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BAUZEITUNG
Nr. 35
Gemeindehaus derAMariengemeinde zu Seckbach
auf nur 420 M. Die elektrische Kraftübertragung soll
unter einer Spannung von 50 000 Yolt nach den Verbrauchs-
stellen hin erfolgen. Hervorragend günstig ist die ört
liche Lage der projektierten Zentrale in Forbach in nur
24 km Luftlinie vom Rhein und in folgender Nähe von
größeren Städten: Baden 13 km, Rastatt 22km, Karls
ruhe 36 km, Pforzheim 35 km, Straßburg 45 km, Mann
heim 93 km (ebenfalls in der Luftlinie gemessen). Auch
in technischer und eigentumsrechtlicher Hinsicht liegen
alle Werke der projektierten Anlage außerordentlich
günstig, indem nicht die geringsten technischen Schwierig
keiten vorhanden sind, die Fundierungen meist auf ge
sundem Granit ausgeführt werden können und nur eine
einzige bereits bestehende Anlage, ein unbedeutendes
Sägewerk, in Mitleidenschaft gezogen wird, woraus keine
Schwierigkeiten erwartet werden.
Vor allem erscheint es beachtenswert, daß die badische
Regierung dem Projekt Interesse entgegenbringt und
Rehbocks Appell, die Ausnutzung der Wasserkräfte von
Staats wegen und möglichst schnell in die Hand zu nehmen,
vielleicht nicht ungehört verhallen wird. Alsdann würde
die badische Regierung als Unternehmerin ein großes
staatliches W erk schaffen und elektrisches Licht und
Kraft an Städte und Privatunternehmer ahlassen können.
Vom Standpunkte des Naturfreundes aus kann es be
dauerlich erscheinen, wenn durch die geplanten großen
Anlagen und Talsperren das malerische Bild der Murg
und ihrer Zuflüsse zerstört werden würde. Von der zu
erwartenden Veränderung gibt heute bereits das trockene
Bett der Murg oberhalb des neu errichteten Werkes
Wolfsheck beredtes Zeugnis. Dazu kommt noch die
Beeinflussung des Landschaftsbildes durch den weiteren
Ausbau der Murgtalbahn zwischen Weisenbach und Kloster
reichenbach. Es wird also darauf zu halten sein, daß
eines der schönsten Täler des Schwarzwaldes nicht noch
weiter ohne zwingenden Anlaß in seinen Reizen beein
trächtigt wird. Dies würde geschehen, wenn die aus den
Talsperren gewonnene elektrische Kraft zum Betrieb in
(Architekt Ludwig Bernoully, Frankfurt a. M.
der Nähe zu errichtender industrieller Werke benutzt
würde. Erfreulicherweise liegt das jedoch nicht in den
Intentionen des Rehbockschen Projekts. Prof. Rehhock
hat kürzlich bei seinen Ausführungen vor einem großen
Auditorium in der Karlsruher Technischen Hochschule
stark betont , daß die Kraft in die Ferne geleitet und
nicht direkt für die Industrie, sondern vornehmlich für
Licht- und Eisenbahnzwecke reserviert werden solle.
Für die Industrie bietet der Rhein eine günstigere Kraft
quelle und die Rheinebene bessere Anbaugelegepheiten,
auch mit Rücksicht auf die rationelle Kohlenzufuhr.
Dagegen werden die badischen Staatsbahnen in nicht zu
ferner Zeit der Aufnahme des elektrischen Betriebs näher
treten müssen. Für diesen Zweck können die Murgtal
wasserkräfte auf alle Fälle gute Dienste leisten. Die
geplante Murgtalbahn wird eine Verbindungsbahn zwischen
Baden und Württemberg, dient also beiderseitigen Inter
essen. Die Ausgestaltung der Murgtalwasserkraftwerke
auf der Basis der größtmöglichen Gewinnerzielung ver
langt daher naturgemäß ein Zusammenarbeiten der Regie
rungen beider Länder.
Im ganzen Revier des nördlichen Schwarzwaldes ist,
wie Prof. Rehbock ausdrücklich hervorgehobeu hat und
wie auf Grund vierzehn Jahre langer Messungen der
Firma Holzmann in Wolfsheck bewiesen ist, keine an
Niederschlägen so reiche und an Verdunstung so relativ
arme Gegend vorhanden wie das obere Murgbecken.
Wenn man für den elektrischen Betrieb der Hauptbahnen
einschließlich kleinerer Lokalbahnen die für die Elektri
sierung der österreichischen Staatsbahnen gewählten
Grundlagen eines Bedarfes an der Turbinenwelle von
75 PS pro Kilometer Gleislänge annehmen darf, so folgt
für die sicher zu erwartenden rund 20 000 PS der Murg
talanlage eine Betriebslänge von rund 250 bis 300 km,
so daß also von den dort vorhandenen Wasserkräften auch
durchaus nichts zu entbehren sein wird. Die badische
und die württembergische Regierung sollten daher sich
jetzt schon über die Ausnutzung dieser hervorragenden