21. September 1907
BAUZBITUNG
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Wenn nun aber die Baupolizei auf die Architektur
bzw. die Kunst einen Einfluß ausübt, so ergibt sich folge
richtig die Notwendigkeit, daß das Gesetz selber auf
künstlerischen Tendenzen aufgebaut ist und daß dasselbe
auf eine schöne Gestaltung der Bauwesen hinzielen muß.
Man kann nun gegen letzteres einwenden, daß die Ge
staltung der Bauwesen Privatsache des Besitzers ist und
Yorschriften ästhetischer Art als Eingriff in die privaten
liechte einzelner anzusehen seien. Dieser beim Publikum
hauptsächlich zu findenden Auffassung trete ich folgender
maßen entgegen:
Die Schönheit unsers Erdballs bildet die Versöhnung
aller Weltanschauungen. Der Theist, der Pantheist und
der Atheist reichen hier einander die Hände und schöpfen
— bewußt oder unbewußt — ihre ethische Kraft aus der
Erhabenheit der Natur. Durch das Bauen von Straßen,
Brücken, Häusern u. s. w. wird nun — großzügig be
trachtet — unser Erdball verändert; es werden demselben
Materialien entzogen und damit Werke geschaffen, die
den fortschreitenden Bedürfnissen der Menschen ent
sprechen. Daß dabei die ästhetischen Naturgesetze ein
gehalten werden müssen, dafür zu sorgen ist wohl ebenso
Pflicht des Staates wie die Beobachtung der Einhaltung
der physikalischen Naturgesetze.
Altmeister Goethe mahnt schon: „Was du ererbt von
deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen.“
Die landschaftlichen Schönheiten, die schönen alten
Städtebilder, Gebäude und Pflanzen, sind sie nicht ein
Erbe unsrer Väter und ist für die Erhaltung des
selben nicht in erster Linie der Staat verantwortlich?
Ist es nicht Aufgabe des Staates, darüber zu wachen,
daß unsre Jetztzeit in der Umgestaltung unsers Planeten
der Nachwelt eine Arbeit liefert, die unserm Zeitgeist,
Lebenszweck und Lebensart entspricht? Ohne auf die
Beziehungen zwischen Aesthetik und Religion einzu
gehen und ohne der Konsequenzen zu gedenken, möchte
ich doch noch anführen, daß es im eigensten Interesse
des Staates gelegen ist, wenn er ähnlich wie die Religion
auch die Wahrung der Natur Schönheiten unter seine
Fittiche nimmt.
Die württembergische Regierung hat nun diese Pflicht
erkannt und hat in dem Entwurf einer neuen Bauordnung
der ästhetischen Seite der Bautechnik gebührend Rech
nung getragen und damit ein neues Gebiet der Baupolizei
erschlossen. Wohl begegnete sie damit nicht überall
Anhängern, und insbesondere finden wir auch in bau
technischen Krei
sen viele Gegner.
Mögen speziell
hier die vor
stehenden Zeilen
eine angenehme
Wirkung aus
üben !
Icbkomme nun
zur Bauordnung
selber und ins
besondere zum
fraglichen Art. 55
betreffend die
Kunst. Es wurden
schon bei der
Generaldebatte
im Landtag ge
waltige Bedenken
über die Anwen
dung desselben
laut. Der Wille
ist wohl da, wie
aberwird dieTat?
Der Baupolizei
beamte kann wohl
durch das Gesetz, nie und nimmer zum künstlerischen
Zensor ernannt werden.
Ich werde in nächster Nummer unter dem Titel
„Zweckmäßige Anwendung der Baupolizei auf dem Ge
biete der Aesthetik“ auf diese Frage näher eingehen.
Max Müller.
A Vom Holzmarkt
Man kann jetzt feststellen, daß sich die auf das Herbst
geschäft im rheinischen Holzhandel gesetzten Hoffnungen
nur zum Teil erfüllten. Immerhin wird die Lage des
Holzhandels jetzt mehr von der optimistischen Seite aus
betrachtet, wenn auch der Bedarf sich als schwach er
weist. Betont muß werden, daß das Baufach mit seinen
Entnahmen aus dem Markte hinter den Erwartungen
zurückbleiht, was aber nicht etwa auf das Fehlen des
Bedürfnisses für Herstellung von Bauten, sondern nur
auf das Konto des hohen Zinsfußes und der hohen
Materialpreise zu setzen ist. Die Produzenten von Schnitt
waren haben aber trotz des ruhigeren Geschäftsgangs
noch keine Miene gemacht, den Abnehmern Preis
zugeständnisse zu machen, soweit Bretter erster Produk
tionen in Betracht kommen. Der Großhandel befindet
sich entschieden in der ungünstigsten Lage, weil er die
Preise, die er bei Tätigung von Jahresabschlüssen im
Frühjahr bezahlen mußte, nun nicht auf die Konsumenten
abwälzen kann. Das Geschäft mit oberbayrischer und
Schwarzwälder 16' langer Ware befindet sich gegenüber
dem Handel mit 10' langer Ware in unverkennbar
schlechterer Lage hinsichtlich der Erzielung von Preisen.
Das Angebot von schmalen Brettern nimmt den stärksten
Umfang ein. Was hiervon am Markte liegt, kann nicht
so schnell in den Handel übergehen, als dies erforderlich
ist, eine Erscheinung, die ihre Einwirkung auf die Preis
gestaltung nicht verfehlt. Breite Bretter gehen verhältnis
mäßig viel besser ab. Was hiervon an disponibler Ware
am Markte ist, drückt nicht auf die Preise, denn die
Vorräte darin sind normaler. Mit dem Versand süd
deutscher Bretter nach den mittel- und niederrheinischen
Stationen wurde nur in beschränkter Weise fortgefahren.
Die Frachten sind im Anziehen begriffen. Das Geschäft
mit Kanthölzern bewegte sich in engeren Bahnen. Das
Baufach hat jetzt nur noch schwachen Bedarf, und des
halb ist auch das Angebot von den süddeutschen Werken
schon dringend. Die Preise haben dadurch ihren matten
Stand beibehalten. Von den Schwarzwälder Werken ab
gegebene Offerten lauteten für mit üblicher Waldkante
geschnittene Hölzer, Tannen und Fichten, auf 42—43 M.
für das Festmeter frei oberrheinischen Plätzen. Das
Rundholzgeschäft lag verhältnismäßig ruhig. Was aus
dem Markte genommen wurde, waren nur kleinere Posten,
die dem naheliegenden Bedarf oder als Ergänzung einzelner
Sortimente dienten. Größere Abschlüsse waren selten,
weil die Werke des Mittel- und Niederrheins in der Er
wartung billigerer Preise in nächster Zeit Zurückhaltung
bekundeten.
Y ereinsmitteilungen
Württ. Baubeamten-Verein. Einladung des Aus
schusses zu einer Sitzung am Sonntag, den 6. Oktober d. J.,
vormittags IOV2 Uhr, im Erdgeschoß des Gesellschafts
hauses der „Bauhütte“, Büchsenstraße 63 in Stuttgart.
Tagesordnung: Bekanntgabe der Einläufe, Vorbildungs
frage, Neuaufnahmen u. s. w. Vollzähliges Erscheinen
sehr erwünscht. Der Vorstand.
Wettbewerbe
Neubau eines Gymnasiums zu Bottrop i. W.
Zur Erlangung von Skizzen wird vom Amtmann daselbst
für die im Deutschen Reiche wohnenden Architekten ein
Preisausschreiben zum 21. November d. J. erlassen. Es