Full text: Bauzeitung für Württemberg, Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen (1907)

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BAUZEITüNG 
Nr. 39 
Nachweise für die Bemessung der 
Eisenbetoiibaiiteii 
Von Baurat Schmid 
Am Schluß des Aufsatzes über Mißerfolge bei An 
wendung von Eisenbeton im Hochbau habe ich eine 
Besprechung der Abhilfe der erörterten Mißstände in 
Aussicht gestellt, welche mit nachstehendem gegeben 
sein soll. 
Es ist nicht meine Absicht, die konstruktiven Abhilfen 
für sich, die Steinbauten für sieb, Alterhaltenes und 
Modernes für sich, besondere kleine Schönheiten, be 
sondere Entstellung alter Schönheit für sich, malerische 
Gebäudegruppen oder -teile für sich, besondere oder ab 
sonderliche Beleuchtungswirkungen u. dgl., den Grün 
schmuck des Hauses oder Gärtchens für sich u. s. w. 
Es dauerte gar nicht lang, da war ihm seine Tätigkeit 
ganz interessant, ja vergnüglich! Je mehr er zusammen 
trug, um so mehr sah er. Selbst anfänglich doch recht 
Unbedeutendes verwandelte sich bisweilen durch Ver 
gleiche, durch einen ihm plötzlich kommenden Gedanken 
in etwas Beachtenswertes. Und wenn er anfänglich auch 
immer noch dabei meinte, von Kunst sei immerhin kaum 
die Bede, höchstens von Interessantem, so bemerkte er 
doch allmählich, daß die bescheidenen Häuser ihn anders 
anzuschauen begannen, so als überflöge plötzlich neckisch 
ein leises, feines Lächeln ihr Antlitz. Wenn er abends 
in seinem Stübchen saß und die gewonnenen Notizen in 
seine Rubriken einordnete, hatte er manchmal eine Art 
Vision: die verschiedenen Bilder schlossen sich zusammen 
zu einem Gesamteindruck, der ihm vorkam, wie wenn 
aus einem frischen, hellen deutschen Mädchenantlitz mit 
anmutig schlicht geordnetem Haar, drauf ein schmuckes, 
buntes Mützchen schelmisch thronte, ihn zwei tiefe blaue 
deutsche Mädchenaugen fest und still sinnend ansebauten! 
War das der Genius, die Muse dieser bescheiden an 
mutigen Kleinstadtkunst, die sich ihm zu offenbaren 
anhob? 
zu beschreiben, welche da und dort angewendet wurden, 
um das zu geringe Tragvermögen der mangelhaften Eisen 
betonkonstruktion zu erhöhen. So interessant diese Hilfs 
konstruktionen teilweise gewesen sind, so müssen dieselben 
als dunkle Punkte auf dem Gebiet des Baukonstruktions 
wesens insofern bezeichnet werden, als sie eben gar nicht 
nötig sein sollten. 
Der Zweck dieses Aufsatzes ist es, dafür einzutreten, 
daß, Mißgriffen vorbeugend, gesorgt werde, daß die Eisen 
betonkonstruktionen befriedigend ausfallen, daß Sicherheit 
dafür geschaffen wird, daß sie die gewünschte Trag 
fähigkeit haben, daß zuverlässige Nachweise hinterlegt 
werden, welche für alle Zeiten einen Einblick in die 
fertige Konstruktion gestatten und jeden Sachverständigen 
über deren Tragfähigkeit ohne Belastungsprobe ins klare 
setzen. 
Die Tragfähigkeit der Eisenbetonbauten hängt, regel 
rechte Ausführung vorausgesetzt, von der Bemessung der 
Dimensionen des Betons und der Eiseneinlagen ab, und 
diese ist insbesondere zum Gegenstand der baupolizeilichen 
Behandlung zu machen. 
Die mehrfach erwähnten preußischen „amtlichen Be 
stimmungen für die Ausführung von Konstruktionen aus 
Eisenbeton bei Hochbauten“ schreiben unter A § 1, 1 vor: 
„Der Ausführung von Bauwerken oder Bauteilen aus 
Eisenbeton hat eine besondere baupolizeiliche Prüfung 
voranzugehen. Zu diesem Zweck sind bei Nachsuchung 
Ja, er merkte allgemach, diese einfach netten, ohne 
Prunkaufputz ehrlich als gut deutsche Kleinstadtbürger 
häuser sich gehenden Häuser, die weder an griechische 
Tempel, italienische Paläste , fürstliche Barockschlösser, 
noch an sonstige Kunstberühmtheiten sich anzulehnen 
versuchten, waren trotzdem Kunstwerke! Da waren 
schöne Verhältnisse, vortreffliche Anordnungen, klare 
Formensprache, da waren schöne Linien in den Giebel 
formen, im Fachwerk und sonst, schöne Techniken, an 
mutiges Ziegelmosaik hier und da, nettes Fachwerk, 
lustige Scbieferverkleidungen, malerische Anordnungen. 
Da war Monumentalität, Ernst in der Einfachheit der 
Kirche, in dem alten sog. Zehnthof, da war Stattlichkeit, 
Kraft im Bau des Rathauses, da waren alle Arten ein 
facher Schönheit, Anmut, Keuschheit, Lieblichkeit, wie 
auch Behaglichkeit, Wucht, Stolz, wie auch Humor, 
Drolligkeit, Vergnüglichkeit in und an den Bürgerhäusern 
zu finden. 
Allmählich löste sich ihm auch ein Rätsel, das ihm 
manchmal zu denken gegeben: in den letzten Jahren 
waren in ein paar Straßen einige Neubauten in groß 
städtischer Art entstanden, ein mehrstöckiges Haus in 
einer Art Palladiostil mit Säulen und Fenstergiebeln, 
Rustika und sonstigem Zubehör, ein andres in deutscher 
Renaissance, so etwa wie das berühmte Pellerhaus in 
Nürnberg, ein drittes etwas wie gotisch u. s. w., und vor 
dem Tore hatte sich jemand eine Villa in Rokoko bauen 
lassen. Es war ihm immer merkwürdig erschienen, daß
	        
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