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BAUZEITUNG
Nr. 42
Entschlüsse wurden durch den Umstand unterstützt, daß
von kunstsinniger Mannheimer Familie ein Vermächtnis
als Grundstock der Bausumme in Höhe von 300 000 M.
vorhanden war, die Aberle-Stiftung, den Rest von
300000 M. stellten die Gemeindekollegien zur Verfügung.
Die Raschheit der Entschlüsse hielt auch über die ganze
Zeit der Bauausführung an; das allerdings nicht sehr
umfangreiche Gebäude wurde in der denkbar kürzesten
Zeit rechtzeitig vollendet.
Hermann Billings Kunsttempel liegt abseits der Aus
stellung auf einem städtischen Bauzwecken vorbehaltenen
Bauhlock zwischen Parkhotel und Staatsgymnasium. Die
an den Friedrichsplatz anschließende Front des Blocks
ist für ein städtisches Museum bestimmt, dessen Errichtung
gesichert ist. Es ist als Gegenstück zum Rosengarten am
Friedrichsplatz gedacht und soll mit der Kunsthalle der
einst nur lose Zusammenhängen. Dies der Grund der
vollständigen Zurückrückung der Kunsthalle und Ver
legung ihrer Hauptschauseite und ihres Hauptzugangs an
die Moltkestraße. Nicht weiter zu begründen ist auch
der Umstand, daß für den Schluß des Friedrichsplatzes
durch das Museum nur Bruno Schmitz in Betracht
kommen kann, die Errichtung der Kunsthalle hier also
untunlich war.
Der Ausstellungsbesucher — wir betrachten ja die
Kunsthalle im Zusammenhang mit der Ausstellung —
erblickt vom Friedrichsplatz aus zunächst nur den Kuppel
aufbau und den Tambour, glatte Dächer und fensterlose
Wände. Viele verwunderte Fragen über diesen Anblick
beweisen nur die Tatsache, daß in unserer nervösen,
hastenden und schnellehigen Zeit den meisten Menschen
das Gefühl für Ruhe und Einfachheit abhanden kam
und der Ausdruck der Wahrheit in der Fassade noch
vielen als ein Greuel erscheint. Sie zögen wohl Blind
fenster in den Wänden der Oberlichtsäle vor. Trotz der
Einfachheit der Rückseite ist aber die Wirkung, ins
besondere der Umriß der Bauanlage, gut, zumal man es
verstanden hat, den Museumsbauplatz richtig zu ver
wenden; er dient als Schmuckhof, den die Kunsthalle
als sprechende Mauer abschließt. Die Lösung ist streng
architektonisch und geometrisch, nur Horizontale und
Vertikale ist in allen architektonischen und gärtnerischen
Schöpfungen verwendet, keine gebogene oder geschweifte
Linie, mit Ausnahme der Brückenlinie, ist sichtbar. Im
tiefliegenden Teil zeigen sich strenge Rasenanlagen,
strenge Wegführung, eine meisterhafte Anlage der Garten
architekten Gehr. Siesmayer, Frankfurt; ein architek
tonisch gutes Motiv sind die verschiedenfarbig gehaltenen
Zierwege. Der tiefliegende Teil des Hofs geht in monu
mental einfacher Weise durch glatte Rasenböschungen in
den hochliegenden über und wird in der Hauptachse durch
eine elegant geschwungene Eisenbetonhrücke mit durch
aus wahrer Ausbildung, materialgerechter Behandlung
übersetzt. Die pergolaartigen Brückenköpfe mit Brunnen
und Statuen als Hauptzielpunkte bilden eine angenehme
Belebung des einfachen Bildes, es entsteht besonders bei
Abendstimmuug ein eigenartiges, etwas mystisches Bild.
Wir dachten im Abendschein am Monumentalbrunnen
Billings, als die strengen Pergolen, der tiefe Hof im
Dämmer lagen, violette und blaue Silhouetten sich rings
um zeigten, an jene Beschreibung des Koran, die den
Gläubigen die Brücke zum Paradiese schildert. Der
Gesamteindruck ist ein orientalistischer, wenn es gestattet
ist, dieses Wort zu prägen.
Der die Kunsthalle besuchende Ausstellungswanderer
betritt den großen, durch Oberlicht erhellten Hauptraum,
der sich in der Hauptachse des Eingangs an die Kuppel
halle anschließt. Er wird von zwei provisorischen An
bauten mit Einzelkabinetten flankiert, die nach dem Schluß
der Ausstellung entfernt und im — Viehhof verwendet
werden sollen. Sic transit gloria mundi! Aber praktisch
war der Gedanke doch und gewiß für die Anschauungen
eines Mannheimer Finanzmanns nicht ungewöhnlich.
Der Hauptraum soll in der Hauptsache für spätere
Sonderausstellungen dienen, auch als Repräsentationsraum
verwendet werden; er ist unter den Boden des Kuppel
raums vertieft worden, wie letzterer einige Stufen unter
dem Boden des Haupteingangs liegt, für die künstlerische
Wirkung der Durchblicke eine vorteilhafte Anlage. Er
ist einfach, aber würdig, apart und materialgerecht aus
gestattet, er bildet in seinen Abmessungen die erforder
liche Steigerung nach dem Kuppelraum. Dieser, zugleich
Haupttreppenhaus, ist reich geschmückt und hochkünst
lerisch unter Verwendung echten Materials durchgebildet;
zu beobachten ist die trotz verhältnismäßig kleinen Ab
messungen erzielte Raumwirkung, die man beim Betreten
des Haupteingangs nicht erwartet. Ein virtuoser Kunst
griff, diese künstlich geschaffene Steigerung. Ueber die
reizenden Einzelheiten, Treppenantritte, den Leseplatz,
die Galerien, die originellen Lichtöffnungen und die Fülle
und den Reichtum der Durchblicke und Raumbilder zu
sprechen, verbietet der Raum, auch bedarf ein solcher
Bau der rühmenden Feder nicht. Er spricht für sich
selbst, zu jedem, der Ohren hat zu hören, gewaltig, und
nicht wie das kleinliche Werk eines Schriftgelehrten.
Die an den Eingang rechts und links anschließenden
Räume erhielten hohes Seitenlicht; sie sind zur Aufnahme
von Sammelausstellungen, Radierungen und Lithographien
(schwarzweiße Ausstellungen) und zur
Unterbringung kleinerer Skulpturen be
stimmt. Die Gemäldesammlung soll der
einst in den im Obergeschoß liegenden
Oberlichtsälen Unterkunft finden. Bei
der Aufteilung des Ganzen wurde nach
Bereitstellung von möglichst vielen in
Form und Größe verschiedenen Räumen
gestrebt, um für jeden späteren Sonder
zweck die nötigen Räume bereit zu haben.
Daß die für den Betrieb erforderlichen
Räume im Untergeschoß nicht fehlen, ist
selbstverständlich.
Die äußere Erscheinung des Gebäudes
ist eigenartig und der Ausdruck des hohen
Könnens, der immensen Fruchtbarkeit
und der Einfachheit, der Selbstlosigkeit
des Urhebers. Der rote Mainsandstein
war als Material des Friedrichsplatzes
gegeben, besonders im Sonnenschein er
gibt sich ein hübsches, einzigartiges Bild.
Der Formgebung des Aeußeren liegen
ägyptische Motive zugrund. Der Haupt
Großer Oberlichtsaal in der Kunsthalle Architekt Prof. H. Billing, Karlsruhe