Full text: Bauzeitung für Württemberg, Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen (1907)

16. Februar 1907 
BAUZEITUNG 
51 
Haftung der Bau 
unternehmer 
Von großer Bedeutung 
und weittragender Wirkung 
ist eine Entscheidung des 
Reichsgerichts, wie weit der 
Bauunternehmer für gefahr 
loses Passieren der Straße 
während des Baues haftet, 
wenn der Bau an einer sehr 
schmalen Straße vorgenom- 
men wird. In dem in Bede 
stehenden Fall kommt eine 
nur ca. 4V 4 m breite Straße 
zur Berücksichtigung. 
Während der Bauausfüh 
rung wurde eine Passantin, 
als sie bei der Baustelle 
vorüberging, durch einen 
herabfallenden Mauerstein 
erheblich verletzt. Der Ehe 
mann der Verletzten machte 
den Bauunternehmer für 
den hierdurch entstandenen 
Schaden haftbar, weil der 
Bauunternehmer schuldhaft 
unterlassen haben soll, die 
zum Schutz des Straßen 
verkehrs erforderlichen Vorkehrungen zu treffen. 
Der Bauunternehmer behauptet, daß die Enge der 
Straße, die in der Ausdehnung des Bauplatzes ungefähr 
bis zur Hälfte von dem Baugerüst überdeckt wurde, es 
unmöglich gemacht hatte, längs des Gerüstes, wie sonst 
zu geschehen pflegt, einen Bauzaun zu errichten. Er 
hatte dafür an den beiden untersten Bretterlagen des 
Gerüstes sogenannte Schutzdächer und darauf aufwärts 
gerichtete Schutzbretter befestigen lassen. 
Von dem Landgericht wurde der Klageanspruch der 
Verletzten dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt; 
es erblickt in den getroffenen Vorsichtsmaßregeln nicht 
genügenden Schutz. Das Oberlandesgericht jedoch wies die 
Klage ab, denn es war der Ansicht, daß der Bauunter 
nehmer die besonderen, durch die gegebenen Verhältnisse 
gebotenen Vorkehrungen in ausreichender Weise getroffen 
hatte. Das Reichsgericht schloß sich der Ansicht des 
Oberlandesgerichts nicht an, billigte vielmehr die Ansicht 
des ersten Richters und hob das letzte Urteil mit der 
Begründung auf, daß die eingangs erwähnten, von dem 
Bauunternehmer angebrachten Schutzbretter und Schutz 
dächer keinen ausreichenden Schutz bieten. Das Reichs 
gericht sagt, es sei bei derartigen Vorsichtsmaßregeln 
nicht ausgeschlossen, daß herabfallende Gegenstände auf 
einen Gerüstteil aufschlagen, 
abprallen und dadurch über 
den Bereich der Schutz 
dächer hinaus weit auf die 
Straße geschleudert werden. 
Durch diese Art der Schutz 
vorrichtung war aber auch 
der Teil des Gerüstes, wo 
sich der aufwärts führende 
Leitergang befand, völlig 
unverwahrt geblieben, so 
daß Gegenstände, die dem 
Arbeiter beim Aufwärts 
steigen der Leiter entfielen, 
nur durch das Gerüst selbst 
und die darin befindlichen 
Schutzdächer aufgefangen 
werden konnten. 
Das höchste Gericht er 
blickte in den getroffenen 
Anordnungen des Bauunter 
nehmers eine Außeracht 
lassung der im Verkehr er 
forderlichen Sorgfalt und 
einen Verstoß gegen den 
§ 367, Abs. 14 des Straf 
gesetzbuches, wonach Bau 
unternehmer strafbar sind, 
wenn sie Bauten oder Aus 
besserungen an Gebäuden u. s. w. vornehmen, ohne die 
von der Polizei angeordneten oder sonst erforder 
lichen Sicherungsmaßregeln zu treffen. Es handelte 
sich, wie schon erwähnt, um außergewöhnliche Verhält 
nisse, die gerade besondere Schutzmaßregeln erfordern, 
und dies mußte dem Bauunternehmer bekannt sein; es 
war ihm sogar bekannt. Mit Rücksicht darauf hätte er 
dem Polier besondere, der ungewöhnlichen Sachlage ent 
sprechende Anordnungen erteilen müssen. Dies ist unter 
blieben. 
Die Haftung des Bauunternehmers für den durch den 
Unfall erwachsenen Schaden wurde als begründet an 
gesehen. Dr. A. 
Zu iinsern Abbildungen 
Zwei behagliche Wohnhäuser und ein einfaches und 
doch reizvolles Arbeiterhaus für zwei Familien führen wir 
unsern Lesern vor. Das Wohnhaus in Freiburg zeigt 
einen interessanten Grundriß, der sich den verschiedenen 
Baulinien anpassen mußte, geschickt ist auch der Grund 
riß des Wohnhauses von Architekt Preckel angelegt, die 
Küche liegt von den Wohnräumen möglichst getrennt 
und durch die Einschaltung der Anrichte wird das Aus 
strömen der Küchengerüche vermieden. 
Wohnhaus für eine Familie mit 6 Zimmern, Baukosten 36000 M. 
Architekt Th. Preckel, i. Fa. Th. Preckel & Fr. Böhm, Pforzheim 
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