Full text: Bauzeitung für Württemberg, Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen (1907)

21. September 1907 
BAUZBITUNG 
303 
Wenn nun aber die Baupolizei auf die Architektur 
bzw. die Kunst einen Einfluß ausübt, so ergibt sich folge 
richtig die Notwendigkeit, daß das Gesetz selber auf 
künstlerischen Tendenzen aufgebaut ist und daß dasselbe 
auf eine schöne Gestaltung der Bauwesen hinzielen muß. 
Man kann nun gegen letzteres einwenden, daß die Ge 
staltung der Bauwesen Privatsache des Besitzers ist und 
Yorschriften ästhetischer Art als Eingriff in die privaten 
liechte einzelner anzusehen seien. Dieser beim Publikum 
hauptsächlich zu findenden Auffassung trete ich folgender 
maßen entgegen: 
Die Schönheit unsers Erdballs bildet die Versöhnung 
aller Weltanschauungen. Der Theist, der Pantheist und 
der Atheist reichen hier einander die Hände und schöpfen 
— bewußt oder unbewußt — ihre ethische Kraft aus der 
Erhabenheit der Natur. Durch das Bauen von Straßen, 
Brücken, Häusern u. s. w. wird nun — großzügig be 
trachtet — unser Erdball verändert; es werden demselben 
Materialien entzogen und damit Werke geschaffen, die 
den fortschreitenden Bedürfnissen der Menschen ent 
sprechen. Daß dabei die ästhetischen Naturgesetze ein 
gehalten werden müssen, dafür zu sorgen ist wohl ebenso 
Pflicht des Staates wie die Beobachtung der Einhaltung 
der physikalischen Naturgesetze. 
Altmeister Goethe mahnt schon: „Was du ererbt von 
deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen.“ 
Die landschaftlichen Schönheiten, die schönen alten 
Städtebilder, Gebäude und Pflanzen, sind sie nicht ein 
Erbe unsrer Väter und ist für die Erhaltung des 
selben nicht in erster Linie der Staat verantwortlich? 
Ist es nicht Aufgabe des Staates, darüber zu wachen, 
daß unsre Jetztzeit in der Umgestaltung unsers Planeten 
der Nachwelt eine Arbeit liefert, die unserm Zeitgeist, 
Lebenszweck und Lebensart entspricht? Ohne auf die 
Beziehungen zwischen Aesthetik und Religion einzu 
gehen und ohne der Konsequenzen zu gedenken, möchte 
ich doch noch anführen, daß es im eigensten Interesse 
des Staates gelegen ist, wenn er ähnlich wie die Religion 
auch die Wahrung der Natur Schönheiten unter seine 
Fittiche nimmt. 
Die württembergische Regierung hat nun diese Pflicht 
erkannt und hat in dem Entwurf einer neuen Bauordnung 
der ästhetischen Seite der Bautechnik gebührend Rech 
nung getragen und damit ein neues Gebiet der Baupolizei 
erschlossen. Wohl begegnete sie damit nicht überall 
Anhängern, und insbesondere finden wir auch in bau 
technischen Krei 
sen viele Gegner. 
Mögen speziell 
hier die vor 
stehenden Zeilen 
eine angenehme 
Wirkung aus 
üben ! 
Icbkomme nun 
zur Bauordnung 
selber und ins 
besondere zum 
fraglichen Art. 55 
betreffend die 
Kunst. Es wurden 
schon bei der 
Generaldebatte 
im Landtag ge 
waltige Bedenken 
über die Anwen 
dung desselben 
laut. Der Wille 
ist wohl da, wie 
aberwird dieTat? 
Der Baupolizei 
beamte kann wohl 
durch das Gesetz, nie und nimmer zum künstlerischen 
Zensor ernannt werden. 
Ich werde in nächster Nummer unter dem Titel 
„Zweckmäßige Anwendung der Baupolizei auf dem Ge 
biete der Aesthetik“ auf diese Frage näher eingehen. 
Max Müller. 
