Full text: Bauzeitung für Württemberg, Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen (1907)

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BAUZEITUNG 
Nr. 12 
Kgl. ßaugewerkschule Stuttgart Entwurf von A. Schmidt 
Abänderung und Ergänzung, ja teilweise als eine völlige 
Umarbeitung des im Jabre 1903 vorgelegten ersten Ent 
wurfs dar, der dazu dienen sollte, weiteren Kreisen 
Gelegenheit zur Geltendmachung von Wünschen und Ein 
wänden zu geben. Dieses ist denn auch in reichlichem 
Maße geschehen. Während die Tagespresse sich im 
wesentlichen in zustimmendem Sinne äußerte, traten die 
einschlägigen Behörden und die fachmännischen Kreise 
mit beachtenswerten Yerbesserungsvorschlägen hervor, 
insbesondere kamen solche außer von den Ministerien der 
Justiz, der auswärtigen Angelegenheiten, Verkehrs 
abteilung, mit Anträgen der Generaldirektion der Staats 
eisenbahnen und der Posten und Telegraphen und von den 
Ministerien des Kirchen- und Schulwesens, mit einem Gut 
achten der Architekturabteilung der Technischen Hoch 
schule ein von den zuvor genannten übrigen Behörden, 
ferner von dem Württ. Verein für Baukunde, von dem 
Verein der Oberamtsbaumeister Württembergs, von dem 
Stuttgarter Architektenklub, vom Verein der Bauwerk 
meister Württembergs, vom Baugewerkeverein Stuttgart, 
vom Verein „Bauhütte“, vom Württ. Baubeamten-Verein, 
vom Württ. Geometer-Verein und von den im Städtetag 
vereinigten Vertretungen der württembergischen, mehr 
als 10000 Einwohner zählenden Stadtgemeinden. 
Der demgemäß zustande gekommene neue Entwurf 
ist ein umfangreiches Werk. In seiner äußeren An 
ordnung schließt sich der Entwurf der bestehenden 
Bauordnung möglichst an; dadurch soll den Bauenden 
und den Behörden das Zurechtfinden in der neuen 
Ordnung tunlichst erleichtert und das rasche Einleben 
des neuen Gesetzes im Volke möglichst gefördert wer 
den. Der von manchen Seiten geäußerte Wunsch, in der 
Baupolizei die einfachen ländlichen Verhältnisse mehr 
als bisher zu berücksichtigen, legte, wie es in der Be 
gründung des Entwurfs heißt, die Frage nahe, ob nicht 
nach dem Vorgang mehrerer norddeutscher Bauordnungen 
vollständig getrennte Vorschriften für Städte und Land 
orte aufgestellt werden sollen. Eine solche Trennung 
erschien aber wie bei Erlassung der bestehenden Bau 
ordnung im Jahre 1872 im wesentlichen aus den schon 
damals maßgebend gewesenen Gründen nicht notwendig 
und nach den besonderen Verhältnissen unsers Landes 
nicht zweckmäßig. Da eine große Anzahl gleichlautender 
Vorschriften für Städte und Landorte sich als notwendig 
erweist, erschien es als das Zweckmäßigste, den ver 
schiedenartigen Anforderungen dadurch Rechnung zu 
tragen, daß wieder ein allgemeines, für Städte und Land 
orte einheitliches und gleichmäßig geltendes Gesetz auf 
gestellt, daß aber in den einzelnen Bestimmungen versucht 
wurde, die verschieden gelagerten Verhältnisse des Woh 
nungsbedürfnisses, der Landwirtschaft und des Gewerbes 
in mehr individualisierender Weise als bisher Berück 
sichtigung finden zu lassen. Im Gesetz selbst sind jedoch 
nur die auf Erfahrung und Wissenschaft beruhenden, für alle 
Fälle beziehungsweise für das ganze Land gleichmäßig 
geltenden Grundsätze aufgestellt. Dabei sind die Grenzen 
so gezogen, daß die im öffentlichen Interesse gebotenen 
Gewährschaften für die Wahrung der Rücksichten der 
allgemeinen Woldfahrt, der Gesundheit, Festigkeit, Feuer 
sicherheit u. s. w., aber auch für den Schutz der einzelnen 
gegen polizeiliche Willkür geschaffen werden, ohne ander 
seits die erforderliche Beweglichkeit und Möglich 
keit der Weiterentwicklung zu hindern oder zu hemmen. 
Die weiter erforderlichen landespolizeilichen Vorschriften 
bleiben der Verordnung überlassen, damit dem in der 
Natur der Verhältnisse liegenden Wechsel der Anschau 
ungen und den Fortschritten der Technik leichter Rech 
nung getragen werden kann. 
Dem ortsbaustatutarischen Selbstbestimmungs 
recht der Gemeinden will der Entwurf einen weiten 
Spielraum lassen; während seither Ortsbaustatuten 
nur insoweit errichtet werden konnten, als einzelne Be 
stimmungen des Gesetzes und der Verordnung hierzu 
ausdrücklich ermächtigten, können nach dem neuen Ent 
wurf die allgemeinen Vorschriften des Gesetzes und der 
Verordnung nach Bedürfnis durch Ortsbaustatut näher 
bestimmt oder erweitert werden, soweit nicht einzelne 
Bestimmungen ausdrücklich der Verordnung Vorbehalten 
sind. Dabei wird vorausgesetzt, daß namentlich für die 
größeren Stadt- und Landgemeinden das Gesetz nicht bloß 
eine Ermächtigung, sondern zugleich einen Antrieb bildet, 
ihre baulichen Verhältnisse nach den besonderen örtlichen 
Voraussetzungen und Bedürfnissen zu regeln. Die Ge 
nehmigung der Ortsbaustatuten muß nach wie vor der 
Regierung Vorbehalten bleiben; doch soll und wird von 
diesem einschränkenden Rechte nur mit Maß und nur 
insoweit Gebrauch gemacht werden, als nötig ist, um 
ernstliche Fehler, welche gegen anerkannte, auf gemachten 
Erfahrungen oder auf Forschungen und Erörterungen an 
erkannter Sachverständiger beruhende Grundsätze ver 
stoßen, zu verhindern. 
Bei den Einzelbestimmungen des Entwurfes wurde 
als Hauptgrundsatz festgehalten, der Baufreiheit in 
soweit offene Bahn zu schaffen, als es mit dem öffent 
lichen Wohl und den zu schützenden Rechten und be 
rechtigten Interessen Dritter vereinbar ist. Wenn nun 
auch die milderen und beweglicheren Vorschriften des 
neuen Rechtes eine wesentliche Einschränkung der seit 
her in großem Umfange notwendig gewordenen Dis 
pensationen zur Folge haben werden, so kann die 
Dispensation aber auch jetzt noch nicht ganz entbehrt 
werden, wenn unbegründete Härten vermieden werden 
Kgl. Baugewerksohule Stuttgart Entwurf von A. Schmidt
	        

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