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BAUZEITUNG
Nr. 34
Die Platzfrage für den Neubau des Kgl. Hoftheaters in Stuttgart
hat, wie schon mitgeteilt, durch die Kommission ihre
Lösung gefunden. Bei der hohen Bedeutung, welche
diese Frage nicht allein für Stuttgart, sondern auch für
ganz Württemberg hat, verlohnt es sich, den Gang der
Verhandlungen nach der Veröffentlichung im „Staats
anzeiger“ im einzelnen zur Kenntnis unsrer Leser zu
bringen. Die beigegehenen Plansldzzeu, die in ihrem
verkleinerten Maßstab einen gefälligen und übersichtlichen
Eindruck machen, werden wesentlich zur Veranschau
lichung beitragen.
Seitdem die Kommission im Frühjahr 1907 durch den
König beauftragt worden ist, unter der Voraussetzung
der Verlegung des Bahnhofs an die Schillerstraße ein
Gutachten darüber abzugeben, welche Plätze des Kron-
guts sich zur Errichtung der neuen Hoftheater vorzugs
weise oder ausschließlich eignen möchten, hat die Kom
mission rastlos, aber in der Stille diese Aufgabe zu lösen
gesucht. Sie war sich dabei der vorhandenen Schwierig
keiten wohlbewußt; denn welchen Platz das Gutachten
auch vorschlagen würde, darüber konnte von vornherein
kein Zweifel sein, daß die Wahl mit mannigfachen
Wünschen und Interessen in Kollision kommen werde.
Zunächst wurde eine Unterkommission aufgestellt,
in welcher in erster Linie die zur Kommission gehörigen
drei Architekten der Technischen Hochschule, Oberbaurat
v. Reinhardt, Oberbaurat Jassoy und Prof. Fischer, gewählt
worden sind. Außerdem gehörten derselben die Vorstände
der Kgl. Hofdomänenkammer und der Kgl. Domänen
direktion sowie der Präsident der Zweiten Kammer an;
als weiteres sachverständiges Mitglied wurde aus der Zahl
der hiesigen Architekten Öberbaurat Eisenlohr zugewählt.
Diese Unterkommission hat in zahlreichen Vorberatungen
der Architekten und Sitzungen die ganze Reihe der bis
herigen Projekte unter Vergleichung mit den von der
Kgl. Hoftheaterintendanz mitgeteilten Raumbedürfnissen
und unter persönlicher Teilnahme des Hoftheaterinten
danten einer eingehenden Prüfung unterzogen, wobei sie
stets davon ausging, daß auf die tunlichste Angliederung
des in Aussicht zu nehmenden kleinen Hauses an das
große Haus Rücksicht zu nehmen sei.
Bei der Beratung wurde zunächst der Platz des alten
Theaters einstimmig ausgeschieden, weil er ohne die Hinzu
nahme weiteren, hier nicht zur Verfügung stehenden Raums
für das Opernhaus nach den vorliegenden Raumhedürf-
nissen sich als zu klein erwies. Ebenso mußte der Waisen
hausplatz, für den schon verschiedene Projekte Vorlagen
und der für ein Opernhaus an sich ausreichen würde,
ausgeschieden werden, weil es hier, abgesehen von der
Beeinträchtigung des alten und des neuen Schlosses, un
möglich war, einen befriedigenden Platz in der Nähe für
ein selbständiges kleines Haus zu finden. Es mußte ferner
verzichtet werden auf die weitere Verfolgung eines Ge
dankens von Oberbaurat Jassoy, das große Haus auf der
Grundfläche des oberen Anlagensees zu errichten, weil
neben andern Einwendungen schon der Verlust des oberen
Anlageusees als ein durch die Vorteile dieses Projekts
nicht aufgewogenes Opfer erachtet wurde. Dasselbe war
der Fall bei einem auf dem Gedanken des Doppelhauses
beruhenden Projekt von Oberbaurat v. Reinhardt, das bei
den technischen Mitgliedern der Kommission und der
Hoftheaterintendanz zunächst großen Beifall gefunden
hatte. Nach diesem Projekt sollte das Doppelhaus in der
Weise zwischen den oberen Anlagensee und die künftige
Verlängerung der Schillerstraße zu stehen kommen, daß
seine Längsachse mit der Achse der Platanenallee über
einstimmen würde und die Eingangsfront des großen
Hauses gegen den oberen Anlagensee, diejenige des
kleinen Hauses gegen die verlängerte Schillerstraße ge
richtet wäre. Zugunsten dieses Projekts hatte Prof.
Theodor Fischer vorher schon auf ein von ihm entworfenes
Projekt, nach welchem das große Haus an der nördlichen
Seite der Schillerstraßenverlängerung (beim Eberhards
denkmal), das kleine Haus auf der andern Seite dieser
Straße sowie an der Königstraße auf dem nördlichen
Teil des Marstallareals zur Errichtung kommen sollte,
selbst verzichtet.
Dagegen wurde in der Unterkommission allerseits die
Möglichkeit einer befriedigenden Lösung im Botanischen
Garten zugegeben. Hierzu hatte Oberbaurat v. Rein
hardt unter Zustimmung der andern Architekten ein
weiteres Projekt in zwei Varianten vorgelegt, das aus
den Skizzen A und B zu ersehen ist. Hier ist das große