350
ßAUZElTUNG
Nr. 44
ziehen und manches noch bestehende Vorurteil schwinden
wird. Zur Vervollständigung geben wir auch die Grund
planskizze wieder und gehen nun zu einer kurzen Dar
legung des Projekts über.
Die durch die Verlegung des Bahnhofs in die Schiller
straße notwendig werdende Durchführung letzterer Straße
nach der Neckarstraße trennt einen kleinen Teil der oberen
geschlossenen Anlagen von dem Zusammenhang mit dem
übrigen Teil ab, und es lag nun der Gedanke nahe, hier
die beiden Theater im Verein mit den auf dem Marstall-
platz zu errichtenden Neubauten zu einem von allen Seiten
zugänglichen Mittelpunkt für das gesellschaftliche Leben
der Residenz auszugestalten, in Verbindung mit rings um
Projekt Botanischer Garten Grundplan
den ovalen Teil des Sees führenden Kolonnaden und
großen Cafe- und Restaurationslokalen.
Gleichzeitig war beabsichtigt, den von der derzeitigen
Schloßgartenstraße zu beiden Seiten gehemmten Blick
auf den Kgl. Privatgarten und die schöne Nordfassade
des Residenzschlosses einerseits und den ovalen See ander
seits freier zu gestalten durch Entfernung der den Privat
garten abschließenden Mauer und Tieferlegung des an
stoßenden Teils dieses Gartens, so daß sich nach dieser
Seite eine gesteigerte Wirkung des Bildes vom Schloß
mit dem davorliegenden Garten ergehen würde, während
anderseits der See mit der prachtvollen Nymphengruppe
im Vordergrund und der abschließenden Allee schon
von der Straße aus sich in der ganzen Schönheit zeigen
würde.
Das Bild selbst soll nur die Gesamtwirkung der Bau
massen in Verbindung mit dem gärtnerischen Teil der
Plananlage zur Anschauung bringen und dürfte zugleich
als Grundlage zu einer objektiven Prüfung dienen, die
unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Fak
toren und der nicht zu unterschätzenden materiellen Seite
zu einem anderen Ergebnis kommen wird als zu einer
glatten Verwerfung des Projekts. Für den ruhigen und
ernsten Betrachter tritt die ununterbrochene Beziehung des
Schlosses zu dem ganzen Verlauf der großen Linienführung
des Schloßgartens besonders deutlich in Erscheinung. A.
Neue Bauordnung Württembergs
VI. Wichtiges aus der Generaldebatte in der
württembergischen Zweiten Kammer.
Trennung zwischen Stadt und Land wurde
von verschiedenen Rednern mit Nachdruck verlangt. Der
Entwurf sieht nämlich ein einheitliches Baurecht für das
ganze Land vor, ähnlich wie die Bauordnung von 1872, und
zwar derart, daß nur erprobte, allgemein geltende elementare
Vorschriften im Gesetz aufgenommen werden, während
die dem Wechsel der Anschauungen unterworfenen Vor
schriften der Verordnung und dem Statut überlassen werden
sollen, wodurch dem unter schweren Umständen abzuändern
den Gesetz eine längere Lebensdauer beschieden sein dürfte.
Wo sollte denn aber die Grenze sein zwischen Stadt
und Land? Wie rasch entwickelt sich die Industrie an
allen Orten, wie plötzlich wird manchmal der entlegenste
Weiler zum Kurort und wie viel Orte vereinigen nicht
Stadt und Land? Es ist daher vollständig richtig, daß
der Entwurf hier nicht unterscheidet und im Gesetz nur
allgemein geltende Vorschriften und Begriffe aufstellt und
eine Unterscheidung in oben angeführtem Sinne derart
vorsieht, daß er Trennungen will zwischen der Zweck
bestimmung der einzelnen Bauwesen. Die zwischen Stadt
und Land nötige Trennung wird sich von selber durch
die das Gesetz verschärfenden Statuten ergeben, wodurch
den lokalen Verschiedenheiten am besten Rechnung ge
tragen werden kann und ein Landesschema vermieden
wird.
Vorschrift. Im Interesse der Rechtssicherheit be
dauerten einige Redner, daß der Entwurf zu viel dem
Ermessen der Baupolizeibehörden überläßt, anstatt strikte
Vorschriften aufzustellen. Strikte Vorschriften haben wohl
den Vorteil der Rechtssicherheit, aber sie bringen den
großen Nachteil mit sich, daß alles über einen Kamm
geschoren wird, wodurch Härten entstehen.
Man sieht, daß der Entwurf hier Erfahrungen des
ganzen Landes zugrunde gelegt hat, und erfreulich ist es,
daß dadurch, daß der Entwurf als Landesgesetz haupt
sächlich nur den Sinn der Vorschrift festlegt, den Orts
baustatuten Gelegenheit gegeben ist, in der Anordnung
der Maßbestimmungen eigne Wege zu gehen; diesen, wie
auch der Verordnung wird es wohlweislich Vorbehalten
bleiben, genaue Vorschriften aufzusfellen. Daß aber da,
wo der Entwurf allgemein geltende elementare Vorschriften
erläßt, in der Handhabung derselben verschiedenerlei
Möglichkeiten gegeben sind, ist ein entschiedener Vor
zug; doch soll hier nicht versäumt werden anzuführen,
daß trotz alledem der Art. 25 mit seinem Dachneigungs
winkel von 45 0 vom ästhetischen Standpunkt aus zu ver
werfen ist, da dadurch von der Straße aus ein Dach
überhaupt nicht mehr gesehen würde. Den Standpunkt,
daß das Gesetz eben nicht bis zur Grenze ausgenutzt
werden soll, haben erfahrungsgemäß wirtschaftliche Gründe
längst zur Illusion gemacht, und bei der immer mehr
beschnittenen Baumöglichkeit wird derselbe erst recht
illusorisch werden. Könnte nicht den wertvolleres Gelände
bestimmenden Ortsbaustatuten Vorbehalten werden, daß
dieselben wenigstens auf die Höhe eines Dachgeschosses
einen Dachneigungswinkel gegen die Straße bis zu 60°
gestatten dürfen?
Ortsbautechniker. In Kreisen des Baugewerbes
wurde es mit ganz besonderer Freude begrüßt, daß der
Entwurf der neuen Bauordnung für die Gemeinden tech
nische Berater vorsieht; dadurch würde das glorreiche Zeit
alter der dreigliedrigen Ortsbauschau auf hören. Während
nun allgemein die Meinung herrschte, daß ein Ortsbau
techniker mindestens ein geprüfter Techniker sein soll,
besagen demgegenüber die Motive des Entwurfs, daß die
Betrauung ungeprüfter Bauhandwerker mit den Aufgaben
des Ortsbautechnikers nicht auszuschließen sei. Die Motive
drücken sich dann wörtlich folgendermaßen aus: