1. Juni 1907
BAÜZBITUNG
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Villenkolonie Baden-Baden
auch folgender Umstand: Die zahlreichen Kinder eines
größeren Mietshauses sind in der Großstadt hei ihren
Spielen, da der Hauswirt den Tumult im Hause nicht
gestattet, auf die Straße angewiesen. Will man nun die
Kleinen nicht im Zimmer festhalten, so sind sie auf der
Straße nicht allein körperlichen, sondern infolge der
Berührung mit Kindern aus allen Volksschichten auch
sittlichen Gefahren ausgesetzt; sie sind der aufmerksamen
Ueberwachung der Eltern entzogen. Im Einfamilienhaus
aber besitzen sie ihren eignen Spielplatz, so daß es den
Architekt M. Elsäßer, Stuttgart
lassen; die Maurer und Zimmerleute können uns wochen-
und monatelang morgens sechs Uhr aus dem Schlafe
klopfen, das ganze Haus erschüttern und jede geistige
Arbeit unmöglich machen; der Wirt kann uns viele
Wochen lang durch Stangenrüstungen das Licht ent
ziehen ; zu alledem müssen wir schweigen. Beim Eigen
baus kommt das alles nicht in Frage, mag dieses nun
als Keihenhaus in der Stadt oder freistehend auf dem
Lande ausgeführt sein.
Im allgemeinen wird man aber geneigt sein zu glauben,
Villenkolouie der Firma A. & H. Vetter in Baden-Baden
Eltern und Erziehern sehr gut möglich ist, ungeeignete
Spielgefährten fernzuhalten.
Ein weiterer und sehr bedeutender Vorzug des Eigen
heims besteht darin, daß wir beliebige bauliche Ver
änderungen vorzunehmen vermögen, was im Mietshause
mit den größten Schwierigkeiten verknüpft ist, da es
stets der Genehmigung des Hauswirtes bedarf. Die
meisten werden aber auch kaum geneigt sein, in einer
Mietswohnung, die man vielleicht schon in ein bis zwei
Jahren wieder verläßt, wesentliche Verbesserungen vor
zunehmen — denn den Hauptgeuuß dieses Aufwandes
hätte der Wirt. Anderseits aber müssen wir uns im
Mietshause allerlei durch den Eigentümer veranlaßte
bauliche Veränderungen gefallen lassen. Er kann unter
uns einen Laden ausbrechen oder Wände fortnehmen
Architekt M. Elsäßer, Stuttgart
daß das städtische, in der langen Häuserreihe stehende
Familienhaus, also das eingebaute Haus, vor dem ge
wöhnlichen Mietshause nur geringe Vorzüge besitze. Das
wäre ein Irrtum. Natürlich wird kein verständiger Mensch
ein derartiges Einfamilienhaus zwischen zwei hohe Miets
kasernen setzen. In Städten, wo das System des Ein
familienhauses bekannt ist, wird es auch von den städtischen
Behörden gepflegt und berücksichtigt. Es gibt da gewisse
Straßen oder auch ganze Stadtviertel, in denen man die
Häuser nur ein- oder zweistöckig ausführen darf; das
Terrain ist da schon derart parzelliert, daß die kleinen
Grundstücke sich speziell zum Bau solcher Einfamilien
häuser eignen. Sie haben in der Regel eine schmale,
gerade für drei bis vier Fensterbreiten ausreichende Front,
aber eine ziemlich bedeutende Tiefe, so daß es weder an
Villenkolonie Baden-Baden