Full text: Bauzeitung für Württemberg, Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen (1907)

der Bauerlaubnis für ein Bauwerk, welches ganz oder 
zum Teil aus Eisenbeton bergestellt werden soll, Zeich 
nungen, statische Berechnungen und Beschreibungen bei- 
zubringen, aus denen die Gesamtanordnung und alle 
wichtigen Einzelheiten zu ersehen sind. 
Diese Unterlagen können unter Umständen auch noch 
nachträglich beigebracht werden — was bezüglich der 
Zeichnungen für wichtige Einzelheiten manchmal das ge 
eignetere sein kann. — In der Beschreibung ist der Ur 
sprung und die Beschaffenheit der zum Beton zu ver 
wendenden Baustoffe und ihr Mischungsverhältnis anzu 
geben.“ 
Das Verlangen so eingehender Vorlagen geht meines 
Erachtens nicht zu weit, es entspricht sogar nur einer 
der Bauweise begründeten Notwendigkeit. Dieses 
Verlangen soll nicht nur vor Bauunfällen sichern, sondern 
es hat weitergehende, volkswirtschaftliche Bedeutung, in 
sofern durch das Vorhandensein dieser Vorlagen für spätere 
Käufer des betreffenden Gebäudes der Grad der Trag 
fähigkeit der Konstruktionen einwandfrei bestimmbar ist. 
Von der Tragfähigkeit der Decken und Säulen hängt aber 
beispielsweise der Kaufwert für ein Warenlager, für eine 
Eabrik u. s. w. hauptsächlich ab. Es ist auch von größtem 
Wert, zu wissen, welcher Sicherheitskoeffizient gegen 
Bruch bei einer bestimmten Belastung in dem Bau vor 
handen ist. Die Größe des Sicherheitskoeffizienten gibt 
einenMaßstab für die allenfalls zulässigen teilweisenUeber- 
schreitungen der berechneten Belastung in einzelnen 
Räumen; aber auch für die zu gewärtigenden Erzitterungen 
bei gewissen Betrieben ist durch die Kenntnis des Sicher- 
heitskoeffizienteu ein Fingerzeig gegeben. 
Eine andre Frage ist es, ob mit dem Verlangen so 
eingehender Vorlagen das Baugewerbe nicht zu sehr 
belastet wird. Diese Frage ist entschieden zu ver 
neinen. Zu dieser Verneinung führen folgende Er 
wägungen: 
Die Fertigung von statischen Berechnungen oder 
bei häufiger vorkommenden Konstruktionen die Vor 
nahme von Auszügen von Tabellen für Eisenbeton 
konstruktionen muß jeder zuverlässige Unternehmer 
seiner Bauausführung doch vorangehen lassen; jeder 
gewissenhafte Bauleitende wird diesen Nachweis 
schon von sich aus fordern, selbst wenn er sich 
nicht in der Lage sieht, die Berechnung zu prüfen. 
In diesem Fall muß ihm die baupolizeiliche Prüfung 
sogar erwünscht sein. Es handelt sich also im wesent 
lichen nur noch um Fertigung einer Abschrift, welche 
bei den heute gebräuchlichen Vervielfältigungsverfahren 
nicht mehr als Erschwerung oder gar hindernde Be 
lästigung angesehen werden kann. 
Bei Untersuchung der Frage, für welche Konstruktionen 
statische Nachweise zu fordern seien, kommt man zu der 
üeberzeugung, daß recht wohl auch für einfachere Kon 
struktionen die Forderung des statischen Nachweises auf 
gestellt werden kann, denn als ein solcher werden Aus 
züge aus guten Tabellenwerken sicherlich nirgends be- 
I "auft Uj 
ET 
fiu* —|- 
1 1 
n 
| Zinne* 
rrl. i^~ 
II 
—r 
Gehöftanlage 
Architekt Hohlbauoh, Geislingen 
gerade diese „stilvollen“ Bauten, deren Erbauer doch 
offenbar ebensolche Schwärmer und Kenner alter Meister 
waren wie er und sie studiert, ja kopiert hatten, ihn 
durchaus abstießen! Jetzt ward’s ihm klar: die paßten 
hier halt einerseits durchaus nicht her und waren zweitens 
poesielose, herzlose Kopien! Sie wirkten wie ein protziges, 
schreiend buntes Bukett aus Zeug- oder Papierblumen, 
auf eine Wiese gestellt, während die alten, heimischen 
Bauten so frisch natürlich aussahen wie ein Stück Heimat 
natur, wie ein anmutiger, zartfarbiger, blumiger Fleck 
am Feldrain, der dasteht, als könne es gar nicht anders 
sein, der gar nicht tut, als sei er etwas besonders 
Schönes und dabei ein Ausbund intimster Schönheit ist! 
Tiefer und tiefer drang er ein in die Erkenntnis der 
altheimischen Kunst seines Städtchens, immer offener 
ward sein Auge für die Erkenntnis ihrer feinsten Reize! 
Größer und größer stellte er sich seine Aufgaben: Er 
tat so, als solle er eine Kunstgeschichte der Stadt 
schreiben! 
In den Dörfern der Nachbarschaft studierte er zu 
dem Zweck das ursprünglichste Haus der Gegend, wie es 
sich aus Notwendigkeit, nächstliegendem, natürlichem, 
heimatlichem Material, einfachster, ungesuchter Technik 
und der persönlichen Art der Bevölkerung naturnotwendig 
ergeben mußte. Deutlich konnte er dann feststellen, wie 
aus diesem für, die Zwecke der Landwirtschaft be 
rechneten Hause infolge der Verpflanzung in die Stadt 
und der Anpassung an andre Berufs- und Lebensweise 
das städtische Haus entstand, wie dieses durch allerlei 
äußere Einflüsse, für die ihm seine Stilkenntnisse jetzt 
sehr gute Handhaben boten, sich im Laufe der Zeit um 
gestaltete. Hatte er früher zum Beispiel gemeint, von 
Renaissance u. dgl. sei in der Stadt nichts zu finden, 
weil er immer nach Pninkäußerungen gesucht hatte, so 
fand er jetzt in allerlei feinen Kleinigkeiten, Giebeln, 
Erkern, Türformen u. a., deutlich Renaissance-, Barock-, 
Rokoko-, Zopf-, Empireeinflüsse heraus, die liebenswürdig 
höflich, aber bestimmt in den heimischen Gruudton über 
setzt waren und so etwas Gesundes und weit Schöneres 
geworden waren als die späteren, lediglich die gleichen 
Anregungen sklavisch geistlos kopierenden Neubauten der 
„Jetztzeit“. Grundriß, Bautechnik, Schmuckart, Be 
malungsart, Türform, Fensterart, ja selbst den mit kleinen 
Kieseln aus dem nahen Bach nett gepflasterten Zugang 
zum Hause — alles suchte er historisch zu ordnen, und 
groß war seine Freude, wenn er nach bisweilen langem 
Suchen das bisher ihm fehlende Mittelglied einer Ent 
wicklungsreihe dieser oder jener Einzelheit auffand! Rat 
haus, Zehnthof, Stadtwage, das alte Schulhaus u. a. ließen 
sich ohne Schwierigkeit in die Entwicklungsgeschichte 
der allgemeinen bürgerlichen Bauweise einreihen, ja auch 
bei der Kirche fand er jetzt in dem, was er früher für 
barbarisch gehalten, die gut heimatliche Art heraus und 
empfand diese Selbständigkeit gegenüber den fremden 
Anregungen als etwas sehr Anerkennenswertes und Er 
freuliches.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.