17. MÄRZ 1906
BAUZEIT UXG
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indes im allgemeinen zustimmen, dai die der gemein
nützigen Gesellschaft für erste Experimente die freiere
und aussichtsvollere ist.
Man stelle sich nun vor, eine gemeinnützige Gesellschaft
wagte sich an ein Unternehmen, wie es unsre großstädti
schen Industriehöfe darstellen. Was könnte eine solche
für die Gewerbetätigkeit leisten?
Man wird, ohne fehlzugehen, behaupten können, daß sie
das gleiche leisten wird, was die gemeinnützige Bau
gesellschaft für die Mieter von Wohnräumen geleistet hat.
So wie es dieser gelungen ist, bessere und vielfach um
25 °/ 0 billigere Wohnungen herzustellen, so wird man auch
von jener erwarten können, daß sie bessere und billigere
Werkstätten liefern wird. Auf vielen für Wohnungsbau
weniger geeigneten Terrains innerhalb der Großstädte
und namentlich auf den modernen Industrieterrains vor
den Toren der Großstädte mit ihren mustergültigen Trans
porterleichterungen (Anschlußgleisen u. s. w.) würden
solche Gesellschaften einer großen Zahl von Gewerbe
treibenden billigere Werkstätten bieten und bedeutende
Produktionsersparnisse erzielen können — dadurch, daß
sie sich mit einer angemessenen Verzinsung des Anlage
kapitals begnügen und die Grundrentensteigerung den
Mietern des Industriehofs zugute kommen lassen.
Aber sie werden noch mehr und Höheres als dies leisten
können. Unsre Industriehöfe zeigen bereits heute Keime
einer Organisation, die dringend der Fortentwicklung be
dürfen. Die gemeinsame Versorgung mit Kraft, Licht
und Wärme ist ja bereits eins solcher wohlerprobten
Elemente, das zum großen Vorteil der Privatgesellschaft
arbeitet und zum gleichen Nutzen der Gesamtheit der
Bewohner des Industriehofs arbeiten könnte. Aber auch
noch andre Ansätze einer wirtschaftlichen Organisation
machen sich bemerkbar und sind recht beachtenswert.
In einem Industriehof z. B., wo viele Tischlereien sind,
wird sich fast stets ein größerer Tischlereibetrieb mit
Holzbearbeitungsmaschinen finden. Zu ihm kommen dann
all die kleineren und mittleren Betriebe und lassen fräsen,
hobeln, mit der Bandsäge schweifen, mit der Kreissäge
trennen, mit der Pendelsäge zuschneiden. Für den grö
ßeren Betrieb bedeutet dies eine vorteilhafte Ausnutzung
seiner Maschinen, die sonst oft unbenutzt dastehen und
sich dadurch - mangelhafter verzinsen würden. Auf diesem
Wege verzinsen sie sich aber nicht nur, sondern sind
sogar vielfach recht gewinnbringend. Für die kleineren
Betriebe bedeutet diese Nachbarschaft zweifellos Vorteile.
Die Maschinenarbeit nimmt ihnen die schwere Arbeit ab
und bedeutet Ersparnisse. Die feine Arbeit und das Zu
sammenstellen geschieht an der Hobelbank. Mit einem
Wort: der kleinere Gewerbetreibende wird wirtschaftlich
leistungsfähiger. Vielfach finden sich solche größeren
Betriebe mit Holzbearbeitungsmaschinen rein für den
Zweck des Zuschnitts und der maschinellen Bearbeitung
des Holzes bestehend vor und sind dann manchmal mit
einem Handel von Tischlerholz im kleinen verbunden.
Sie liefern dann nur Maschinenarbeit und ergänzungs
weise auch Holz für die benachbarten Tischlereien. Auch
sonst finden sich hier noch Ergänzungen von Betrieben
vor und erweisen sich für alle Teile vorteilhaft, wie etwa
eine Drechslerwerkstatt unter vielen Tischlereien, die viel
Drechslerware verarbeiten. Auch ein Speditionsgeschäft
gedeiht vielfach vorzüglich und erweist sich als nützlich
in solchem Industriehof, wo starke Transportbedürfnisse
herrschen. Was hier für die Holzindustrie beobachtet
wurde, läßt sich sicherlich auch für andre Gewerbegruppen
feststellen. Derartige räumliche Gruppierungen sich er
gänzender Betriebe innerhalb näherer Nachbarschaft sind
ja an sich in Städten überhaupt nichts Neues. Aber die
unmittelbare Nachbarschaft vieler Betriebe, wie sie der
Industriehof bedingt, und die Organisationselemente, die
er an sich enthält, machen dies Moment sinnfälliger und
legen eine auf Bewußtsein und wirtschaftlichem Fernblick
beruhende Organisation nahe.
Hier ist nun ein weites und fruchtbares Feld für die
vorschwebenden gemeinnützigen Gesellschaften für Werk
stättenbau gegeben. Wie die gemeinnützige Baugesell
schaft nicht bei der bloßen billigeren Beschaffung von
Wohnungen stehen geblieben ist, sondern allmählich zur
Schaffung von Krippen, Kleinkinderschulen, Bibliotheken,
Lesezimmern, Konsumanstalten, zur Organisation von
Unterhaitun gs- und Bildungsabenden übergegangen ist,
so wird eine von sozialen und volkswirtschaftlichen Inter
essen geleitete gemeinnützige Gesellschaft für Werkstätten
bau sich nicht mit der Lieferung wohlfeilerer und besserer
Werkstätten, billigerer Kraft, Licht und Wärme begnügen,
sondern vorsichtig und schrittweise weiteren wirtschaft
lichen Organisationsidealen nachgehen. Und dies könnte
sich in einer planmäßigen, sich ergänzenden Organisation
von Gewerben und Betrieben, in Anregungen und Unter
stützungen zum gemeinsamen Ankauf von Bohstoffen und
Verkauf der Waren, in einer Schaffung von Transport
erleichterungen und in vielen andern Punkten äußern.
Jedenfalls wäre auf diesem Wege auch eine Möglichkeit
gegeben, das Klein- und Mittelgewerbe in einer Form
zu organisieren, die ihm eine gleiche Leistungsfähigkeit
gibt, wie sie der Großbetrieb besitzt.
Aber auch hiermit ist die Perspektive für die Wirk
samkeit einer gemeinnützigen Gesellschaft für Werkstätten-