrer Zeit, wo
nicht mehr die reichen Quellen früherer Jahr
hunderte für Kunstzwecke fließen, heißt es bei
Restaurationen und Neuanschaffungen besonders haus
hälterisch sein. Der Künstler ist seines Lohnes wert.
Warten wir daher, bis die ausreichenden Mittel für gute
Kunstwerke gesammelt sind, bescheiden wir uns, lieber
wenig, das Wenige aber gut herzustellen! Freilich,
unsre nervös erregte, schnellebige Zeit kann sich mit
langsamem Schaffen nur schwer abfinden. Wir treffen
auf kein Verständnis, wenn wir erinnern, wie langsam
unsre mittelalterlichen großen Kirchen in der Regel ge
baut wurden, gebaut je nach dem Zufließen der Mittel.
Die Gegenwart hält es lieber mit der flotten und frischen
Bravour der Stukkatoren und Maler der Barock- und
Rokokoperiode, die in wenigen Monaten die größte Kirche
von oben bis unten, von vorne bis hinten mit einheitlichem
Prunkgewand ausstatteten.
Die Kostenfrage, das Streben, um möglichst wenig Geld
möglichst viel zu erhalten, spielt auch vor allem in einem
besonders wunden Punkte unsers Restaurationswesens mit,
in der Beiziehung der Kunstanstalten. Es ist ja bisweilen —
nicht immer — finanziell vorteilhafter, einem Unternehmer
die ganze Restauration oder Neuausstattung eines alten
Baues zu übertragen, als mit den einzelnen Künstlern
selbständig in Beziehung zu treten. Es ist auch vor
allem viel bequemer, hilft über den Mangel an Organi
sationstalent hinweg und sichert die Möglichkeit, eine be
stimmte Person finanziell haftbar zu machen. Gar oft
hat man über diese Kunstanstalten geklagt, man rät
immer und immer wieder, ohne die Vermittlung der An
stalten die einzelnen Künstler beizuziehen. Gewiß wird
dieser Weg, wenn beim Kirchenvorstand ein gewisses Ver-
waltungs- und Organisationstalent vorhanden ist, am besten
zum Ziele führen. Aber die Kunstanstalten sind ein
Wirtschaftsprodukt unsrer Zeit, sie sind Organisationen,
wie wir sie ähnlich auf andern Gebieten treffen. Wir
kommen vielfach in die Lage, mit ihnen zu arbeiten.
Wir müssen streben, sie den Zwecken der Kunstpflege
in unserm Sinne dienstbar zu machen. Wir müssen von
den Kunstanstalten verlangen, daß sie tüchtige Künstler
beiziehen, die dann unter Umständen auch selbständig
mit den Kirchenverwaltungen über ihre Arbeiten ver
handeln können.
Doch zurück zu unsern Beispielen! Da liegt
irgendwo eine alte Stadt mit mehreren mittel
alterlichen Kirchen, mit zahlreichen alten Häusern
vom 15. bis ins 18. Jahrhundert. Auf dem Markt
platz, an dem besonders viele alte Häuser mit
malerischen Giebeln stehen, brennt ein Haus
ab, das vor 30 Jahren in den nüchternsten
Linienverhältnissen und Einzelformen völlig neu
gebaut worden war, so recht ein Schandfleck
seiner Umgebung. Was ist nun zu tun? Die
baupolizeilichen lokalen Vorschriften verlangen,
daß bei einem Neubaue der Umgebung Rech
nung getragen wird. Da nimmt der Meister
des Neubaues ein in der Nähe stehendes altes
Renaissancebaus des 16. Jahrhunderts zum
Muster, kopiert aber zugleich manche dekorativen
Einzelheiten auch von andern ungefähr gleich
zeitigen Häusern der Stadt. In wenigen Jahren,
wenn Schmutz und Rauch das neue Baumaterial
etwas gefärbt haben, kann das Haus dem flüch
tigen Beschauer als alt gelten. Wohl fügt es
sich dem malerischen Gesamtbild des Platzes
ein. Aber ganz unbewußt hat der Baumeister
mit seiner Stilübung den Wert der wirklich
alten Häuser in der Nähe beeinträchtigt. Die
Aufgabe, wie sie nach unsrer heutigen Auf
fassung in solchen Fällen sich gestaltet, war
gründlich verkannt. Nicht darauf kam es an,
einen Bau mit gleichen oder ähnlichen Einzel
formen, mit gleichem oder ähnlichem Aufbau
mitten unter die alten zu stellen; es handelte