Full text: Bauzeitung für Württemberg, Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen (1907)

19. Oktober 1907 
BAUZEITDNö 
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eingang ist wie bei den Sakrarbauten des Nillandes 
durch zwei mit der Architektur verschmolzene Stein- 
pylouen mit Figurenbekrönung flankiert und von zwei 
auf hoher Treppenwange liegenden Löwen bewacht. In 
die die beiden Pylone verbindende konkave Mauerfläche 
ist das einfache, originell umrahmte Eingangstor eingelegt, 
einige Fensteröffnungen schließen es ab. Die genannte 
Mauerfläche zeigt noch eine abschließende Attika und als 
einzigen Schmuck in vornehmer Einfachheit und klassischer 
Ruhe die für Mannheim so bedeutende Jahreszahl 1907 
in römischer Schrift. Gleich einfach ist der Kuppel 
aufbau, er atmet erhabene Ruhe, Gediegenheit, Würde. 
Die beiden an den Mittelbau angelehnten Seitenflügel 
zeigen nach außen klar und sinngemäß den Zweck der 
hinter ihnen liegenden Räume. Sie ergänzen die Wirkung 
des Mittelbaus, steigern und vermindern sie, ersteres durch 
die eigne ruhige Plächenwirkung, letzteres durch die an 
den beiden Endigungen angeordneten Vorbauten. Das 
Detail ist stark orientalisch beeinflußt, es erscheint der 
Gedanke der assyrischen Bündelstäbe und die Stein 
tektonik der ägyptischen Tempel. Alles aber ist frei 
gemeistert, ein neues Wort mit alter Wurzel geschaffen. 
Eine wertvolle Bereicherung hat Mannheims Monu 
mentalbaukunst durch diesen Bau erfahren, ein Kleinod 
von hohem Wert ist dem Kunstschatz Mannheims ein 
gefügt worden. In der äußeren Erscheinung wie im 
inneren Ausbau ist überall weises Maß gehalten, weise 
und mit rührender Bescheidenheit ist allenthalben auf 
alles lärmende, die Person des Schöpfers hervorhebende 
Beiwerk verzichtet. Daher die hellenische Anmut und 
die klassische Schönheit des Ganzen. Erreicht ist die 
schon führenden Geistern früherer Jahrhunderte vor 
schwebende stille Größe und edle Einfachheit in der 
Baukunst an einem Jahre, Jahrzehnte überdauernden 
Gebäude zum Vorbild und zur Weiterbildung des Be 
schauers. Es verfehle vor allem nicht, auf jene in Mann 
heim zu wirken, denen der Begriff Kunst mit Einfachheit 
zu widerstreiten scheint, und es bekehre auch diejenigen 
— und ihre Zahl ist noch groß —, die die Schönheit 
nach den aufgewendeten Geldmitteln bewerten. Mit 
600000 M. schuf Billing in 18 Monaten diesen Edel 
stein, für das Geleistete fürwahr ein geringer Geld- und 
Zeitaufwand. Ja, vielleicht glauben jene Schönheits 
taxatoren, die wir mit dem seligen Trimalchio vergleichen 
möchten, der die Tischgäste zunächst mit dem Preise der 
gebotenen Gerichte labte, daß eine niedere Bausumme 
erzieherisch wirken und eine Entwicklung des Künstlers 
in der Richtung edler Einfachheit herbeiführen kann. 
Nach dieser Betrachtung des Gebäudes noch einige 
Worte über die Kunstausstellung und die Raumkunst. 
Sehr richtig war der Gedanke, in der Kunsthalle nicht 
in endlos langen Sälen mit vielleicht dürftig gekünstelter 
Kojenanordnung Hekatomben von Gemälden zu opfern. 
Der Gedanke, das Bild in Beziehung zur Umgebung zu 
bringen und diese zum Bild, liegt eigentlich so nahe wie 
die Grundsätze des Heimat- oder Denkmalschutzes, immer 
hin will aber gut Ding Weile haben und alles sich aus 
reifen. Die Verbindung der Raumkunst mit Einzelwerken 
der bildenden Kunst und insbesondere die Betätigung 
vieler Kräfte auf diesem Gebiet nebeneinander, jede mit 
andrer Sprache, ist zweifellos von großem Vorteil für 
die deutsche Kunst geworden. Eine Einzelbeschreibung 
jedes Raums würde uns zu weit führen, auch fürchten 
wir, den Leser mit langer Ausführung zu ermüden; 
daß aber jeder Besucher etwas seinen Ansprüchen und 
Wünschen Angemessenes fand, des sind wir gewiß. Licht 
volle gediegene Räume wechseln mit dunkeln ab, eine 
Schöpfung weitab von der Moderne, mit venezianischen 
und antiken Motiven, nimmt uns mit Stucks Werken 
gefangen. Festliche weißgelbe Tönung scheint Farbe 
und Stimmung der Gemälde hier zu vertiefen, daneben 
japanische Räume, tropisch-leichtes Wunderland und kühl 
graublau gestimmte Säle. Ein Bild wie Slevogts „Bai pare“ 
in kleinem goldgelbem Raum versinkt beim Betreten des 
nebenliegenden Raums mit tiefdunkler Färbung der Wände, 
schwarzen Möbeln und goldener Decke. Dann wieder 
ein Saal mit Riesenperspektiven, erzielt durch Kojen 
und gewollte Zielpunkte, neben puritanisch streng, ja 
fast kalt wirkenden Sammlungsräumen für Plastik größeren 
Umfangs. Helle freudige Stimmung erwecken die Billing- 
schen reich ausgestatteten Wohnräume, ernste Vor 
bereitung auf das Kommen des Großen der Erde soll 
uns im fürstlichen Warteraum Tillesens werden. Andre 
Töne schlagen die Wiener Künstler mit ihren Quadraten 
an, gewaltig durchschauert uns das silberpatinierte Ge 
wölbe mit Bermanns Plastik „Erwachen zum Weibe“. 
