16. Februar 1907
BAUZEITUNG
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Haftung der Bau
unternehmer
Von großer Bedeutung
und weittragender Wirkung
ist eine Entscheidung des
Reichsgerichts, wie weit der
Bauunternehmer für gefahr
loses Passieren der Straße
während des Baues haftet,
wenn der Bau an einer sehr
schmalen Straße vorgenom-
men wird. In dem in Bede
stehenden Fall kommt eine
nur ca. 4V 4 m breite Straße
zur Berücksichtigung.
Während der Bauausfüh
rung wurde eine Passantin,
als sie bei der Baustelle
vorüberging, durch einen
herabfallenden Mauerstein
erheblich verletzt. Der Ehe
mann der Verletzten machte
den Bauunternehmer für
den hierdurch entstandenen
Schaden haftbar, weil der
Bauunternehmer schuldhaft
unterlassen haben soll, die
zum Schutz des Straßen
verkehrs erforderlichen Vorkehrungen zu treffen.
Der Bauunternehmer behauptet, daß die Enge der
Straße, die in der Ausdehnung des Bauplatzes ungefähr
bis zur Hälfte von dem Baugerüst überdeckt wurde, es
unmöglich gemacht hatte, längs des Gerüstes, wie sonst
zu geschehen pflegt, einen Bauzaun zu errichten. Er
hatte dafür an den beiden untersten Bretterlagen des
Gerüstes sogenannte Schutzdächer und darauf aufwärts
gerichtete Schutzbretter befestigen lassen.
Von dem Landgericht wurde der Klageanspruch der
Verletzten dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt;
es erblickt in den getroffenen Vorsichtsmaßregeln nicht
genügenden Schutz. Das Oberlandesgericht jedoch wies die
Klage ab, denn es war der Ansicht, daß der Bauunter
nehmer die besonderen, durch die gegebenen Verhältnisse
gebotenen Vorkehrungen in ausreichender Weise getroffen
hatte. Das Reichsgericht schloß sich der Ansicht des
Oberlandesgerichts nicht an, billigte vielmehr die Ansicht
des ersten Richters und hob das letzte Urteil mit der
Begründung auf, daß die eingangs erwähnten, von dem
Bauunternehmer angebrachten Schutzbretter und Schutz
dächer keinen ausreichenden Schutz bieten. Das Reichs
gericht sagt, es sei bei derartigen Vorsichtsmaßregeln
nicht ausgeschlossen, daß herabfallende Gegenstände auf
einen Gerüstteil aufschlagen,
abprallen und dadurch über
den Bereich der Schutz
dächer hinaus weit auf die
Straße geschleudert werden.
Durch diese Art der Schutz
vorrichtung war aber auch
der Teil des Gerüstes, wo
sich der aufwärts führende
Leitergang befand, völlig
unverwahrt geblieben, so
daß Gegenstände, die dem
Arbeiter beim Aufwärts
steigen der Leiter entfielen,
nur durch das Gerüst selbst
und die darin befindlichen
Schutzdächer aufgefangen
werden konnten.
Das höchste Gericht er
blickte in den getroffenen
Anordnungen des Bauunter
nehmers eine Außeracht
lassung der im Verkehr er
forderlichen Sorgfalt und
einen Verstoß gegen den
§ 367, Abs. 14 des Straf
gesetzbuches, wonach Bau
unternehmer strafbar sind,
wenn sie Bauten oder Aus
besserungen an Gebäuden u. s. w. vornehmen, ohne die
von der Polizei angeordneten oder sonst erforder
lichen Sicherungsmaßregeln zu treffen. Es handelte
sich, wie schon erwähnt, um außergewöhnliche Verhält
nisse, die gerade besondere Schutzmaßregeln erfordern,
und dies mußte dem Bauunternehmer bekannt sein; es
war ihm sogar bekannt. Mit Rücksicht darauf hätte er
dem Polier besondere, der ungewöhnlichen Sachlage ent
sprechende Anordnungen erteilen müssen. Dies ist unter
blieben.
Die Haftung des Bauunternehmers für den durch den
Unfall erwachsenen Schaden wurde als begründet an
gesehen. Dr. A.
Zu iinsern Abbildungen
Zwei behagliche Wohnhäuser und ein einfaches und
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unsern Lesern vor. Das Wohnhaus in Freiburg zeigt
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Wohnhaus für eine Familie mit 6 Zimmern, Baukosten 36000 M.
Architekt Th. Preckel, i. Fa. Th. Preckel & Fr. Böhm, Pforzheim
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