Full text: Bauzeitung für Württemberg, Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen (1907)

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BAUZEITUNO 
Nr. 41 
Außer Wettbewerb. Variante Architekten Böklen & Feil, Stuttgart, und H. Abel, Reutlingen 
Sinne nicht bekannt waren? Hier wird, wenn solche 
Fragen auf dem Spiel stehen, zu prüfen sein, wie man 
Eingriffe vermeidet oder wie man sie im Sinne des Städte 
erbauers am besten vornimmt. Beide Yorträge werden 
nach Beschluß des Denkmalpflegetages im Sonderabdruck 
erscheinen und weiteren Kreisen zugänglich gemacht 
werden. Prof. Dehio-Straßburg und Prof. Gurlitt- 
Dresden gaben wertvolle Beobachtungen wieder, die ihnen 
bei dem Studium alter Städteanlagen aufgefallen waren. 
Geh. Oberbaurat Hofmann-Darmstadt richtete ein Wort 
an die Stadtverwaltungen, denen er ans Herz legte, die 
Vornahme von Aenderungen in den alten Stadtplänen 
den richtigen Händen anzuvertrauen, die Aenderungen 
selbst nicht nur im Grundriß vorzunehmen, sondern sich 
auch gleichzeitig mit der Raumbildung zu beschäftigen 
und hierzu neben den Ingenieuren auch berufene künst 
lerische Kräfte, und zwar zeitig, zuzuziehen., Prof. 
Schreib er-Leipzig berührte im Zusammenhang mit dem 
Vortrag die antiken Stadtanlagen. Von andrer Seite 
wurde noch auf manche Einzelheiten eingegangen. 
(Schluß folgt) 
Neue Bauordnung Württembergs 
IV. Baupolizei und Volkswirtschaft. 
„Das Bau’n wär’ eine schöne Kunst, so einer hätt’ 
das Geld umsunst,“ heißt ein altes Sprichwort, das viel 
als Inschrift an Bauwerken zu finden ist. In der Tat 
besteht auch wohl nirgend ein solch großes Abhängig 
keitsverhältnis zum Geldmarkt wie im Baugewerbe, trotz 
dem die Bautätigkeit im Grunde genommen nur den bei 
der Entwicklung einer Nation sich zeigenden Bedürf 
nissen entspricht; dieselbe wird fast ausschließlich von 
der bürgerlichen Gesellschaft geleitet und kapitalisiert. 
Staat und Gemeinde greifen nur in besonderen Fällen 
ein. Den weitaus größten Teil des Baugewerbes umfaßt 
die Wohnungsfürsorge, bei welcher man eignen Besitz 
und Mietwohnung unterscheidet. Durch den außer 
ordentlichen Aufschwung von Industrie und Technik im 
neunzehnten Jahrhundert kam das System der Miet 
wohnung zu immer größerer Ausdehnung. Es erklärt 
sich dies insonderheit daraus, daß mit dieser Entwicklung 
eine Verschiebung der Arbeitskräfte nach Industrie- und 
Verkehrsorten entstand, wodurch an diesen ein ganz 
außerordentliches Wohnungsbedürfnis sich zeigte, welchem 
durch die Mietwohnung in der Regel entsprochen wurde. 
Die Absicht, durch ein eignes Heim nicht an die Scholle 
gebunden zu sein, um die der sozialen Stellung wegen not 
wendige Bewegungsfreiheit in der Ausübung der Tätig 
keit nicht zu verlieren, unterstützte das System der Miet 
wohnung, und so findet man heutzutage in den größeren 
Städten fast ausschließlich dieses Wohnungssystem. 
Durch die außerordentliche Wertsteigerung der Arbeit 
und der Materialien ergab sich auch eine Wertsteigerung 
der Gebäude und der Wohnungen, und diese wird da 
durch noch unterstützt, daß die Ansprüche an eine 
Wohnung sich ebenfalls steigerten, und es entspricht 
heutzutage ein eignes Heim mindestens einem Wert von 
einigen tausend Mark, in der Regel aber von einigen 
zehntausend Mark. Betrachtet man die menschliche 
Gesellschaft bis in die breitesten Schichten auf ihre 
moralische Fähigkeit, so findet man, daß nicht jeder 
mann imstande sein wird, ein solches Besitztum zu er 
halten, geschweige denn zu erwerben, und damit zer 
bricht der schönste Idealismus. Es wird die Mietwohnung 
auch in Zukunft die hauptsächlichste Lösung der Wohnungs- 
frage bilden, weil durch sie den immer wechselnden Ver 
hältnissen in der Familie am ehesten Rechnung getragen 
werden kann. 
Auf diesem Gebiet nun hat die Baupolizei in Württem 
berg in den letzten Jahrzehnten viel Gutes geleistet, ins 
besondere bei der Hygiene. Als Feuer- und Sicherheits 
polizei hat sie mit besonderem Eifer gearbeitet. 
Ein Hauptaugenmerk hat eine Bauordnung aber nicht 
nur darauf zu richten, daß gesunde und schöne Wohnungen 
gebaut werden, sondern daß es auch möglich ist, billige 
Wohnungen zu schaffen. Leider hat das Wort „billig“ 
immer noch eine größere Bedeutung als „schön und ge 
sund“. Wenn das Interesse aller Staatsangehörigen an 
unsrer neuen Bauordnung zusammengefaßt wird, so würde 
es wohl in erster Linie lauten; Schaffe billige Woh 
nungen! 
Mit dem Steigen der Arbeitslöhne steigen auch die 
Werte der Materialien, steigen die Werte der Arbeits 
objekte; das Baugewerbe mit seinen weitverzweigten 
Arbeits- und Materialgebieten spürt dies am ehesten, und 
folgerichtig entsteht auch eine Steigerung der Baukosten, 
(in den letzten zehn Jahren haben sich beispielsweise 
in Stuttgart die Arbeitslöhne der Maurer um 40—50 °/ n 
erhöht.) Ungünstig wirken ferner die Syndikate; und
	        

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