Full text: Bauzeitung für Württemberg, Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen (1907)

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BAUZBITUNG 
Nr. 32 
Bedürfnisanstalt an der Englischen Kirche in Stuttgart. Massen 
fabrikation mit gegossenen Schmiedeeisenornamenten 
Bedürfnisanstalten 
Einen eigenartigen Anblick in unsern modernen Städte 
bildern bieten die Bedürfnisanstalten, die trotz des sonstigen 
Bestrebens der Stadtverwaltungen nach künstlerischen 
Lösungen ihrer Baulichkeiten mit der ästhetischen Aus 
bildung des Aeußeren im argen Rückstand sind. Es 
scheint, als käme der Mißstand daher, daß diese kleinen 
Baulichkeiten von den betreifenden Tiefbauämtern auf 
gestellt werden, welche die zugehörige Kanalisation u. s. w. 
unter sich haben. Es ist dies ein unhaltbarer Zustand 
und es wäre höchste Zeit, daß hier die Stadtverwaltungen 
auch ein wenig ihr fürsorgendes Auge öffnen wollten. 
Bisher hatte man diese Bedürfnisanstalten größeren oder 
kleineren Stils von Fabriken bezogen, die nach einem 
und demselben Modell möglichst viele Exemplare zu 
Straßenbahnwartehalle mit Laden und unterirdischer Bedürfnisanstalt 
in Stuttgart 
verkaufen suchten. Das wäre ja nun nicht das schlimmste,, 
wenn die Modelle in einfacher, sinngemäßer Weise aus 
geführt würden, aber auch hier herrscht Schein und 
Ueberladung in geschmacklosester Weise. Man sehe 
sich nur die schönen gegossenen Oberlichtgitter an, die 
den Anschein erwecken sollen, als wären sie in Nürn 
berg künstlerisch geschmiedet. Auf weiteres einzugehen 
ist wohl unnötig. 
In unserm Stuttgart haben wir eine Stadtverwal 
tung, die erfreulicherweise reges Interesse an der 
künstlerischen Ausgestaltung aller Baulichkeiten hat; 
sie hat dies erst kürzlich durch das Wettbewerbaus- 
schreiben für die neuen Schulen bewiesen. Und die 
Stuttgarter Architekten haben in zahlreichen Preis 
ausschreiben gezeigt, daß sie imstande sind, vorzügliche 
Arbeiten zu liefern. Um so mehr ist es zu verwundern, 
daß in letzter Zeit einige neue Bedürfnisanstalten in auf 
dringlicher Weise an belebten Stellen aufgestellt wurden, 
die zu einer Kritik herausfordern müssen. Man sehe sich 
die „Marmorpalais“, wie sie der Yolkswitz getauft, 
auf dem Gewerbehalleplatz und am Westbahnhof an. 
Welches Protzentum für derartige Anlagen! „Gegossene 
Schmiedearbeiten“ sind ja zum Glück nicht mehr daran, 
aber desto mehr andrer Zierat. Man bewundere nur die 
schönen Bleiverglasungen, die Eisenornamentik u. s. w. 
Die Baukosten für diese im übrigen praktisch und 
hygienisch eingerichteten Häuser dürften sich wohl ver 
mindern lassen, wenn man das Aeußere einfacher, aber 
künstlerisch bearbeiten ließe. Die Bedürfnisanstalt mit 
Straßenbahnwartehalle am Alten Postplatz zeigt ebenfalls 
Formen, die man als wunderlich bezeichnen kann. Warum 
legt man so wenig Wert auf die Ausgestaltung dieser 
städtischen Baulichkeiten? Es geht ähnlich wie bei der 
Gestaltung der Laternenpfosten und öffentlichen Brunnen. 
Die Mineralwasserhäuser gehören auch in diese Kategorie 
Bedürfnisanstalt in Halle a. S. Architekt Landesbaurat und Prov.- 
Konservator C. Eehorst. Aus der „Architektonischen Rundschau“. 
Verlag J. Engelhorn, Stuttgart
	        

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