30. März 1907
BAUZEITUNG
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Brücke über die Bregenzer Aach. Ausführungen Eisenbeton: Luipold & Schneider, Stuttgart. Architekten Klatte & Weigle, Stuttgart
Einzelgruppe geschaffen hat, so würde das brutale Durch
schneiden mit geraden Linien und ebenen Flächen einen
unlösbaren Gegensatz erzeugen. Maßregeln zur Milderung
sind: der Gebrauch gewundener Linien, das Anschmiegen
der Verkehrslinien an das Gelände, Planum unter statt
über der Erdoberfläche; ferner die wellenförmige Ge
staltung von Böschungen, ihre Befestigung durch Felsen
oder Pflanzen auf eine der Landschaft entsprechende
Art. Glücklicherweise liegen die genannten Bemühungen
gewöhnlich ebensosehr im finanziellen wie im landschaft
lichen Interesse.
Im besonderen mag noch auf die gegenwärtig öfter
vorkommende Aenderung in der Erscheinung von Wasser,
als einem landschaftlichen Element, hingewiesen werden,
lieber ein wasserarmes Tal legt sich der Wasserspiegel
einer Talsperre, ein rauschender Fluß wird durch Kana
lisierung in eine Reihe stiller Haltungen verwandelt, ein
malerischer Wasserfall durch eine Kraftanlage geschmälert
oder zerstört. So entstehen zwar zuweilen erfreuliche
Verschönerungen der Landschaft, meistens aber Gefahren
für dieselbe, wie namentlich in Baden bei Laufenburg
und Heidelberg. Bei derartigen Gegensätzen zwischen
Technik und Aesthetik sollte doch die Ausnutzung der
Natur nicht rücksichtslos gestattet, sondern nach Um
ständen eingeschränkt werden.
Der Sinn für Naturschönheit läßt sich schon auf der
Hochschule pflegen, sogar mit einzelnen bestimmten Regeln
im Straßenbau und Wasserbau belegen und bei den Auf
gaben über Trassierung u. s. w. einüben. In der Praxis
möge sich dann die ästhetische Rücksicht im Ingenieur
wesen als Heimatschutz fortsetzen, aber auch im ganzen
Volk Verständnis finden.
Außer den Kunstbauten des Ingenieurs und außer
Erd- und Wasserbauten bietet sich als drittes Ge
biet für ästhetische Rücksichten noch der Städte
bau. Es wird nach den Verhandlungen auf der Wander
versammlung in Mannheim nicht mehr erforderlich sein,
bei der vorliegenden Frage darauf zurückzukommen. Nur
das möchte ich hier hervorheben, daß es an sich gleich
gültig ist, ob der Städtebau betrieben wird durch In
genieure, welche in den künstlerischen Erwägungen ge
hörig eingeübt sind, oder durch Architekten, welche
Verkehrswesen, Kanalisation, Hygiene u. s. w. beherrschen.
Findet man keine Leute, welche nach allen den mannig
faltigen in Frage kommenden Einzelrichtungen tüchtig
sind, so mag wohl ein Zusammenwirken von Ingenieuren
und Architekten eintreten. Aber vorteilhafter dünkt mich,
wie bereits oben bei den Kunstbauten betont wurde, die
Arbeit aus einem Guß. Deshalb sollte im Unterricht
der Hochschule dafür gesorgt werden, einheitliche
Techniker für den gesamten Städtebau auszubilden. In
der Regel wird dabei wohl die Hauptaufgabe der Ab
teilung für Ingenieurwesen zufallen, unter entsprechender
Verstärkung in ästhetischer Beziehung.
Briickenarcliitektiiren
Zur Erlangung von durchgearbeiteten Entwürfen für
zwei Brücken in Kassel war daselbst ein Wettbewerb
ausgeschrieben, zu dem künstlerisch mehr oder weniger
ausgebildete Arbeiten einliefen. Die beiden Abbildungen
der Entwürfe von Prof. Theod. Fischer und Architekt
M. Elsäßer dürften alle unsre Leser interessieren. Die
Ausgestaltung der Brücke nach Prof. Fischers Plan ist
eigenartig und doch anheimelnd; man spürt die persön
liche Kunst des Verfassers, dessen Bauwerke stets an
regend und bahnbrechend wirken. Die Hauptträger der
Brücke sind als Fachwerkbögen mit Zugband ausgebildet.
In der Erwägung, daß innerhalb einer Stadt das leichte
Fachwerk einer eisernen Brücke keine schöne Wirkung
haben könne, vielmehr eine Uebereinstimmung mit der
Architektur der Umgebung nur bei einer gewissen Massen
entwicklung möglich sei, hat der Architekt die Brücke
mit einer Kupferhülle überdacht und ummantelt. Auch
von Ingenieuren ist aus praktischen Gründen eine Ueber-
dachung eiserner Brücken häufiger empfohlen worden.
Die erzielte Wirkung paßt sich dem gegenwärtigen Ufer
bilde vortrefflich an.
Der Entwurf von Architekt Elsäßer - Stuttgart zeigt
ebenfalls einen außerordentlich günstigen Gesamteindruck.
Durch die geringe Höhe des Bogens, insbesondere an den
Auflagern, ist erreicht, daß der Ausblick in die Land
schaft, die der Verfasser in sehr reizvoller Weise dar
stellt, möglichst wenig behindert wird.
Die Brücke über die Bregenzer Aach ist in Eisenbeton
projektiert, die ganze Länge von über 200 m ist durch
zwei Brückenkapellen aufgeteilt. Den einen Uferabschluß
bildet ein Zollhaus mit Wirtschaft. Unter dem schützen-
Besigheimer Brücke Skizze von Architekt Dobler, Pforzheim