Full text: Bauzeitung für Württemberg, Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen (1907)

Wettbewerb Eathaus Feuerbach. Augekaufter Entwurf 
Architekten Felix Schuster & Weishaar, Stuttgart 
halb der großen Rhythmen der Eisenlinien die Masse 
des Steins als natürliche Fermate wirkt, aber vergessen 
muß er alle Gesichtspunkte, zu der die Architektur als 
Fassadenkunst sein Denken sonst naturgemäß zu führen 
pflegt. 
Daß wir nach dieser Richtung von architektonischer 
Seite aus noch nicht erreicht haben, was erreichbar ist, 
zeigt am deutlichsten Hamburg. In den unvergleichlich 
großartigen Eindrücken, die hier Ingenieurkunst ge 
schaffen hat, tritt uns fast ohne Ausnahme eine kleine, 
fremde, hilflose Architektur entgegen. Sie verschwindet 
ja meist neben den großzügigen Eindrücken andrer Art, wo 
sie aber einmal an Brücken, Straßenübergängen u. dergl. 
doch im Vordergründe bleibt, bereitet sie die schlimmsten 
Enttäuschungen. Was hätte ein Mann vom Schlage der 
Theodor Fischer oder Bruno Schmitz aus Hamburgs Neu 
anlagen machen können, ohne daß dadurch die materiellen 
Grenzen zugunsten des Begriffes „Kunst“ hätten erweitert 
zu werden brauchen! 
Wenn wir zurückschauen auf den schematischen Ueber- 
blick dessen, was an architektonischen Aufgaben auftaucht 
im Rahmen der modernen Stadt, so 
zeigt sich eines mit großer Deutlich 
keit: wohl noch nie hat so viel 
ästhetische Verantwortung und so 
viel ästhetische Macht in einem 
Punkte beisammen gelegen, wie die 
Entwicklung der letzten Jahrzehnte 
sie der Stadtverwaltung zugescho 
ben hat. 
Die Oberbürgermeister unsrer 
Großstädte haben dadurch zu allen 
den andern Aufgaben, die 
herantreten, noch jene wichtige und 
schwer definierbare Aufgabe erhalten, 
die früher eigne Wahl und Neigung 
die Hände von Mäcenaten legte. 
Deutlich und unfehlbar zeigte die 
Städteausstellung, wo in einer Stadt 
ein Mann gewaltet hatte, dem die 
Natur die Göttergabe dieser Mäce- 
natenkunst verliehen hat, denn eine 
Göttergabe, eine „Kunst“ ist es, 
Kunst wirklich wecken zu können, 
und viel schwerer ist diese Aufgabe dadurch gegen früher 
geworden, daß es heute gilt, Kunst auch auf Gebieten 
zu wecken, auf denen sie durch keine Tradition heimisch ist. 
Den Willen dazu sieht man in deutschen Städten fast 
überall. Ein warmer Eifer, ein Streben nach künst 
lerischer Veredlung zeigte sich, wohin man blickte, und 
trotzdem muß der ehrliche Beurteiler hervorheben, daß 
das Niveau des künstlerischen Durchschnitts der deut 
schen Städte ein außerordentlich verschiedenes ist. Die 
Erklärung dafür ist fast zu einfach. Kunst entsteht eben 
nicht durch guten Willen, gute Mittel und Tüchtigkeit, 
sondern nur dann, wenn ein Künstler arbeitet. — Mag 
auch auf allen Gebieten wirtschaftlicher und technischer 
Natur das wirklich Große stets an der für ihre Aufgabe 
prädestinierten Einzelpersönlichkeit liegen, und mag es 
selbstverständlich sein, daß nicht jedes Gemeinwesen auf 
jedem Gebiet einen genialen Selbstschöpfer als Leiter zu 
besitzen vermag, man kann doch sagen, daß auf jedem 
andern Gebiete sich die selbständige Schöpferkraft leichter 
ersetzen läßt durch Energie, Tüchtigkeit und Organisation 
als auf dem Gebiete der Baukunst. 
Unter allen Erscheinungen der Städteausstellung war 
eine der deutlichsten, daß überall da, wo man in einer 
Abteilung, welche immer es auch sein mochte, erfreulichen 
baulichen Lösungen begegnete, die nicht etwa nur dem 
Fachmann behagten, sondern die debattelose Freude bei 
allen aufmerksamen Beschauern hervorriefen, dieselben 
Namen einem entgegenschlugen. Wenige Namen! — 
Was wir an ästhetischer Städtekultur schon erreicht 
haben, es hängt nicht an Organisationen, sondern an 
einzelnen Persönlichkeiten, welche die gute Organisation, 
die Vorbedingung ist, erst fruchtbar machen. Und er 
staunlich ist es zu sehen, welch eine Kulturwelt einzelne 
haben entstehen lassen können, wenn ihnen der Macht 
strom, der durch die Verwaltung einer Stadt geht, in 
die Hand geführt wurde. In wenigen Jahren vermögen 
sie das zu leisten, was sonst nur Generationen aus 
gestalten konnten. Das künstlerische Bild aber dessen, 
was der richtige Mann als künstlerischer Interpret einer 
Stadt zu schaffen vermag, zeigt natürlich mit gleicher 
Schärfe, was alles verloren geht, wo ein gleichgültiger 
oder gar ein unrichtiger auf demselben Posten steht. 
Es handelt sich also um eine Personenfrage. Damit 
wird die Sache theoretisch höchst einfach und praktisch 
höchst schwierig. Jedes Beschäftigen eines Künstlers 
ist eine Vertrauenssache. Nicht nur die Frage, ob eine 
Leistung, von der man vorher dem Laien so wenig 
Rechenschaft geben kann, wie von einem Architektur 
werke, nun wirklich Kunst wird — nein, wenn sie be-
	        

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