18. April 1907
BAUZEITUNG
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in keiner Weise per
sönlichen oder egoisti
schen Ursprungs ist, son
dern lediglich eine Folge
der eminenten Klagen,
die durch die Schädigung
der Allgemeinheit her
vorgerufen wurden.
In dem Artikel im
Amtsblatt urteilt sich
die Ratschreiberei selbst.
Charakteristisch ist der
in dem Artikel deutlich
hervortretende Unter
schied zwischen Tech
nikern und Nichttech
nikern, wie auch der
Abs. 3 in Worten an
führt. Hier liegt der
Keim der Mißstände.
Das älteste Glied der
Ratschreiberei für Bau
polizeisachen lebt in dem
konstanten Gedanken, daß nicht der Techniker, sondern
der Yerwaltungsmann in baupolizeilichen Fragen maß
gebend sein kann. Ich beweise dies mit folgendem;
Von verschiedener, teils sehr geschätzter Seite wurde
mir gesagt, daß, nachdem die Lehrstelle für Baugesetz
an der Baugewerkschule durch den stellvertretenden Bau
schauvorstand hilfsweise besetzt wurde, sich der älteste
Ratschreiber für Baupolizeisachen auf dem Absatz gedreht
haben soll mit dem Ausruf: „Jetzt werden auch noch
Techniker Lehrer für Baugesetz.“ (Ich bemerke, daß
stets durch Techniker dieses Fach gelehrt wird.)
Weiter'erklärte er einem sich zu verteidigen suchen
den Stuttgarter Architekten, daß der Techniker unmög
lich imstande sei, ein sachliches Urteil in Baupolizei
sachen abzugehen, er sei von Zirkel und Reißschiene
voreingenommen und nicht fähig, sich in den Geist des
Gesetzes einzuleben. Auf die Antwort des Architekten,
daß der Techniker wie jeder andre Mensch ein Objek
tivierungsvermögen besitze, erklärte der Ratschreiber:
„Sie können nicht aus Ihrer Haut heraus und bleiben
eben immer nur Techniker.“
Diese Anschauung der Ratschreiberei für Baupolizei
sachen wird auch dem Uneingeweihten eine Klarheit
verschaffen, und es erklärt sich hieraus, daß seitens der
Ratschreiberei ein Rin
gen nach der Macht
stellung in Baupolizei
sachen besteht. Dieses
Ringen nach Macht er
klärt wiederum die im
mer weiter sich stei
gernde Kleinlichkeits-
krämerei der Ratschrei
berei und ganz insbeson
dere die grenzenlose
Verschleppung der Bau
gesuche. Das Publikum,
die Allgemeinheit ist da
bei das beklagenswerte
Opfer.
Zurückkommend auf
den Kanzleitrost am
Schlüsse der Erklärung
der Bauratschreiberei:
„Im übrigen kann der
Architekt M. Elsäßer, Stuttgart K Gang, den ein Baugesuch
in Stuttgart zu durch
laufen hat, erst dann wesentlich beschleunigt werden,
wenn die kommende neue Bauordnung eine geeignete
Reorganisation der Stuttgarter Baupolizei ermöglicht,“
entgegne ich, daß die jetzt noch zu Recht bestehende
Bauordnung eine rasche Erledigung ermöglicht. Es be
weist dies am besten die Bauschau und das K. Ministe
rium, welche in der Regel die Baugesuche beschleunigen.
Nicht umsonst wurde in dem Artikel in Nr. 11 dieses
Blattes auf § 66 der Vollzugsverftigung hingewiesen;
dort ist die Tätigkeit der Ratschreiberei angegeben und
bei Einhaltung desselben ist eine rasche Erledigung der
Baugesuche auch hier möglich.
Trotzdem die Ratschreiberei für Baupolizeisachen er
klärt, daß sie im beständigen Auftrag des Stadtschult
heißenamtes handle, bin ich und mit mir jedenfalls die
gesamte Architekten- und Technikerschaft Stuttgarts der
festen Ueberzeugung, daß die gegenwärtigen Zustände
bei der Ratschreiberei für Baupolizeisachen nicht im
Sinne unsere fortschrittlich gesinnten Oberbürgermeisters
noch auch der bürgerlichen Kollegien gelegen sind, son
dern daß diese, nachdem die Oeffentlichkeit sich in so
wuchtiger Weise gegen die Mißstände aufgelehut hat,
tunlichst für Abhilfe besorgt sein werden. Hoffen wir,
daß die Stadtverwaltung sachlicheren Einblick in die Yer-
Pfarrhaus in Leutenbach bei Winnenden.