Wettbewerb Eathaus Feuerbach. Augekaufter Entwurf
Architekten Felix Schuster & Weishaar, Stuttgart
halb der großen Rhythmen der Eisenlinien die Masse
des Steins als natürliche Fermate wirkt, aber vergessen
muß er alle Gesichtspunkte, zu der die Architektur als
Fassadenkunst sein Denken sonst naturgemäß zu führen
pflegt.
Daß wir nach dieser Richtung von architektonischer
Seite aus noch nicht erreicht haben, was erreichbar ist,
zeigt am deutlichsten Hamburg. In den unvergleichlich
großartigen Eindrücken, die hier Ingenieurkunst ge
schaffen hat, tritt uns fast ohne Ausnahme eine kleine,
fremde, hilflose Architektur entgegen. Sie verschwindet
ja meist neben den großzügigen Eindrücken andrer Art, wo
sie aber einmal an Brücken, Straßenübergängen u. dergl.
doch im Vordergründe bleibt, bereitet sie die schlimmsten
Enttäuschungen. Was hätte ein Mann vom Schlage der
Theodor Fischer oder Bruno Schmitz aus Hamburgs Neu
anlagen machen können, ohne daß dadurch die materiellen
Grenzen zugunsten des Begriffes „Kunst“ hätten erweitert
zu werden brauchen!
Wenn wir zurückschauen auf den schematischen Ueber-
blick dessen, was an architektonischen Aufgaben auftaucht
im Rahmen der modernen Stadt, so
zeigt sich eines mit großer Deutlich
keit: wohl noch nie hat so viel
ästhetische Verantwortung und so
viel ästhetische Macht in einem
Punkte beisammen gelegen, wie die
Entwicklung der letzten Jahrzehnte
sie der Stadtverwaltung zugescho
ben hat.
Die Oberbürgermeister unsrer
Großstädte haben dadurch zu allen
den andern Aufgaben, die
herantreten, noch jene wichtige und
schwer definierbare Aufgabe erhalten,
die früher eigne Wahl und Neigung
die Hände von Mäcenaten legte.
Deutlich und unfehlbar zeigte die
Städteausstellung, wo in einer Stadt
ein Mann gewaltet hatte, dem die
Natur die Göttergabe dieser Mäce-
natenkunst verliehen hat, denn eine
Göttergabe, eine „Kunst“ ist es,
Kunst wirklich wecken zu können,
und viel schwerer ist diese Aufgabe dadurch gegen früher
geworden, daß es heute gilt, Kunst auch auf Gebieten
zu wecken, auf denen sie durch keine Tradition heimisch ist.
Den Willen dazu sieht man in deutschen Städten fast
überall. Ein warmer Eifer, ein Streben nach künst
lerischer Veredlung zeigte sich, wohin man blickte, und
trotzdem muß der ehrliche Beurteiler hervorheben, daß
das Niveau des künstlerischen Durchschnitts der deut
schen Städte ein außerordentlich verschiedenes ist. Die
Erklärung dafür ist fast zu einfach. Kunst entsteht eben
nicht durch guten Willen, gute Mittel und Tüchtigkeit,
sondern nur dann, wenn ein Künstler arbeitet. — Mag
auch auf allen Gebieten wirtschaftlicher und technischer
Natur das wirklich Große stets an der für ihre Aufgabe
prädestinierten Einzelpersönlichkeit liegen, und mag es
selbstverständlich sein, daß nicht jedes Gemeinwesen auf
jedem Gebiet einen genialen Selbstschöpfer als Leiter zu
besitzen vermag, man kann doch sagen, daß auf jedem
andern Gebiete sich die selbständige Schöpferkraft leichter
ersetzen läßt durch Energie, Tüchtigkeit und Organisation
als auf dem Gebiete der Baukunst.
Unter allen Erscheinungen der Städteausstellung war
eine der deutlichsten, daß überall da, wo man in einer
Abteilung, welche immer es auch sein mochte, erfreulichen
baulichen Lösungen begegnete, die nicht etwa nur dem
Fachmann behagten, sondern die debattelose Freude bei
allen aufmerksamen Beschauern hervorriefen, dieselben
Namen einem entgegenschlugen. Wenige Namen! —
Was wir an ästhetischer Städtekultur schon erreicht
haben, es hängt nicht an Organisationen, sondern an
einzelnen Persönlichkeiten, welche die gute Organisation,
die Vorbedingung ist, erst fruchtbar machen. Und er
staunlich ist es zu sehen, welch eine Kulturwelt einzelne
haben entstehen lassen können, wenn ihnen der Macht
strom, der durch die Verwaltung einer Stadt geht, in
die Hand geführt wurde. In wenigen Jahren vermögen
sie das zu leisten, was sonst nur Generationen aus
gestalten konnten. Das künstlerische Bild aber dessen,
was der richtige Mann als künstlerischer Interpret einer
Stadt zu schaffen vermag, zeigt natürlich mit gleicher
Schärfe, was alles verloren geht, wo ein gleichgültiger
oder gar ein unrichtiger auf demselben Posten steht.
Es handelt sich also um eine Personenfrage. Damit
wird die Sache theoretisch höchst einfach und praktisch
höchst schwierig. Jedes Beschäftigen eines Künstlers
ist eine Vertrauenssache. Nicht nur die Frage, ob eine
Leistung, von der man vorher dem Laien so wenig
Rechenschaft geben kann, wie von einem Architektur
werke, nun wirklich Kunst wird — nein, wenn sie be-