29. Dezember 1906
BAUZEITUNG
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die sich um die Wiederbelebung dieser schönen Kunst
bemühen, eine Stätte der Anregung und Belehrung, der
Kritik und freien Aussprache zu bieten und will die sich
regenden Kräfte sammeln und als befruchtenden Strom
wirken lassen.
An erster Stelle sprach Gartenarchitekt Maemann-
Düsseldorf über „Neuzeitliche Bestrebungen auf dem
Gebiet der Gartenkunst“.
Er betont, daß gegen Schablonen- und handwerks
mäßige Behandlung der Gartenfrage der erste Streich
von einem Nichtfachmann, Schnitze-Naumburg, durch
seine „Kulturarbeiten“, Band II, geführt ist, ihm folgten
mit mehr oder minder erfolgreichen Schriften Lichtwark,
Muthesius und als Fachmann 0. K. Schneider-Wien
mit seiner in Fachkreisen aufsehenerregenden Schrift
„Deutsche Gartengestaltung und Kunst“. Auf praktischem
Wege durch Vorführung von Gärten traten Behrens und
Olbrich auf, denen andre folgten. In Entwürfen bei
Wettbewerben der letzten Jahre fiel besonders Bauer-
Magdeburg auf, während W. Lange als Lehrer an der
Dahlemer Lehranstalt für Gartenkunst eine mehr auf
wissenschaftlich-botanische Naturbeobachtung begründete
Richtung vertritt.
Der Vortrag von Gartendirektor Heicke-Frankfurt a.M.
hatte zum Thema: „Die Nachahmung der Natur im land
schaftlichen Garten“.
Ausgehend von der Wahrnehmung, daß die auf eine
Neubelebung des Gartengeschmacks gerichteten Bestre
bungen moderner Künstler und Kunstschriftsteller parallel
mit einer prinzipiellen Verwerfung der landschaftlichen
Gartenform gehen und zur Begründung dessen wiederholt
die künstlerisch wertlose „Nachahmung der Natur“ betont
wird, wies der Vortragende es als eine mißverständliche
Auffassung nach, als handle es sich in der landschaft
lichen Gartenkunst um ein einfaches Abschreiben von
Naturvorbildern mit ihren Zufälligkeiten und Neben
sächlichkeiten. Der Landschaftsgartenkünstler muß die
Natur studieren, da sie das Material für jeden Garten
liefert und auch hier wie bei allen Künsten das Material
den Stil bedingt und deshalb Naturwidrigkeiten zugleich
als Stil Widrigkeiten aufgefaßt werden müssen. Die Natur
wahrheit darf aber niemals Zweck, sondern nur Mittel
zum Zweck sein. Naturwahr zu arbeiten vermag man nur
nach langjährigem Naturstudium; man erlangt dadurch die
feine Empfindung für die Ausdrucksmöglichkeiten des
Pflanzenmaterials, die nötig ist, um es künstlerisch voll zur
Geltung zu bringen, im Gegensatz zu der oft einseitigen
Verwendung von Pflanzen, insbesondere Blumen, in den so
genannten Farbengärten, wo nur die eine Eigenschaft, die
Farbe, ausgenutzt, alle andern aber ungenutzt bleiben.
Ingenieur E. Schulz-Posen
Ingenieur E. S c h uTz - Posen
Der Generalsekretär der Deutschen Gartengesellschaft,
Kampffmeyer-Karlsruhe, sprach über das Thema „Garten
stadt und Gartenkunst“, welches ihm Veranlassung gab,
die Bestrebungen der Gartenstadtbewegung zu kenn
zeichnen, namentlich auf die bodenreformerische Tendenz
hinzuweisen und die Berührungspunkte mit den Be
strebungen, die auf Hebung des Gartengeschmacks ab
zielen, hervorzuheben. Als Korreferent hierzu sprach
Garteninspektor Zahn, Dozent an der Kgl.Gärtnerlehr
anstalt Dahlem bei Berlin, über die gartenktinstlerische
Behandlung des Problems, dabei aber sich nicht nur auf
die engere Bedeutung des Wortes Gartenstadt im Sinne
Kampffmeyers beschränkend. Seine Ausführungen ent
hielten eine Reihe sehr beachtenswerter Fingerzeige, von
denen insbesondere die Wertschätzung
des einzelnen Straßenbaumes oder der
Gruppe von solchen, im Gegensatz zur
Baumreihe (der Allee) für den ästhetischen
Eindruck solcher Gartenwohnviertel, die
Ausgestaltung von Vorgärten und Innen
höfen zwischen Häusergruppen, die Wich
tigkeit der Einfriedigung als Dekorations
moment, die Anwendung von Schling
gewächsen u. dergl. Beachtung fanden.
Mit hochinteressanten Ausführungen
über die Rolle, die „Architektur und
Skulptur in den Gärten der Renaissance
zeit“ gespielt haben, folgteDr. Stegmann II,
Direktor des Germanischen Museums in
Nürnberg. Er führte an Hand von Licht
bildern durch die Renaissancezeit Italiens,
Frankreichs u. s. w. und wies die Wand-
lungen nach, die sich im Laufe der Zeit
entsprechend den örtlichen, politischen und
kulturellen Verhältnissen dabei bemerkbar
gemacht haben. Er schloß mit einem