7. September 1907
BAUZEITDNG
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aber die Aeußerungen liefen teilweise so spät ein, daß
der zusammenfassende Bericht über die erstere Frage,
mit dessen Ausarbeitung Oberbaurat Schmidt-Dresden
betraut werden soll, erst der nächsten Abgeordneten
versammlung vorgelegt werden kann. Die Wichtigkeit
der Frage führte aber trotzdem zu einem lebhaften
Meinungsaustausch. Die mit lebhafter Anerkennung an
genommenen Darlegungen des Berichterstatters Schmidt-
Dresden wurden durch Mitteilungen über Versuche er
gänzt, die man mit mehr oder minder gutem Erfolge
allerorts gemacht hat, um das bauende Publikum im
Sinne einer bodenständigen, gesunden künstlerischen Ent
wicklung unsers Bauwesens zu beeinflussen. Man darf
sicher den Wert aller dieser kleinen Mittel nicht über
schätzen; die Schäden liegen, wie richtig hervorgehoben
wurde, tiefer, als daß man ihnen damit allein beikommen
könnte, anderseits wurde auch mit Recht davor gewarnt,
zu weit in der Bevormundung zu gehen, daß nicht aus
der künstlerischen Beratung eine Kunstpolizei würde;
aber der Vorsitzende konnte doch die Meinung der Ver
sammlung dahin zusammenfassen, daß man aller dieser
Mittel zurzeit nicht entraten könne und dabei jeder wenn
auch zunächst unbedeutend erscheinende Erfolg will
kommen sein müsse. Er wies dabei auf die an den
Wänden des Saales ausgestellten Beispiele hin, von denen
einzelne durch die Nebeneinanderstellung des zur polizei
lichen Genehmigung eingereichten und des dem Bauherrn
danach zur Ausführung empfohlenen Entwurfs besonders
lehrreich waren. Auf Anregung des Verbandsvorsitzenden
hatte nämlich der Ausschuß zur Pflege heimatlicher
Kunst und Bauweise in Sachsen, der seit längerem
mit immer gesteigertem Erfolge auf diesem Gebiete tätig
ist, eine kleine Ausstellung im Versammlungssaal
veranstaltet, die zum Teil nach dem Schultze-Naumburg-
schen Vorgehen der Gegenüberstellung des guten und des
schlechten Beispieles viel Anregendes hot. üeberein-
stimmend konnte namentlich aus Sachsen, Bayern, Hessen
von guten Erfolgen in den Bestrebungen berichtet werden,
die meist von Vereinen ausgehen, vielfach aber durch
die Regierung auch durch Geldmittel unterstützt werden.
So ist bisher ohne gesetzlichen Zwang schon manches
Gute erreicht worden, und es würde noch mehr geschehen
können, wenn schneller und reichlicher Mittel zum Zweck
der Unterstützung von Bauherren, die den Anregungen
folgen wollen, bereitgestellt werden könnten. Der An
regung, daß schon der Baupolizei ein weiterer Einfluß
auf die ästhetische Seite der Bauten eingeräumt werden
solle, wie das z. B. Herr Walbe-Darmstadt, allerdings ohne
behördlichen Zwang, will, während Herr Guckuck-Essen
mitteilt, daß dort schon in dieser Weise verfahren werde,
werden von verschiedenen Seiten doch Bedenken entgegen
gestellt. Besonders warnt Herr Baumeister-Karlsruhe
davor, zu weit zu gehen und aus der Kunstüberwachung
eine Kunstpolizei zu machen. Mit großem Beifall wird
allgemein die Ausstellung aufgenommen und es wird
beschlossen, in Danzig 1908 auf der Wanderversammlung
eine solche in größerem Maße und beschickt aus den ver
schiedenen Teilen Deutschlands, zu veranstalten. Dort
sollen dann weitere Beschlüsse gefaßt werden.
Die den Einzelvereinen zur Meinungsäußerung vor
gelegte zweite Frage: Welche Wege sind einzuschlagen,
damit bei Ingenieurbauten ästhetische Rück
sichten in höherem Grade zur Geltung kommen? fand
nicht nur eine zahlreiche, sondern auch pünktliche Be
antwortung, die es dem Berichterstatter Oberbaurat Klette-
Dresden ermöglichte, darüber der Versammlung zu be
richten. Auf die Bemerkung von Laune-Berlin, daß in
dem Bericht auch die Aeußerungen verschiedener Vereine
dem Wortlaut nach aufgenommen sind, was für die
Abgeordneten willkommen, für die öffentliche Heraus
gabe aber unzweckmäßig sei, beschloß die Versammlung,
Herrn Klette zu ersuchen, seine Denkschrift im Einver
nehmen mit dem bestehenden Unterausschuß in dem Sinne
umzuarbeiten, daß sich ohne Abdruck der Gutachten der
Einzelvereine bestimmte Anträge ergeben, die den Reichs-,
Staats- und sonstigen Behörden vorgelegt werden können.
