Full text: Bauzeitung für Württemberg, Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen (1907)

23. November 1907 
BAUZBITUNG 
373 
es wird aber auch in der Nähe des neuen Bahnhofs eine 
ganze Reihe weiterer entstehen. Alle seitherigen An 
lagen und die künftigen in der Nähe des Bahnhofs eignen 
sich aber durch ihre Lage, welche Gärten bei den Hotels 
ausschließen, nicht zu dem, was in Stuttgart am meisten 
fehlt, zu Familienhotels. Es wird in Stuttgart, be 
sonders in letzter Zeit, so viel darüber geklagt, daß 
Fremde sich hier nicht auf halten. Wenn man sich um 
siebt, so muß zugestanden werden, daß zwar für Durch 
reisende gute Hotelanlagen bestehen, aber nirgends ist 
ein ausgesprochenes Familienhotel mit Gartenanlage. 
Ein nicht genug zu schätzender Vorteil der Lage 
Stuttgarts ist sein mildes Klima im Frühjahr und Spät 
jahr, auch der Winter ist meist in Stuttgart milder und 
angenehmer als in den meisten deutschen Städten. Aus 
dieser Eigenschaft gehört Kapital geschlagen, indem 
Fremden der Aufenthalt in diesen Jahreszeiten durch 
Schaffen von geeigneten Familien- und Parkhotels mög 
lich gemacht wird. 
Keine Lage von Stuttgart ist so sehr geeignet für 
Parkhotels, besonders mit Rücksicht auf den neuen 
Bahnhof, als die Lage beim Marstall. Es erscheint aus 
geschlossen, daß hier Hotelaulagen mit großen Höfen 
ausführbar sind, denn diese müßten die Mehrzahl ihrer 
Zimmer nach dem Hof anlegen. Es sollten vielmehr 
unter möglichster Beschränkung des Bauterrains bei den 
Parkhotels auf dem Terrain des Marstalls offene Bau 
blöcke mit Terrassen und Gärten gegen die Südlage im 
Zusammenhang mit den Kgl. Anlagen erstellt werden. 
Dadurch wird ein angenehmes Wohnen zur Frühjahrs 
und Spätjahrszeit für Fremde möglich. Es wird der 
K. Anlagen zwischen dem oberen und 
den unteren Anlagenseen, Planskizze 
Baugrund dadurch wertvoller werden, als wenn zu tiefe 
Baublöcke entstehen, welche nur durch Hofbildungen 
ausgenutzt werden können. 
In dem von dem Unterzeichneten entworfenen Plan 
ist der ganze neu zu erbauende Theaterkomplex in der 
Front der Neckarstraße angenommen. Es müssen einige 
Häuser bis zur Münze erworben und niedergelegt werden. 
Auf der gegenüberliegenden Seite ist das Marstallprojekt 
nicht so tief ausgenutzt, wie in dem von der Kommission 
angenommenen Projekt. Damit ist aber erreicht, daß der 
obere und wichtigste Teil der Anlagen in seiner jetzigen 
Ausdehnung zum größten Teil erhalten bleibt, ja sogar 
gegen den Marstall noch erbreitert wird. 
Dieser Plan mag auf den ersten Blick kühn erscheinen, 
bedenkt man aber, daß durch das Wegschneiden des 
vierten Teils der Anlagen vom Königstor bis zur 
Kgl. Meierei und durch die Verwertung des Marstall- 
areals zu bestgelegenen Parkhotels große Summen ge 
wonnen werden, so dürfte der Aufwand für die weg 
fallenden Häuser an der Neckarstraße reichlich aus 
geglichen sein. 
Für eine Monumentalbauanlage von der Bedeutung 
eines Opern- und Schauspielhauses muß eine völlig ein 
wandfreie Lage verlangt werden. 
Im Kommissionsprojekt sind die Eingänge, sowohl 
für das Opern- als für das Schauspielhaus, gezwungen 
und genügen nicht dem großen Verkehr, wie er bei An 
fang und Schluß der Theater stattfindet. Die Lage zur 
Straßenbahn ist nicht flächig und direkt genug. Durch 
das Rückliegen des Verwaltungsgebäudes und des Schau 
spielhauses hinter die Hauser der Neckarstraße haftet 
dem Projekt ein gewisser Hinterhauscharakter an, welcher 
unter allen Umständen vermieden werden sollte. 
Wenn es unsrer Zeit vergönnt ist, solch große Auf 
gaben zu lösen, so muß die Lösung die Kritik aller 
Zeiten aushalten können. Baurat 0. Hengerer 
Jurist oder Techniker? 
In Nummer 44 unsrer Zeitung hatten wir infolge 
Erscheinens einiger Artikel in Stuttgarter Tagesblättern 
um Zuschriften über genannte Frage bezüglich der Be 
setzung der Baupolizeivorstandsstelle gebeten. Der Stand 
punkt der Redaktion wurde schon in früheren Nummern 
genügend zum Ausdruck gebracht. Doch glaubten wir 
nochmals Gelegenheit zu einem Gedankenaustausch geben 
zu sollen. Wir erhalten folgende Zuschrift: 
Vor einigen Wochen erschien im „ Schwäb. Merkur“ ein 
Aufsatz über Reform der Stuttgarter Baupolizei, an 
scheinend aus juristischer Feder, in dem neben manchem 
Richtigen auch sehr viel Unzutreffendes zu finden war. 
Namentlich schien der Verfasser über den Bildungsgang der 
Techniker wenig orientiert zu sein, und wir nahmen deshalb 
schon damals die Gelegenheit wahr, in derselben Tages 
zeitung einige besonders auffallende Punkte zu berichtigen. 
Auf Grund seiner unrichtigen Anschauungen über das 
Wissen und Können der Techniker kam jener Jurist 
natürlich zu dem Schluß, daß nur der Jurist zur Stellung 
eines Baupolizeivorstands berufen sein könne. Wir sind 
nun andrer Ansicht, wir meinen: auf diesen Posten ge 
hört ein Techniker. Unter Techniker möchten wir aber 
nur den höhergeprüften Techniker verstanden wissen, 
denn nur ein solcher wäre, nach unsrer Ansicht, kraft 
seiner allgemeinen Bildung und der ihm daraus er 
wachsenden sozialen Stellung imstande, seinen juristi 
schen Kollegen in der Gemeindeverwaltung die Wage 
zu halten. 
Für die Richtigkeit unsrer Ansicht wählen wir den 
Weg des indirekten Beweises, indem wir die Behaup 
tungen des Verfassers jenes Artikels Punkt für Punkt 
zu widerlegen suchen. 
Gleich eingangs sagt er unter anderm, der Techniker
	        

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