Full text: Bauzeitung für Württemberg, Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen (1907)

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BAUZBITUNG 
Nr. 48 
Gastpar, zur Renovierung, welche dem Unterzeichneten 
übertragen wurde. Die wiederhergestellte Kirche wurde 
am 25. November 1906 eingeweiht. 
Bei der Renovierung ist zunächst nichts Schönes vom 
Alten unverwendet geblieben, selbst Gestühltüren mit 
alter Bemalung wurden wieder angebracht. Außer der 
neuen Bestuhlung handelte es sich hauptsächlich um Ver 
setzung der Orgel, Ausbildung des nunmehr freien Chors 
durch Anlage des Altarpodiums, Neuanlage der gräflichen 
Loge im Erdgeschoß, die sich vorher auf der Empore 
befand, ferner neue Leuchter, eine neue Portaltüre u. s. w. 
Meine Hauptaufgabe sah ich jedoch im Schaffen eines 
farbig schönen Raumes, worin mich die Farbenfreude 
des schwäbischen Bauern, soweit sie sich noch unver 
dorben zeigt, ermutigte. Die Emporen, welche ursprüng 
lich weiß waren, wurden wieder so, die Bänke grün, die 
Holzdecken in der Gesamtwirkung rot, ebenso der Sockel 
im Chor. Die Mauern erhielten als Grundton zu diesem 
Akkord ein blaugetöntes Weiß, welches sich in dem 
Chorgewölbe zu einem blauen Himmel mit goldenen 
Sternen steigert. Ueber dem Triumphbogen malte Franz 
Mutzenbecher, Maler in Stuttgart, einen einladenden 
Christus und auf die reizende alte Kanzel, welche Spuren 
von alter Bemalung beim Reinigen aufwies, einen geigenden 
Engel. Derselbe schnitzte auch das gräflich Leutrumsche 
Wappen für die neue Loge. Die Ornamente auf dem 
Gestühl, der Empore und im Chor wurden vom Archi 
tekten gemalt, der hier wie in der architektonischen 
Detaillierung alles Neuen den Zusammenhang mit dem 
Alten nicht in der Nachahmung, sondern im Schaffen 
von freiem Persönlichen zu erreichen suchte. Die Gesamt 
kosten der Renovierung beliefen sich auf 6400 M., eine 
Summe, deren Kleinheit sich durch die billigeren länd 
lichen Verhältnisse und die Verwendung des einfachsten 
Materials erklärt. 
Stuttgart. Bruno Taut, Architekt. 
A r chitektenfragen 
wurden in den Nummern 45 und 46 der „Bauzeitung für 
Württemberg etc. “ eingehend behandelt. Es wurde darin 
hauptsächlich zum Ausdruck gebracht, daß die Bestre 
bungen der deutschen Architekten dahin gehen, die 
städtischen Verwaltungen zu veranlassen, daß zur Be 
arbeitung größerer städtischer Bauten Privatbaumeister 
Es liegt ja eine gewisse Berechtigung vor, daß bei 
den in neuester Zeit vielfachen größeren städtischen 
Bauten außer den städtischen Baubeamten noch andre 
Kräfte beigezogen werden. Es wird auch bei größeren 
Bauten in den meisten Fällen ein öffentlicher Wettbewerb 
ausgeschrieben, was sich in vielen Fällen als zweckmäßig 
erprobt hat. 
Ferner ist zu beachten, daß für Kirchen, Kranken 
häuser, Theater, Schlachthöfe und Friedhofanlagen doch 
Spezialstudien erforderlich sind und für derartige Bauten 
ein allgemeines Ausschreiben in den meisten Fällen an 
gezeigt ist. 
In den beiden Berichten, die zum Abdruck kamen, 
sind nun die verschiedenen Standpunkte, welche dieser 
Frage gegenüber eingenommen werden, in weitgehender 
Weise dargelegt. 
In dem Bericht der Ortsgruppe Karlsruhe, im zweit 
letzten Absatz, kommt der Berichterstatter zu folgendem 
Ausspruch: 
„Außerdem sollte die Stadt nicht nur die 
größten, sondern auch die mittleren und kleinen 
Bauaufgaben den Privatarchitekten überlassen 
und ihren Beamten vorwiegend das Gebiet 
der technischen Verwaltung zuweisen.“ 
Dieses Ansinnen geht aber doch entschieden zu weit. 
Wenn der Baubeamte eigentlich nur noch die Verwaltung 
der städtischen Gebäude besorgen soll, so muß ihm das 
die Arbeitsfreudigkeit und Schaffenslust geradezu nehmen. 
Auch dürfte es mit der Zeit dann schwer halten, für 
diese seither geschätzten Stellungen noch die hierfür 
nötigen Kräfte zu gewinnen. Und daß auch städtische 
Baubeamte in der Lage sind, Entsprechendes' zu leisten, 
das dürfte doch leicht erbracht werden; ich will hier 
nur an Stadtbaurat Hoffmann in Berlin erinnern mit 
seinen vielen Schulbauten und dem neuen Virchow- 
Krankenhaus. 
Wenn dem städtischen Baubeamten die nötigen Hilfs 
kräfte zur Verfügung gestellt werden, daß er sich nicht 
zu viel mit Kleinigkeiten plagen muß, kann er, voraus 
gesetzt, daß derselbe eine entsprechende Bildungslaufbahn 
durchgemacht hat, auch etwas Tüchtiges leisten. Auch 
dies kann aus den seither erbrachten Leistungen vieler 
städtischer Baubeamten nachgewiesen werden. 
Wenn ich mich in frühere Zeiten zurückversetze, so 
war gerade das umgekehrte Verhältnis. Ich war in den 
Jahren 1867—1870 in Winterthur. In diesen hatte der 
dortige Stadtbaumeister die Bauleitung für das von 
Prof. Semper entworfene Stadthaus, ferner baute er die 
katholische Kirche und die neue Friedhofkapelle, letztere 
in reichem frühgotischem Stil, für den Staat das neue 
Postgebäude und noch ein größeres Privatgebäude für 
den Stadtpräsidenten. Wir sehen daraus, daß ein pro 
duktiver Mann vieles leisten kann. 
Nun soll es also gerade umgekehrt werden! Es ist 
ja nicht zu verkennen, daß durch die Konkurrenzen für 
städtische Bauten dem Beamten selbst eine Arbeit ab 
genommen wird. Aber ob es gerade wünschenswert ist, 
daß der städtische Baubeamte nur noch zum Verwaltungs 
beamten gestempelt wird, das ist doch sehr fraglich. 
Ich wollte nur diese Seite der Sache hier erwähnen; 
ich glaube, daß ich damit im Sinne vieler Kollegen 
spreche, wenn ich auch diese Gedanken zum Ausdruck 
bringe. 
Ludwigsburg. Stadtbaumeister Mößner. 
Neue Bauordnung Württembergs
	        

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