Im Oberstock finden wir Kabinettstücke von Prutscher, 
Dill, Hierl-Deroncos Saal mit kardinalroter Wandbespan 
nung neben neutralem Sammlungssaal. Der graue Saal 
Rieths mit reichem Architekturschmuck, Silberleuchtern 
und originell angeordneten Sitzgelegenheiten steht im 
Gegensatz zu Niemeyers Raum oder Olbrichs Empfangs 
zimmer einer großen Dame. Eine Fülle von Kunst und 
Schönheit allenthalben, zunächst vielleicht manchen be 
täubend, dann aber zum Auge und Gemüt dringend, 
mächtig, unwiderstehlich, einzig. Hier schuf Mannheim 
ein lebendiges Zeichen seiner Bedeutung und seiner Macht, 
was auch von größtem Einfluß für die Förderung von 
edlen Kunstbestrebungen an andern Orten sein wird. 
Und auch der alltäglich und nüchtern veranlagte Dutzend 
besucher wird beim Verlassen des Kunsthauses den Ein 
druck gewinnen, daß er eine Stätte verläßt, heilig und 
kunstgeweiht. 
Der ernste Forscher aber, den es nicht bloß zu kalt 
staunendem Besuche treibt, der verlangt, ins Innere, ins 
Wesen zu schauen, erkennt, daß die Morgenröte der Kunst 
über Mannheim aufgeht, leicht noch und rosig. Möge 
ihr ein Sommertag folgen, heiter und farbenprächtig, 
langdauernd, Zeiten, wie sie die Väter sahen, als Krähe 
hier wirkte und Leydensdorff, das Bruderpaar Asam und 
alle die Koryphäen der Kunst, von denen Werke im 
Schloß und den Kirchen hier so mächtig erzählen. Dann 
könnte das Handelsemporium und die Industriemetropole 
mit ihren materiellen Riesenmitteln leicht das wieder 
werden, was sie einst war — Pfalz-Athen. 
Einfamilienhäuser 
Auf eine charakteristische Erscheinung möchten wir 
heute hinweisen: auf die Verkaufsliste von Villen und 
Wohnhäusern der bekannten, in gutsituierten Kreisen 
vielgelesenen Zeitschrift „Sport im Bild“. In praktischer 
Weise soll allen Lesern eine Reihe zum Verkauf stehender 
Häuser mit Abbildungen und Beschreibungen vorgeführt 
werden. Man kann nun aus den Abbildungen ungefähr 
sehen, welch eigentümliche Begriffe von der Schönheit 
eines Landhauses noch vielfach vorherrschend sind. Hat 
man sich die Mühe genommen, verschiedene Hefte durch 
zusehen, so wird man sie enttäuscht aus der Hand legen, 
nach etwas Schönem, Gediegenem muß man lange suchen. 
Was nennt sich da nicht alles Villa oder hochherrschaft 
lich? Es sind zum Teil ganz klägliche Architekturen. 
Eine Beschreibung fiel uns besonders auf. Da hieß es: 
Das Gebäude ist reich gruppiert durch Erker, Turm, 
Veranda u. s. w. Warum nicht noch Zinnen und Baikone 
und Loggien und Portal Vorbauten mit großen Wappen 
dekorationen, damit ja alles dran ist, was man irgend 
anwenden könnte? Es wissen scheinbar viele noch nicht, 
daß sich die Gruppierung eines Hauses wahrheitsgemäß 
aus dem ganzen Programm ergeben soll ohne besonders 
gesuchte, unzweckmäßige Dekorationsmittel. Glücklicher 
weise brauchen wir derart fragwürdige Hilfsmittel nicht, 
wir haben gerade in Süddeutschland schon eine ganze 
Anzahl guter vorbildlicher Gebäude. Unsre Zeitschrift
	        
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