3. MÄRZ 1906
BAUZEITUNG
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Schiffseigentümer gegenüber Privaten und öffentlichen
Behörden“ drückt die Versammlung den Wunsch aus,
daß die verschiedenen Staaten möglichst bald sich ins
Einvernehmen setzen sollten, um eine einheitliche gesetz
liche Regelung dieser Materie herbeizuführen. Den
Schluß bildete ein Bericht über „Beförderung von Waren
mit Ferrybooten (Trajektschiffen)“, wovon die Versamm
lung ohne weitere Erörterung dankbar Kenntnis nimmt.
Die Reihe der Verhandlungstage wurde in zweckmäßiger
Weise durch Exkursionen unterbrochen, die am 26. Sept.
wahlweise an den Comosee oder an die hydroelektrischen
Werke von Paderno und Trezzo und am 28. Sept. an
den Lago Maggiore bezw.*an das hydroelektrische Werk
von Vizzola führten.
Ein hervorragend technisches Interesse boten namentlich
die Besichtigungen dieser zum Teil noch im Bau befind
lichen Anlagen, welche die gewaltigen Wasserkräfte der
Adda und des Tessin der Industrie und Schiffahrt nutz
bar machen, indem sie Mailand und weite Kreise der
gewerbereichen Lombardei mit elektrischer Kraft ver
sorgen und gleichzeitig (mit zum Teil schon aus älterer
Zeit stammenden Kanälen) der Schiffahrt und Land
bewässerung dienen.
Recht beachtenswerte Leistungen der Ingenieurkunst sind
auch die beiden großen eisernen Bogenbrücken für Straße
und Eisenbahn, die bei Paderno und Trezzo über die
Adda führen, und wovon die letztere sich unweit der
Stelle befindet, wo einst der Mailänder Herzog Barnabo
Visconti um 1470 eine 72 m weite steinerne Bogenbrücke
erbauen ließ.
Noch sind die Spuren eines Widerlagers dieses kühnen
Bauwerks am Euß des alten GrcnzkastelIs zu sehen; die
Brücke selbst ist leider nach kurzem Bestand im Kriege
gewaltsam zerstört worden.
Vornstehende Aufnahme zeigt die neue Addabrücke bei
Paderno mit einem Bogen von 150 m Spannweite und 37,5 m
Pfeilerhöhe. Die gesamte Länge ist 315 m und die Höhe
bis auf den Niederwasserspiegel mißt 82 m. Zwischen den
Eachwerken befindet sich die eingleisige Eisenbahn; die
Straßenbahn darüber bat 5 m Breite und beiderseits aus-,
gekragte Fußwege. Das Eisengewicht der Brücke be
trägt 2660 t.
Was die Webrbauten in den beiden Flüssen Adda und
Tessin betrifft, so sind die älteren als Schützenwebre und
die neueren als Nadelwehre konstruiert. Die daselbst
verkehrenden Lastschiffe haben nach unsern Begriffen eine
sehr mäßige Tragfähigkeit von im Maximum 25 resp. 40 t.
An den Schluß des Kongresses reihten sich sodann noch
ein Ausflug nach Pavia und der berühmten Certosa bezw.
zwei mehrtägige Exkursionen, die eine an den Po und
nach Venedig, die andre nach Genua und von da zu
Schiff über Spezia nach Neapel an.
Da der Hafen von Genua gegenwärtig wegen des von der
künftigen Simplonbahn zu erwartenden Verkehrsauf
schwungs ganz bedeutend vergrößert wird, so ist es von
Interesse, hierüber einige Daten zu erfahren.
Die erste Anlage geht auf das frühe Mittelalter zurück,
wo schon 1283 der offene Meerbusen durch den Molo
Vecchio geschützt worden ist. Anfangs des 19. Jahr
hunderts kam der Molo Nuovo hinzu, und als im Jahr
1876 der Herzog von Galliera 20 Milk Lire zur weiteren
Vergrößerung und Verbesserung des Hafens vermachte,
entstanden der Molo Duca Galliera und der Molo Giano,
womit ein großer Vorhafen gewonnen und der Innen
hafen besser gesichert wurde. Auch diese Vergrößerung,
an der 8 Jahre gebaut worden ist und die 63 Mill. Lire
kostete, erweist sich mit im ganzen 8300 m Kailänge
jetzt schon wieder als unzulänglich gegenüber dem immer
steigenden Verkehr, der z. B. im Jahr 1903 5600000 t
betrug. Durch ein in demselben Jahr erlassenes Gesetz
wurde daher zwecks abermaliger Erweiterung des Hafens
und Förderung seines Verkehrs überhaupt, zunächst auf
die Dauer von 60 Jahren, eine mit weitgehendsten Voll
machten versehene Hafenverwaltung eingesetzt, in der die
Provinzen Genua, Mailand, Turin und Alessandria, die
Handelskammer und die Eisenbahnverwaltung, die Städte
Genua und Sampierdarena sowie auch die Innung der
Hafenarbeiter vertreten sind und die als fast autonome
Korporation die neuen Projekte durchführen und den
gesamten Betrieb des Hafens leiten wird. Der äußere
Flügel des Molo Duca Galliera soll nach Osten und
Westen verlängert werden, wodurch der bestehende Hafen
besser geschützt und gleichzeitig ein neuer, 40 ha großer,
12 m tiefer Vorhafen geschaffen wird. Außerdem ist
beabsichtigt, den Molo Nuovo und die Garacciolazunge
zu verlängern und verbreitern, um Raum für weitere
Gleise zu gewinnen. Nach Vollendung dieser Arbeiten,
welche auf 5 Jahre berechnet sind und etwa 40 Mill. Lire
kosten werden, kann der Hafen mit Leichtigkeit einen
Verkehr von 10 Mill. Tonnen jährlich bewältigen. Von der
Gewalt der Wellen, die man hier im Ligurischen Meer',
das keine Ebbe und Flut kennt, nicht vermuten sollte,
mag vornstehende Aufnahme der durch die Sturmflut vom
27. Nov. 1898 angerichteten Verwüstung des Molo Duca
Galliera ein beredtes Zeugnis ablegen.
Eine besondere Schwierigkeit bietet die Verbesserung der
Eisenbahnlinien, welche wegen des den Hafen umschließen
den koupierten Terrains meist in Tunneln geführt werden
müssen. Auch hierfür sind hohe Beträge in Aussicht ge-
genommen, und die Umbauten und Erweiterungen der
Bahnhöfe werden sich bis Mailand und Turin erstrecken.
Eine weitere technische Sehenswürdigkeit dieses Ausflugs
bot die Besichtigung des Kriegshafens von Spezia, wo
zurzeit eines der größten italienischen Linienschiffe, die
Roma, seit 1903 im Bau begriffen ist und demnächst
vom Stapel gelassen werden wird. Die dort befindliche
Versuchsanstalt für Messung von Schiffswiderständen
besitzt zu diesem Zweck ein Bassin von 150 m Länge,
6 m Breite und 3,2 m Tiefe.
Während die Seefahrt von Genua nach Spezia auf den
drei eleganten Dampfern derRubattiuo-LinieOrione, Scipio
und Ariadne angetreten worden war, fand die Weiter
fahrt nach Neapel nur noch mit den zwei ersteren statt,
indem wegen des stürmischen Wetters ein gutes Drittel
der Kongressisten ihrem Wahlspruche „Navigare necesse
est“ untreu wurde und die Beförderung auf der Eisenbahn
vorzog. Doch vereinigte eine nachfolgende Rundfahrt im
Golf von Neapel nach Capri und Sorrent diese Ab
trünnigen wieder mit dem Gros der Gesellschaft, und
erst der am 4. Oktober von der Handelskammer in Neapel
veranstaltete Ausflug nach Pompeji beschloß endgültig die