Sie erklärt sich ferner damit einverstanden, daß diese
Frage vom Verband als Verhandlungsgegenstand für den
internationalen Architektenkongreß zu Wien 1908 auf
gestellt und daß Herr Klette gebeten wird, dort die
Berichterstattung zu übernehmen.
Der letzte Gegenstand der Tagesordnung, Bestimmung
neuer Verbandsaufgaben, wurde dadurch erledigt, daß
die Aufgabe: Wie kann die Stellung der Architekten
und Ingenieure in den öffentlichen und privaten Ver
waltungskörpern gehoben werden? auf den Arbeitsplan
für 1907/08 gesetzt wurde. Darauf schloß der Vorsitzende
die Versammlung.
Die Tage in Kiel werden den Teilnehmern in schöner
Erinnerung bleiben, bot doch der dortige Aufenthalt eine
Fülle interessanter und anregender Bilder und Eindrücke.
Der Besichtigung der großartigen Hellinge und Fabrik
anlagen der Germaniawerft folgte eine ländliche Unter
haltung in dem Fischerdörfchen Ellerbeck, veranstaltet
vom Schleswig-holsteinsehen Verein, die mit ihren origi
nellen Einzelheiten köstlich wirkte. Ein delikates Früh
stück in der von der Firma Krupp erbauten Seebade
anstalt, eine Fahrt durch den Hafen und den Kaiser-
Wilhelm-Kanal bis zur Levensauer Brücke, ein Festmahl
im Hotel Bellevue, eine Dampfertour durch die Föhrde
nach Sonderburg zum Besuch der Düppeler Schanzen,
ein Ausflug nach Lübeck gaben den Mitgliedern hin
reichend Gelegenheit, sich für die arbeitsvollen Stunden
durch die vielseitigsten Vergnügungen und Anregungen
zu entschädigen. F.
Zur Stadtfeier in Feuerbacli
Wir hatten es in unsrer neuen Zeit beinahe vollständig
verlernt, Feste zu feiern. Zeigte doch die übliche Er
scheinung der historischen Aufzüge, womöglich mit alt
germanischer Zeit beginnend, die Unfähigkeit, in neu
zeitlichem Geiste festliche Darbietungen zu bringen. Alles
mußte aus klassischer Zeit oder aus dem deutschen Mittel-
alter entlehnt werden; nirgends fehlten die üblichen
Landsknechte und Herolde. Es wurde schon viel in den
letzten Jahren von hellsehenden Leuten über den Nieder
gang unsrer Volksfeste und Volksbelustigungen geschrieben
und geklagt, aber im großen ganzen blieb es beim alten
Ungeschmack.
Wer das moderne Feuerbach kennt (ich meine nicht
den alten Teil des Dorfes) mit seinen nüchternen, un
gemütlichen Straßen, die wir ja leider überall in den
rasch entstandenen Industrieplätzen finden, war überrascht
und mußte als erwartungsvoller Festgast sich herzlich
freuen über den ausnehmend guten, harmonischen Ein
druck, den Festzug, Festplatz und Festspiel machten.
Ein Zeichen von gesundem Fortschritt für jeden, dem es
am Herzen liegt, unser Land und Volk, unsre ganze
deutsche Kultur vor modernem Ungeschmack zu retten
und zu bewahren.
Ich möchte nicht im einzelnen über die verschiedenen
Gruppen des Festzugs und die Aufführungen am Fest
platz berichten und urteilen, aber ich habe den Eindruck,
daß Beteiligte und Mitwirkende viel gelernt haben. Gute,
mit Bedacht und feinem Geschmack gewählte Farben
zusammenstellungen, das Weglassen von allem unnötigen
Beiwerk, das gab dem Festzug seine schöne Wirkung.
Um so erfreulicher ist diese Gesamtleistung der Feuer
bacher Einwohnerschaft, als es für unsre deutsche Industrie
bevölkerung besonders not tut, daß sie sich vom Wust
unkünstlerischer Kultur freimacht.
Wenn wir von den Höhen auf das neue, immer weiter
sich ausdehnende Feuerbach heruntersehen, tritt scharf