Full text: Bauzeitung für Württemberg, Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen (1907)

23. November 1907 
BAUZEITÜNQ 
375 
Schnetztorturm in Konstanz 
Zeichnung von Diplomingenieur H. Wielaudt, Konstanz 
beraten. Es wird beschlossen, die Sache zu vertagen. 
Bezüglich der Angestelltenverträge, welche besprochen 
wurden, ist empfohlen, monatliche Kündigung und 
Zahlung des Gehaltes bei Krankheit bis zu vier Wochen 
zu vereinbaren, was gerichtlich zulässig ist. Direktor 
Schmohl berichtete an der Hand von Modellen und Zeich 
nungen von der Tätigkeit der Beratungsstelle. Man sah 
an den zahlreichen Beispielen, welche Notwendigkeit das 
Bestehen der Beratungsstelle ist und in wie vielen Fällen 
verbessernd und helfend eingegriffen wurde. Neuerdings 
werden auch Modellierbogen für billigen Preis abgegeben, 
um Schülern das Aufstellen von mustergültigen Bau 
modellen zu ermöglichen. Die Beratungsstelle wird so 
in Anspruch genommen, daß ein verhältnismäßig großes 
Personal beschäftigt werden muß. Die ausgestellten 
Aufnahmen der Kgl. Meßbildanstalt fanden allgemeines 
Interesse. 
Württ. Ingenieur-Verein. Am 17. d. M. feierte 
der Verein seine 30. Jahresversammlung. In der Sitzung 
um 10 Uhr vormittags, die im Hörsaal des Ingenieur 
laboratoriums der Kgl. Technischen Hochschule abgehalten 
wurde, veranlaßte der Vorsitzende Prof. Thomann zu 
nächst die Vornahme der erforderlichen Neuwahlen. 
Hierauf gab er einen kurzen Rückblick über das, was 
der Verein im verflossenen Jahre erstrebt und geleistet 
hat. Ueber die Tätigkeit der vom Verein ernannten 
Unterrichtskommission erstattete sodann Direktor Nallinger 
Bericht. Er gelangte zu Anträgen, die von der Ver 
sammlung einstimmig angenommen wurden. Hierauf sprach 
Baudirektor v. Bach einleitende Worte hinsichtlich der 
Entstehung und Entwicklung der Materialprüfungsanstalt. 
Durch Unterstützung des Württ. Ingenieur-Vereins und 
Beiträge der Regierung kamen im Jahre 1884 die zur 
ersten Einrichtung erforderlichen Mittel zustande. An 
Raum waren im Kellergeschoß der Technischen Hoch 
schule 81 qm verfügbar, die jedoch mit dem damals 
gleichfalls in der Entwicklung begriffenen elektrotech 
nischen Laboratorium zu teilen waren. Nachdem der 
Vorstand sechs Jahre hindurch alle Arbeiten der An 
stalt, welche die für ihren Betrieb erforderlichen Geld 
mittel durch Versuche nach auswärts sich verdienen mußte, 
ohne jede Beihilfe bewältigt hatte, was nur dadurch er 
reicht werden konnte, daß er auf jede Erholung auch 
während der Ferienzeit verzichtete, wurde die Bestellung 
eines Assistenten genehmigt. Im Laufe der Zeit traten 
an die Anstalt immer größere Ansprüche heran, so daß 
ihr mehr Raum eingeräumt werden mußte. So wurden 
allmählich etwa 350 qm verfügbar, die in verschiedenen 
Teilen der Hochschule zerstreut lagen. Die Störung, 
welche der mit dem Betrieb der immer größer werdenden 
Anstalt unvermeidlich verbundene Lärm mit sich brachte, 
ließ schließlich auf verschiedenen Seiten den Wunsch 
wach werden, daß dieselbe in ein eignes Gebäude ver 
legt werde. Dieser Wunsch konnte erfüllt werden, als 
der Vorstand einen Ruf, der an ihn von Wien aus er 
ging, ablehnte. Demgemäß wurde im Etat 1902/03 die 
Forderung von 250 000 M. eingehracht und auch bewilligt. 
