Full text: Bauzeitung für Württemberg, Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen (1907)

20. April 1907 
BAÜZEITUNG 
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Hand zu bieten. Wir ersuchen Sie deshalb, auf die For 
derung einer Verkürzung der täglichen Arbeitszeit und 
auf das Verlangen eines achttägigen Zahltags zum voraus 
zu verzichten, andernfalls wir von der Vereinbarung 
höherer Lohnsätze zunächst absehen müßten. 
Ihren diesbezüglichen Mitteilungen glaube ich in 
Bälde entgegensehen zu dürfen. 
Hochachtungsvoll u. s. w.“ 
Dieses klare und präzise Ersuchen zeitigte folgende 
Rückantwort: 
„Stuttgart, den 13. April 1907. 
An den verehrl. Baugewerke-Verein Stuttgart! 
Die gestern stattgefundenen Versammlungen der 
Organisationen der Maurer, Zimmerer und Steinhauer 
haben übereinstimmend beschlossen, davon Abstand zu 
nehmen, ihren Kommissionsmitgliedern eine bindende 
Marschroute zu den Verhandlungen mit den Arbeitgebern 
mitzugeben. Wir dürfen wohl annehmen, daß nunmehr 
den eigentlichen Vertrags Verhandlungen nichts mehr im 
Wege steht, und sehen deshalb Ihrer rechtzeitigen Ein 
ladung in Bälde entgegen. 
Hochachtungsvoll u. s. w.“ 
Diese merkwürdig verschleierte Antwort auf unser 
unzweideutiges Ersuchen nötigte den Ausschuß zu nach 
stehender Entgegnung; 
„Stuttgart, den 16. April 1907. 
An die Zentralverbände der Maurer, Zimmerer 
und Steinhauer, hier! 
Der Ausschuß des Baugewerke-Vereins Stuttgart hat 
gestern von Ihrer Zuschrift Kenntnis erhalten, und habe 
ich Ihnen auftragsgemäß zu wiederholen, daß wir als 
Vorbedingung etwaiger Verhandlungen einen klipp und 
klaren Verzicht auf die in meinem Schreiben vom 
27. März d. J. genau bezeichneten Forderungen umgehend 
erwarten. Ein weiteres Eingehen auf Ihr letztes Schreiben 
dürfte überflüssig sein. 
Sollte jedoch der Abschluß eines Tarifvertrags vor 
dem 30. April d. J. nicht zustande kommen, so würden 
wir genötigt sein, die Ihren Organisationen angehörigen 
Arbeiter am 1. Mai zu entlassen. 
Hochachtungsvoll 
LA.: G. Busch.“ 
Stuttgarter Baupolizei 
Die von uns in Nr. 11, 13 und 15 der „Bauzeitung für 
Württemberg etc.“ behandelten Mißstände im städtischen 
Baupolizeiwesen sind, wie wir mit Befriedigung feststellen 
können, bei der maßgebenden Behörde nicht unbeachtet 
geblieben. In einer Zuschrift teilt uns das Stadtschult- 
heißenamt mit, daß es beabsichtige, die Dienstinstruk 
tionen für die verschiedenen Beamten der örtlichen 
Baupolizeibehörde einer erneuten Prüfung zu unter 
ziehen. Wenn dadurch eine Beseitigung der bestehenden 
Mißstände erreicht wird, so soll uns das im Interesse 
unsrer bautechnischen Kreise freuen. Die letzteren werden 
jedenfalls die amtliche Kundgebung mit derselben Genug 
tuung aufnehmen wie wir. 
V ereinsmitteilungen 
Wiirtt. Baubeamten-Verein. Seinen Eintritt zum 
Verein hat erklärt: Aug. Dürer, Bauwerkmeister in 
Gmünd, Josephstraße 19. 
