Full text: Bauzeitung für Württemberg, Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen (1907)

BAUZEITU 
FÜR WÜRTTEMBERG 
BADEN HESSEN ELr 
SASS - LOTHRINGEN* 
Inhalt: War das Heraion in Olympia ursprünglich aus Holz? — Einfache Wohnhäuser. — Vereins 
Mitteilungen. — Wettbewerb Realschule Tübingen. — Wettbewerbe. — Kleine Mitteilungen. — Bau 
technische Rundschau. — Personalien. — Briefkasten. 
•HAUSTfcüN. 
Alle Rechte Vorbehalten 
War das Heraion in Olympia ursprünglich ans Holz?*) 
Warum nicht? So gut es nach Pausanias (Lib. X, 5, 
Phokis) in Delphi einen Tempel aus Lorbeerholz ge 
geben haben soll, dem ein andrer, der einer Binsenhütte 
glich, folgte, und noch einer, der sich als ein mit Erz 
bekleidetes, aus Holz konstruiertes Gebäude in ältester 
Zeit erwies, bis endlich der von den Amphiktyonen durch 
Spintharos aus Korinth gebaute an die Reihe kam, von 
dem jetzt nur noch die sorgfältig ausgeführten Substruk- 
tionen zeugen, deren größter Teil aber wohl aus der 
Zeit nach dem Erdbeben von 373 v. Ohr. stammt, das 
den Tempel der Alkmäoniden stürzte — ebensogut kann 
es auch einst einen Holztempel in Olympia, dieser uralten 
Kultstätte, gegeben haben. Ob derselbe aber „die jetzt 
klargelegte Grundrißgestalt“, wie sie die Reste des 
Steintempels nach den Ausgrabungen zeigen, gehabt habe, 
ist, besonders unter dem Gesichtswinkel betrachtet, daß 
es um das angegebene Jahr der Erbauung, 1100 v. Chr., 
griechische Tempel überhaupt noch nicht gegeben habe, 
anzuzweifeln. 
„In der Baukunst Griechenlands tritt aus dem Dunkel 
der voraufgehenden denkmallosen Zeit ein neues Gebilde 
hervor, der Tempel. Die mykenische und homerische 
Welt kennt keinen Tempelbau. Der hilderlose Kult be 
durfte keiner festen Behausung“ — so R. Borrmann und 
J. Neuwirth in ihrer Geschichte der Baukunst, ähnlich 
auch J. Durm im Handbuch der Architektur, Die Bau 
kunst der Griechen. Fünfhundert Jahre etwa liegen 
zwischen der mykenischen Zeit und der historischen Epoche 
griechischer Kunst. Der dorischen Wanderung soll ein 
wirtschaftlicher und künstlerischer Niedergang gefolgt 
sein, nach welchem erst bei den griechischen Stämmen 
eine neue Kunst emporblühte. Die Dorier ergreifen 
von dem Peloponnes Besitz, die Ionier drängen nach 
den kleinasiatischen Küstengebieten. 
„Der Ursprung des Tempelbaues liegt in der Bilder 
verehrung“ — dem persönlich gewordenen Gott mußte 
ein Heim geschaffen werden, zu dem das altgriechische 
Herrenhaus, der Palast, das Vorbild abgeben mußte. Das 
„Templum in antis“ war wohl die erste Form, zu der 
bereichernd später die Ringhalle hinzutrat. Aus dem 
erstgenannten können die Formen der dorischen und 
ionischen Ordnung abgeleitet werden, nicht aber aus der 
*) Siehe Nr. 45 1906 und Nr. 2 1907 der „Bauzeitung für 
Württemberg etc.“ 
späteren Beigabe der Ringhalle, was an andrer Stelle, 
bei andrer- Gelegenheit bewiesen werden soll. 
Die dorischen und ionischen Kolonisten werden sich 
bei ihren Niederlassungen wohl des Satzes erinnert haben, 
daß man auch in der neuen Heimat mit dem von der 
Natur Gegebenen zunächst zu rechnen habe, wenn man 
sich häuslich auf fremdem Platze einrichten wollte. Sie 
haben bei ihren Bauten die Vorgefundenen Gaben des 
Bodens zuerst in ^Betracht gezogen, ehe sie fremde Be 
zugsquellen in Anspruch nahmen; mit andern Worten: 
sie benutzten zunächst die Baumaterialien, die sie vor 
fanden und die leicht und mühelos beizuschaffen und zu 
bearbeiten waren. Welche Werkzeuge sie dazu mit- 
hrachten, läßt sich wohl annehmen, aber nicht mit Sicher 
heit feststellen. Phönikische Handelsleute konnten sie 
mit ägyptischem Steinhauergeschirre und mit dem Hand 
werkszeug für Holzarbeiten versehen haben, wahrschein 
lich aber brachten sie die gleichen Bronzewerkzeuge mit, 
wie sie in vormykenischer Zeit auf Kreta und in myke- 
nischer sonst allgemein nachgewiesen sind. Das Museum 
in Knosos zeigt uns solche aus Gournia: Sägeblätter, 
Beile, Hämmer, Meißel und ebensolche aus Hagia 
Triada bei Phaestos, darunter Sägeblätter von 1,50 m 
Länge, die in die Zeit von 1400 bis 1800 v. Ohr. zurück 
datieren. 
Daß in den neubesiedelten Ländern noch intakte Holz 
bestände vorhanden waren, und zwar in größerer Menge 
als später, dürfte wohl außer Frage sein, und wie phöni 
kische Werkleute mit jenen umzugehen wußten, lehrt 
uns der Salomonische Tempelbau zu Jerusalem. 
Daß die verschieden sich äußernden Bauweisen bei 
verschiedenen Völkern zum Teil von den Baumaterialien 
ahhingen, dürfte wohl ebenfalls außer Frage sein. Die 
mächtigen Steinbrüche Aegyptens führten dort schon frühe 
zum ehrlichen, einfachen Lapidarstil mit großsteinigen 
Freistützen, Balken und Deckplatten; in den Euphrat- 
und Tigrisländern, die arm an Werksteinen und an Bau 
holz waren, bediente man sich zum Bauen der kleinen 
Steinstücke und der künstlichen Steine. Auch das Nil 
delta begünstigte mit seinen Tonlagern die letztgenannte 
Technik. Nach Assyrien und Babylonien weisen die 
ersten Spuren einer gesunden Wölbetechnik mit Zuhilfe 
nahme von Mörtel und keilförmig geschnittener Steine. 
In Khorsabad (706 v.Chr.) finden sich die spitzbogigen 
und rundbogigen Steingewölbe und in Sarvestan die ersten
	        
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