23. November 1907
BAUZEITÜNQ
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Schnetztorturm in Konstanz
Zeichnung von Diplomingenieur H. Wielaudt, Konstanz
beraten. Es wird beschlossen, die Sache zu vertagen.
Bezüglich der Angestelltenverträge, welche besprochen
wurden, ist empfohlen, monatliche Kündigung und
Zahlung des Gehaltes bei Krankheit bis zu vier Wochen
zu vereinbaren, was gerichtlich zulässig ist. Direktor
Schmohl berichtete an der Hand von Modellen und Zeich
nungen von der Tätigkeit der Beratungsstelle. Man sah
an den zahlreichen Beispielen, welche Notwendigkeit das
Bestehen der Beratungsstelle ist und in wie vielen Fällen
verbessernd und helfend eingegriffen wurde. Neuerdings
werden auch Modellierbogen für billigen Preis abgegeben,
um Schülern das Aufstellen von mustergültigen Bau
modellen zu ermöglichen. Die Beratungsstelle wird so
in Anspruch genommen, daß ein verhältnismäßig großes
Personal beschäftigt werden muß. Die ausgestellten
Aufnahmen der Kgl. Meßbildanstalt fanden allgemeines
Interesse.
Württ. Ingenieur-Verein. Am 17. d. M. feierte
der Verein seine 30. Jahresversammlung. In der Sitzung
um 10 Uhr vormittags, die im Hörsaal des Ingenieur
laboratoriums der Kgl. Technischen Hochschule abgehalten
wurde, veranlaßte der Vorsitzende Prof. Thomann zu
nächst die Vornahme der erforderlichen Neuwahlen.
Hierauf gab er einen kurzen Rückblick über das, was
der Verein im verflossenen Jahre erstrebt und geleistet
hat. Ueber die Tätigkeit der vom Verein ernannten
Unterrichtskommission erstattete sodann Direktor Nallinger
Bericht. Er gelangte zu Anträgen, die von der Ver
sammlung einstimmig angenommen wurden. Hierauf sprach
Baudirektor v. Bach einleitende Worte hinsichtlich der
Entstehung und Entwicklung der Materialprüfungsanstalt.
Durch Unterstützung des Württ. Ingenieur-Vereins und
Beiträge der Regierung kamen im Jahre 1884 die zur
ersten Einrichtung erforderlichen Mittel zustande. An
Raum waren im Kellergeschoß der Technischen Hoch
schule 81 qm verfügbar, die jedoch mit dem damals
gleichfalls in der Entwicklung begriffenen elektrotech
nischen Laboratorium zu teilen waren. Nachdem der
Vorstand sechs Jahre hindurch alle Arbeiten der An
stalt, welche die für ihren Betrieb erforderlichen Geld
mittel durch Versuche nach auswärts sich verdienen mußte,
ohne jede Beihilfe bewältigt hatte, was nur dadurch er
reicht werden konnte, daß er auf jede Erholung auch
während der Ferienzeit verzichtete, wurde die Bestellung
eines Assistenten genehmigt. Im Laufe der Zeit traten
an die Anstalt immer größere Ansprüche heran, so daß
ihr mehr Raum eingeräumt werden mußte. So wurden
allmählich etwa 350 qm verfügbar, die in verschiedenen
Teilen der Hochschule zerstreut lagen. Die Störung,
welche der mit dem Betrieb der immer größer werdenden
Anstalt unvermeidlich verbundene Lärm mit sich brachte,
ließ schließlich auf verschiedenen Seiten den Wunsch
wach werden, daß dieselbe in ein eignes Gebäude ver
legt werde. Dieser Wunsch konnte erfüllt werden, als
der Vorstand einen Ruf, der an ihn von Wien aus er
ging, ablehnte. Demgemäß wurde im Etat 1902/03 die
Forderung von 250 000 M. eingehracht und auch bewilligt.
Hiervon waren 110000 M. für die Beschaffung neuer
Maschinen bestimmt. Die neue Anstalt, zu deren Be
sichtigung der Verein eingeladen war, ist zu Beginn des
Jahres in Betrieb genommen worden. In ihr sind außer
dem Vorstand und zwei Assistenten, die für die Unter
weisung der Studierenden bestimmt sind, tätig: drei etats
mäßig angestellte Ingenieure, zwei ebenso bestellte Arbeiter,
außerdem fünf Ingenieure und Techniker, fünf Arbeiter.
Der Redner wies darauf hin, daß die Beschreibung der
vielen Schwierigkeiten, die im Laufe der Zeit bei der
Weiterentwicklung der Anstalt zu überwinden waren, für
die jüngeren Fachgenossen ein lehrreiches Beispiel sein
solle dafür, daß ein ins Auge gefaßtes Ziel oft erst
nach langer und ausdauernder Arbeit und Mühe erreicht
werde; er erblickte ferner in dem Umstande, daß die
Anstalt durch Einnahmen, die sie aus Versuchen für
auswärts erwerbe, sich den weitaus größeren Teil der
Betriebsmittel selbst verdienen müsse, einen außerordent
lichen Vorteil insofern, als dadurch in den Angestellten
in hohem Maß das Gefühl der Verantwortlichkeit wach
gerufen werde, und dieser Vorteil überwiege bei weitem
die Unannehmlichkeit, die mit dem erwähnten Umstande
verknüpft sei. Er berührte schließlich noch die Frage,
ob die Anstalt zweckmäßigerweise nur Versuche für
württembergische Antragsteller durchführen würde, und
verneinte das ganz entschieden. Die Mängel und Krank
heitserscheinungen der Materialien werden der Anstalt
um so schneller und eingehender bekannt, je weiter der
Umkreis ist, aus dem ihr Aufträge zugehen. Aus diesen
Erfahrungen können dann die württembergischen Antrag
steller Nutzen ziehen. Es sei das ganz ähnlich wie bei
einem Arzt: aus je größerem Bezirk Kranke zu ihm
kommen, desto reicher werde seine Erfahrung und Fähig
keit zu helfen. Die Vorführung von Patienten aus dem
Gebiet der Materialprüfung, welche in Aussicht genommen
war und die Herr Baumann hätte vornehmen sollen, müsse
aus Zeitmangel auf einen späteren Zeitpunkt verschoben
werden, jetzt lade er die Anwesenden zur Besichtigung
der neuen Anstalt ein. Hierauf dankte der Vorsitzende
Herrn v. Bach für seine lehrreichen Mitteilungen im
Namen des Vereins aufs herzlichste. Er gab der Ueber-
zeugung Ausdruck, daß der Verein den geringsten Teil
zu der Entwicklung der Anstalt beigetragen habe, daß
es vielmehr der Persönlichkeit ihres Vorstandes zu danken
sei, wenn unsre Hochschule heute über ein so schönes
und mustergültiges Institut verfüge. Hieran schlossen
sich die Besichtigung der Materialprüfungsanstalt unter
Führung ihres Vorstandes Baudirektors v. Bach. Das
Institut besitzt alle Einrichtungen, die zur Prüfung der
Konstruktionsmaterialien sowie zur metallographischen
Untersuchung erforderlich sind. Während der Führung
wurden verschiedene Versuche vorgenommen, um den
Besuchern das Wesen der Einrichtungen vor Augen zu
führen. Eine große Anzahl von Mitgliedern mit ihren