Hiervon waren 110000 M. für die Beschaffung neuer 
Maschinen bestimmt. Die neue Anstalt, zu deren Be 
sichtigung der Verein eingeladen war, ist zu Beginn des 
Jahres in Betrieb genommen worden. In ihr sind außer 
dem Vorstand und zwei Assistenten, die für die Unter 
weisung der Studierenden bestimmt sind, tätig: drei etats 
mäßig angestellte Ingenieure, zwei ebenso bestellte Arbeiter, 
außerdem fünf Ingenieure und Techniker, fünf Arbeiter. 
Der Redner wies darauf hin, daß die Beschreibung der 
vielen Schwierigkeiten, die im Laufe der Zeit bei der 
Weiterentwicklung der Anstalt zu überwinden waren, für 
die jüngeren Fachgenossen ein lehrreiches Beispiel sein 
solle dafür, daß ein ins Auge gefaßtes Ziel oft erst 
nach langer und ausdauernder Arbeit und Mühe erreicht 
werde; er erblickte ferner in dem Umstande, daß die 
Anstalt durch Einnahmen, die sie aus Versuchen für 
auswärts erwerbe, sich den weitaus größeren Teil der 
Betriebsmittel selbst verdienen müsse, einen außerordent 
lichen Vorteil insofern, als dadurch in den Angestellten 
in hohem Maß das Gefühl der Verantwortlichkeit wach 
gerufen werde, und dieser Vorteil überwiege bei weitem 
die Unannehmlichkeit, die mit dem erwähnten Umstande 
verknüpft sei. Er berührte schließlich noch die Frage, 
ob die Anstalt zweckmäßigerweise nur Versuche für 
württembergische Antragsteller durchführen würde, und 
verneinte das ganz entschieden. Die Mängel und Krank 
heitserscheinungen der Materialien werden der Anstalt 
um so schneller und eingehender bekannt, je weiter der 
Umkreis ist, aus dem ihr Aufträge zugehen. Aus diesen 
Erfahrungen können dann die württembergischen Antrag 
steller Nutzen ziehen. Es sei das ganz ähnlich wie bei 
einem Arzt: aus je größerem Bezirk Kranke zu ihm 
kommen, desto reicher werde seine Erfahrung und Fähig 
keit zu helfen. Die Vorführung von Patienten aus dem 
Gebiet der Materialprüfung, welche in Aussicht genommen 
war und die Herr Baumann hätte vornehmen sollen, müsse 
aus Zeitmangel auf einen späteren Zeitpunkt verschoben 
werden, jetzt lade er die Anwesenden zur Besichtigung 
der neuen Anstalt ein. Hierauf dankte der Vorsitzende 
Herrn v. Bach für seine lehrreichen Mitteilungen im 
Namen des Vereins aufs herzlichste. Er gab der Ueber- 
zeugung Ausdruck, daß der Verein den geringsten Teil 
zu der Entwicklung der Anstalt beigetragen habe, daß 
es vielmehr der Persönlichkeit ihres Vorstandes zu danken 
sei, wenn unsre Hochschule heute über ein so schönes 
und mustergültiges Institut verfüge. Hieran schlossen 
sich die Besichtigung der Materialprüfungsanstalt unter 
Führung ihres Vorstandes Baudirektors v. Bach. Das 
Institut besitzt alle Einrichtungen, die zur Prüfung der 
Konstruktionsmaterialien sowie zur metallographischen 
Untersuchung erforderlich sind. Während der Führung 
wurden verschiedene Versuche vorgenommen, um den 
Besuchern das Wesen der Einrichtungen vor Augen zu 
führen. Eine große Anzahl von Mitgliedern mit ihren
	        

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