126
BAUZEITUNG
Nr. 16
„An den Baugewerke-Verein Stuttgart!
Die gestern abend hier tagenden Versammlungen der
Organisationen der Maurer, Zimmerer und Steinhauer
haben beschlossen, den mit Ihrer Organisation unterm
18. Mai 1905 abgeschlossenen korporativen Arbeitsvertrag
zu kündigen, was hiermit geschieht. Der Grund, der
uns zu diesem veranlaßt, ist lediglich darin zu suchen,
daß die jetzt bestehenden Lohn- und Arbeitsbedingungen
nicht mehr den Ansprüchen einer Großstadt wie Stuttgart
genügen. Bemerken wollen wir, daß wir gerne bereit
sind, einen neuen Vertrag mit Ihnen abzuschließen, fügen
aber gleichzeitig hinzu, daß wir von demselben wesent
liche Verbesserungen unsrer Arbeitsbedingungen erhoffen.
Hochachtungsvoll
Zentralverband der Maurer, Zimmerer
und Steinarbeiter Deutschlands.“
Die erhaltene Kündigung wurde einer am 21. De
zember 1906 tagenden Meisterversammlung zur Kenntnis
nahme unterbreitet und darauf folgende Antwort be
schlossen ;
„Stuttgart, den 21. Dezember 1906.
An die Zentralverbände der Maurer, Zimmerer
und Steinarbeiter Deutschlands, Zweigvereine Stuttgart!
, Antwortlich Ihres Schreibens vom 30. November d. J.,
mit welchem Sie den unterm 18. Mai 1905 abgeschlossenen
Arbeitsvertrag gekündigt haben, mache ich Ihnen laut
Beschluß der heute stattgefundenen Meisterversammlung
die Mitteilung, daß der Baugewerbe-Verein eventuell
bereit ist, einen neuen Vertrag mit Ihnen abzuschließen.
Ich ersuche nun hierdurch, die von Ihnen erhofften
wesentlichen Verbesserungen Ihrer Lohn- und Arbeits
bedingungen näher zu formulieren, und sehe ich dieser
Mitteilung entgegen. Mit Hochachtung u. s. w.“
b) für Zimmerer über 19 Jahre von 56 Pf.,
c) für Steinhauer von 60—65 Pf.
unter Wegfall der Akkordarbeit;
3. achttägiger Zahltag;
4. Durchsicht des alten resp. Feststellung eines neuen Wort
lauts des Vertrags und präzisere Regelung aller Spezial
fragen.
Indem wir um wohlwollende Aufnahme der von uns
für notwendig erachteten Wünsche bitten, sehen wir der
Einladung zu gemeinsamen Verhandlungen in Bälde ent
gegen. Hochachtungsvoll
Der Zentralverband der Maurer, Zimmerer
und Steinarbeiter Deutschlands.“
Diese Forderungen wurden am 1. März d. J. einer
Meisterversammlung zur Beschlußfassung vorgelegt, mit
folgendem Resultat:
„Stuttgart, den 2. März 1907.
An die Zentralverbände der Maurer, Zimmerer
und Steinarbeiter Deutschlands,
zu Händen der resp. Zahlstellen, hier!
In der gestern abend stattgefundenen Meisterversamm
lung des Baugewerke-Vereins hier wurden Ihre Forde
rungen vom 21. Januar d. J. eingehend beraten und meine
Person beauftragt, Ihnen unsre Beschlüsse wie folgt mit
zuteilen ;
ad 1. abgelehnt ;
ad 2. a, b und c. Die Meisterschaft ist bereit, eine angemessene
Lohnaufbesserung zu vereinbaren unter Beibehaltung des
Wortlauts des §8 unsers jetzigen Vertrags; gewünscht
wird noch unserseits, daß die Zulassung von Akkordarbeit
nicht nur auf sogen. Spezialgeschäfte ausgedehnt werden
kann, sondern auch auf einige Arbeitsleistungen bei den
Zimmerern, z. B. Bodenlegen, Auftäferung u. s. w.;
Diesem Ersuchen wurde stattgegeben wie folgt:
„Stuttgart, den 21. Januar 1907.
An den verehrl. Baugewerke-Verein Stuttgart!
Antwortlich Ihres geehrten Schreibens vom 21. De
zember 1906 teilen wir Ihnen hierdurch die von unsern
Organisationen aufgestellten Forderungen mit, die als
Grundlage bei der Beratung eines korporativen Arbeits-
zu dienen hätten:
Geständige Arbeitszeit im Sommer innerhalb der Tages-
von 6* Uhr morgens bis 6 Uhr abends;
Stundenlohn
für Maurer über 19 Jahre von 55—57 Pf.,
ad 3. abgelehnt;
ad 4. angenommen.
Hochachtungsvoll u. s. w.“
Auf obige Mitteilung erhielten wir folgenden Bescheid:
„Stuttgart, den 23. März 1907.
An den Baugewerke-Verein Stuttgart!
Die am 22. März d. J. tagende Mitgliederversammlung
der Organisationen der Maurer, Zimmerer und Stein
hauer hat nach Kenntnisnahme und eingehender Be
ratung der Meisterantwort vom 2. März d. J. beschlossen,
die Unterzeichneten zu beauftragen, an den geplanten Ver
handlungen teilzunehmen und die am 21. Januar d. J.
eingereichten Wünsche als Richtschnur zu
betrachten. Mit Hochachtung u. s. w.“
Infolge dieser Aufrechterhaltung all der
vorerwähnten Forderungen mußte der Aus
schuß des Baugewerke -Vereins, um zwecklosen
Weiterungen zu begegnen, vorerst die Ver
handlungen ablehnen und die Arbeitnehmer
davon in Kenntnis setzen, was mit folgendem
Schreiben geschah:
„Stuttgart, den 27. März 1907.
An die Zentral verbände der Maurer, Zimmerer
und Steinhauer Deutschlands, hier!
Ihre in Erwiderung meines Schreibens
vom 2. d. M. abgegebene Rückäußerung vom
23. d. M. habe ich heute dem Ausschuß des
Baugewerke-Vereins vorgelegt, welcher mich
beauftragte, Ihnen nachstehende Mitteilung
zugehen zu lassen:
Ihre kundgegebene Absicht, die uns am
21. Januar d. J. übermittelten Wünsche als
Richtschnur bei den Verhandlungen zu ver
folgen, hätte für uns lediglich den Zweck,
zu tagelangen nutzlosen Diskussionen die
Lümc;en5chnitt
Evangelische Kirche in Mannheim
C -B>.
Architekt Baurat Th. Frey, Stuttgart