A Vom Holzmarkt 
Man kann jetzt feststellen, daß sich die auf das Herbst 
geschäft im rheinischen Holzhandel gesetzten Hoffnungen 
nur zum Teil erfüllten. Immerhin wird die Lage des 
Holzhandels jetzt mehr von der optimistischen Seite aus 
betrachtet, wenn auch der Bedarf sich als schwach er 
weist. Betont muß werden, daß das Baufach mit seinen 
Entnahmen aus dem Markte hinter den Erwartungen 
zurückbleiht, was aber nicht etwa auf das Fehlen des 
Bedürfnisses für Herstellung von Bauten, sondern nur 
auf das Konto des hohen Zinsfußes und der hohen 
Materialpreise zu setzen ist. Die Produzenten von Schnitt 
waren haben aber trotz des ruhigeren Geschäftsgangs 
noch keine Miene gemacht, den Abnehmern Preis 
zugeständnisse zu machen, soweit Bretter erster Produk 
tionen in Betracht kommen. Der Großhandel befindet 
sich entschieden in der ungünstigsten Lage, weil er die 
Preise, die er bei Tätigung von Jahresabschlüssen im 
Frühjahr bezahlen mußte, nun nicht auf die Konsumenten 
abwälzen kann. Das Geschäft mit oberbayrischer und 
Schwarzwälder 16' langer Ware befindet sich gegenüber 
dem Handel mit 10' langer Ware in unverkennbar 
schlechterer Lage hinsichtlich der Erzielung von Preisen. 
Das Angebot von schmalen Brettern nimmt den stärksten 
Umfang ein. Was hiervon am Markte liegt, kann nicht 
so schnell in den Handel übergehen, als dies erforderlich 
ist, eine Erscheinung, die ihre Einwirkung auf die Preis 
gestaltung nicht verfehlt. Breite Bretter gehen verhältnis 
mäßig viel besser ab. Was hiervon an disponibler Ware 
am Markte ist, drückt nicht auf die Preise, denn die 
Vorräte darin sind normaler. Mit dem Versand süd 
deutscher Bretter nach den mittel- und niederrheinischen 
Stationen wurde nur in beschränkter Weise fortgefahren. 
Die Frachten sind im Anziehen begriffen. Das Geschäft 
mit Kanthölzern bewegte sich in engeren Bahnen. Das 
Baufach hat jetzt nur noch schwachen Bedarf, und des 
halb ist auch das Angebot von den süddeutschen Werken 
schon dringend. Die Preise haben dadurch ihren matten 
Stand beibehalten. Von den Schwarzwälder Werken ab 
gegebene Offerten lauteten für mit üblicher Waldkante 
geschnittene Hölzer, Tannen und Fichten, auf 42—43 M. 
für das Festmeter frei oberrheinischen Plätzen. Das 
Rundholzgeschäft lag verhältnismäßig ruhig. Was aus 
dem Markte genommen wurde, waren nur kleinere Posten, 
die dem naheliegenden Bedarf oder als Ergänzung einzelner 
Sortimente dienten. Größere Abschlüsse waren selten, 
weil die Werke des Mittel- und Niederrheins in der Er 
wartung billigerer Preise in nächster Zeit Zurückhaltung 
bekundeten. 
Y ereinsmitteilungen 
Württ. Baubeamten-Verein. Einladung des Aus 
schusses zu einer Sitzung am Sonntag, den 6. Oktober d. J., 
vormittags IOV2 Uhr, im Erdgeschoß des Gesellschafts 
hauses der „Bauhütte“, Büchsenstraße 63 in Stuttgart. 
Tagesordnung: Bekanntgabe der Einläufe, Vorbildungs 
frage, Neuaufnahmen u. s. w. Vollzähliges Erscheinen 
sehr erwünscht. Der Vorstand. 
Wettbewerbe 
Neubau eines Gymnasiums zu Bottrop i. W. 
Zur Erlangung von Skizzen wird vom Amtmann daselbst 
für die im Deutschen Reiche wohnenden Architekten ein 
Preisausschreiben zum 21. November d. J. erlassen. Es
	        
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