27. Juli 1907
BAUZEITUNG
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Comburg bei Schwäbisch-Hall
Bauunfälle eingetreten seien als in andern Ländern mit
schärferen Vorschriften.
Ich kann diese Behauptung nicht auf ihr Zutreffen
prüfen, sie sei zunächst geglaubt, insoweit sie sich auf
die an die Oeffentlichkeit kommenden Fälle bezieht. Was
aber die Mängel betrifft, welche, ohne die Polizei oder
gar den Staatsanwalt zu interessieren, zur Schädigung
der Bauherren geführt haben, so werden mir alle, welche
eine Einsicht in diese Vorkommnisse haben, bestätigen,
daß sie sehr zahlreich sind und sich mit der Zunahme
der Verwendung des Eisenhetonbaues steigern. Das ist
in doppelter Hinsicht bedauerlich. Zunächst läuft der
Eisenbeton bau, den wir ganz allgemein als
einen sehr bedeutungsvollen Fortschritt auf
dem Gebiete des Bauwesens anerkennen müssen,
Gefahr, in Mißkredit zu kommen. Verschiedene Architekten
haben mir schon ausgesprochen: Einmal und nie wieder!
nachdem sie mit oder ohne eignes Verschulden Mißerfolge
bei der Verwendung des Eisenbetons zu erleiden gehabt
hatten. Und jedesmal mußte ich erwidern, daß der Eisen
beton als solcher an den eingetretenen Mißständen nicht
schuldig war, sondern daß dessen mißbräuchliche oder
unverständige Anwendung oder dessen sorglose oder
fahrlässige Herstellung die Ursache des Leidwesens
bilden.
„Nun, ich danke für ein so empfindliches Baumaterial,“
das war nicht selten die ganz unberechtigte Antwort.
Der richtig angewendete und gut ausgeführte Eisenbeton
ist hinsichtlich der Lastenübertragung durchaus kein
empfindliches Baumaterial, im Gegenteil, er läßt Aende-
rungen in der Lastgröße und Lastverteilung in demselben
oder häufig in noch höherem Maße zu als andre Kon
struktionen.
Aber allerdings nur der richtig angewendete und gut
ausgeführte Eisenbeton.
Was darunter zu verstehen ist, möge sich jeder klar
machen aus den „Amtlichen Bestimmungen für die Aus
führung von Konstruktionen aus Eisenbeton bei Hoch
bauten“ und aus den „Vorläufigen Leitsätzen für die
Vorbereitung, Ausführung und Prüfung von Eisenbeton
bauten“. Auch die „Leitsätze für die Vorbereitung, Aus
führung und Prüfung von Bauten aus Stampfbeton“ möchte
ich angelegentlich der allgemeineren Beachtung empfehlen.
Diese drei Druckschriftchen sind im Buchhandel billig
erhältlich.
Ueber die Abhilfe der erörterten Mißstände im nächsten
Aufsatz.
Denkmäler volkstümlicher Kunst
in Württemberg
Die Beratungsstelle für das Baugewerbe bei der
Kgl. Zentralstelle für Gewerbe und Handel in Stuttgart
plant die Herausgabe eines Sammelwerks, das eine Aus
wahl der Schätze unsers engeren Vaterlandes in sich
bergen soll, und richtet daher einen warmen und ein
dringlichen Appell an die Oeffentlichkeit, den wir gern
weiterverbreiten und zur äußeren Kennzeichnung des
Vorhabens durch einige ßilderproben unterstützen. Der
Aufruf lautet;
In allen deutschen Gauen regt sich der Wunsch, das
bisher oft so sehr vernachlässigte Erbe unsrer Väter besser
zu hegen und zu pflegen, uns neu zu eigen zu machen
und auf dieser Grundlage unsre Kulturarbeit weiter zu
verrichten. Aber nicht bloß in den gewaltigen Domen
und Kirchen, den kühnen Burgbauten und prächtigen
Schlössern sind die großen, bleibenden Werte enthalten,
sondern auch darin, was der regsame Bürger und fleißige
Bauersmann fürs tägliche Leben und seine Bedürfnisse
geschaffen haben. Noch nicht so allgemein, als es zu
wünschen wäre, ist die Erkenntnis hei uns durch
gedrungen, welche Fülle des Schönen wir noch in Stadt
und Land besitzen. Aber der Einsichtige kennt schon
längst die Gefahren, welche durch Unverstand, Verbildung
oder Aenderung der Lebensbedingungen dem alten Be
stand drohen. Es ist schon viel hei uns gesündigt worden
und vieles ohne zwingende Not unwiederbringlich dahin.