Full text: Bauzeitung für Württemberg, Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen (1907)

327 
12. Oktober 1907 
BAUZEITUNG 
wenn man weiter in Betracht zieht, daß die Ansprüche 
an eine Wohnung ebenfalls immer größer werden (Heizung, 
Licht, Ausstattung), so begreift man, daß auch der Miet 
preis höher wird. Württemberg und insbesondere Stutt 
gart haben nun der Terrainverhältnisse und Boden- 
beschalfenheit wegen eine außerordentlich ungünstige 
Bauwirtschaft; eben deshalb hat die württembergische 
Bauordnung doppeltes Interesse, in dieser Beziehung vor 
teilhaft auf die Bautätigkeit einzuwirken. 
Der Entwurf der neuen Bauordnung hat dazu einen 
Anlauf genommen; insbesondere gibt derselbe den Ge 
meinden verschiedentlich das Recht, beziehungsweise weist 
sie darauf hin, daß zum Zwecke der Beschaffung billiger, 
gesunder und zweckmäßig eingerichteter Kleinwohnungen 
für Minderbemittelte, worunter nicht nur Arbeiter ver 
standen sein sollen, pflichtmäßige Beitragsleistungen er 
lassen werden können. Damit ist die wirtschaftliche 
Frage aber noch nicht gelöst. Am einschneidendsten auf 
die wirtschaftlichen Bauverhältnisse wirkt der Ortsbau 
plan, weil dieser in der Regel Baumöglichkeit und Bau 
art bedingt. Grundlegend dabei sind Zweckmäßigkeit, 
Hygiene und Aesthetik; Zweckmäßigkeit und Hygiene 
bilden die Seele der Aesthetik, und unter Zweckmäßig 
keit ist nicht nur eine technisch mustergültige, sondern 
auch eine wirtschaftlich rationelle Lösung zu verstehen. 
Manches schlechte Beispiel im Städtebild hätte ver 
mieden werden können, wenn der Oi’tsbauplan auf die 
ökonomische Frage hin geprüft worden wäre, wodurch in 
der Regel eine gesunde Aesthetik sich von selbst ergibt. 
Wenn in Städten, wo die Mietkaserne ihre Berechtigung 
hat, nachgewiesen ist, daß beispielsweise eine vierstöckige 
Bauweise wirtschaftliche Vorteile bringt, und wenn durch 
die Linienführung der Straße eine Anpassung ans Ge 
lände und an die bestehenden Baublocks möglich ist, 
dann soll diese Bauweise auch im Ortsbauplan bevorzugt 
werden. Man soll der heutigen Zeit leben und schaffen; 
lieber große Häuser und große Lichtquellen, als kleine 
Häuser und Lichtwinkel. 
Weitere Geldmittel erfordern die Gesundheits-, Feuer- 
und Sicherheitspolizei. Was die Hygiene verlangt, ist eine 
billige Forderung und nicht nur für die jetzige Generation, 
sondern auch für die Nachwelt rentabel. Nur sollte da 
bei die Frage beantwortet werden: Wie genügt man am 
zweckmäßigsten der Hygiene? Etwas anders steht es mit 
Lugeplan 
der Feuer- und Sicherheitspolizei. Hier werden Gelder 
geopfert, die nur in ganz abnormen Fällen einen effektiven 
Wert erhalten. Was ist Feuer? Wie leicht entsteht es? 
Beobachtet man den angeheiterten Studenten, die schlaf 
trunkene Frau, wie sie im Bett das Kerzenlicht anzünden, 
welches dicht neben den Gardinen steht, blickt man zurück 
in seine eigne Kindheit, an den Weihnachtsbaum, an das 
Zündeln an versteckten, aber meist feuergefährlichen Orten,
	        

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.