Wiirtt. Ingenieur-Verein. In der Monatsversamm 
lung am 4. April sprach nach Erledigung von Vereins 
angelegenheiten Bauinspektor Klaiber über Polizei 
und Technik. Jeder Inhaber eines technischen Betriebs 
weiß zur Genüge, eine wie große Menge polizeilicher 
Vorschriften schon heute beim Bau und Betrieb indu 
strieller Unternehmungen zu beachten ist. Darum er 
scheint eine Erörterung der Frage nicht unangebracht, 
inwieweit Vorschriften auf diesem Gebiet zur Erhöhung 
des Vertrauens in die Zuverlässigkeit maschineller Bau 
wesen beitragen können und wie weit anderseits die 
Befürchtung gerechtfertigt sein könnte, daß durch die 
Festlegung technischer Einzelheiten in gesetzlichen Vor 
schriften die Unternehmungslust der Industrie geschmälert 
oder der Forschritt in Verwendung neuer Hilfsmittel und 
Arbeitsweisen gehemmt würde. Unter Heranziehung 
bekannter Erfahrungen wurde dabei betont, daß die nach 
den verschiedensten Seiten ausgedehnte Gesetzgebung auf 
gewerbepolizeilichem Gebiet in Deutschland einen be 
sonders gebildeten Beamtenstand voraussetzt, der In 
dustrie die nötige Bewegungsfreiheit zu wahren, wo schon 
beim Bau ihrer Anlagen in einem umständlichen Ge 
nehmigungsverfahren alle erdenklichen Rücksichten auf 
Bauschau und Feuerschau, Gesundheitspolizei, Schutz der 
Arbeiter und der Nachbarschaft u. s. w. gleichzeitig zur 
Anwendung zu bringen und im laufenden Betrieb zu 
überwachen sind. Weiterhin wurde an einzelnen der 
Praxis entnommenen Beispielen gezeigt, daß die auf ge 
werbliches Gebiet sich erstreckende Gesetzgebung hohe 
Anforderungen an die Verwaltungsbehörden stelle, weil 
ihnen zur Durchführung und Ueberwachung von Vor 
schriften rein technischer Natur im Staatsdienst nicht in 
genügender Anzahl eigne, auf allen berührten Sonder 
gebieten hinreichend ausgebildete Sachverständige zur 
Seite gestellt sind. Als ein besonders wichtiger und 
leider nicht immer beachteter Gesichtspunkt wurde her 
vorgehoben, daß in gesetzlichen Bestimmungen keinerlei 
Einzelheiten Aufnahme finden dürfen, mit deren Ueber- 
holung durch den natürlichen und in der Regel sehr 
raschen Fortschritt der Technik in absehbarer Zeit ge 
rechnet werden muß. Da der Ingenieur-Verein vielfach 
Gelegenheit hat, den Staats- und Reichsbehörden vor 
Erlassung von Vorschriften auf gewerblich-technischem 
Gebiet sein Gutachten vorzulegen, ist er berufen, im 
Einzelfall dem erwähnten Gesichtspunkt zum Recht zu 
verhelfen und dadurch die Industrie vor unnützen Fesseln 
zu bewahren. An den Vortrag schloß sich eine lebhafte 
Aussprache der Anwesenden an. —i— 
Deutscher Arbeitgeberbund für das Baugewerbe. 
In Altenburg in S.-A. sind am 3. April sämtliche 
organisierten Maurer, Zimmerer und Bauhilfsarbeiter 
ausgesperrt worden, weil eine Einigung über die Höhe 
des Lohnes nicht zu erzielen war. In Kalkberge 
(Brandenburg) sind die Maurer, Zimmerer und Bau 
hilfsarbeiter wegen Lohndifferenzen in Streik getreten. 
In Thale a. H. haben am 30. März 62 Maurer die 
Arbeit bei der Firma Schädel & Hübner aus Blanken 
burg i. H. niedergelegt. Den Maurern wurden bisher auf 
allen Bauten in Thale 39 Pf. pro Stunde gezahlt und 
sollten jetzt 40 Pf. erhalten. Während die Leute bei 
allen Firmen in Thale für 40 Pf. weiter arbeiteten, legten 
sie bei der genannten Firma die Arbeit nieder. In 
Driesen (Bezirk des Arbeitgeberverbandes in Lands 
berg a. W.) sind die Zimmerer am 4. April wegen Lohn 
differenzen in den Ausstand getreten. Der bisherige 
Stundenlohn betrug 35 Pf., verlangt werden 40 Pf., und 
von den Arbeitgebern werden 38 Pf. geboten. Dieser 
Lohnsatz ist von den Maurern angenommen, von den 
Zimmerern aber abgelehnt worden. In Stolp i. P. sind 
am 6. April die Maurer ausgesperrt worden, nachdem 
sechs Verhandlungen zwecks Vereinbarung eines neuen 
Tarifvertrages ergebnislos verliefen. Die Verhandlungen 
ließen den Eindruck gewinnen, daß die Arbeiter auf eine 
Verschleppung der Angelegenheit hinzielen, um beim Ein 
tritt lebhafterer Baukonjunktur den Streik herbeizuführen 
und ihre Ansprüche leichter durchdrücken zu können. 
In Andernach droht im Baugewerbe ein Streik auszu
	        
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