20. März 1909
BAUZEITDNG
95
Ketzerische Gedanken über Unfall
verhütung
Diese in voriger Nummer ausgedrückten Gedanken
waren wohl wert, der Fachwelt mitgeteilt zu werden;
wünschenswert wäre eine noch weitere Yerbreitung. Die
Zahlen sind interessant und sehr überraschend, die Be
gründung ist sachlich und ernst, mehr optimistisch wie
pessimistisch. Leider bläst der Auto? in dem Moment
zum Rückzug, wo man Vorschläge, Taten erwartet. Wes
halb? Wer die Klugheit zu einer verständigen Kritik
besitzt, der hat auch die Klugheit, Vorschläge zur Aende-
rung zu machen. Und es wäre dringend erwünscht, daß
Taten gezeitigt werden möchten, da eine allzu große Be
vormundung, ein das natürlich Zweckmäßige über
schreitender Schutz dem Menschen sein Selbstvertrauen,
sein Interesse und seine Energie lähmt. Ganz allmählich
allerdings nur, aber desto sicherer. Durch die ungeheure
Zahl der Beteiligten steht dabei nichts Geringeres auf
dem Spiel als eines unsrer wertvollsten Nationalvermögen.
Vertraue man deshalb dem Menschen, sich selbst zu
«schützen und raube man ihm nicht mit einer Litanei
von Paragraphen den Glauben an seine eigne Kraft.
Erziehe man ihn auch auf dem Gebiet seiner Arbeits
pflichten zur Selbständigkeit. Max Mueiler.
Mitgliederversammlung
des Württ. Bauheamteii-Yereins
Unter außerordentlich großer Beteiligung fand am
7. März d. J. im Bahnhofhotel in Ulm die X. Mitglieder
versammlung statt. Der Vorstand begrüßte die Mitglieder
mit herzlichen Worten des Dankes für ihr zahlreiches
Erscheinen und ging dann zum Geschäftsbericht über.
Nach einem kurzen Rückblick auf die letzten zehn Jahre
betonte er insbesondere, daß in immer weiteren Kreisen
der Techniker sich die Ansicht Bahn breche, nur durch
Einigkeit und treues Zusammenhalten könne etwas Er
sprießliches für den Stand erreicht werden. Leider sei
es dem Baubeamten trotz eifriger Arbeit noch nicht ge
lungen, den übrigen mittleren Beamten vollständig gleich
gestellt und gewertet zu werden, obwohl seine Ausbildung
viel mehr Zeit erfordere und größere Kosten verursache;
es muß deshalb die vornehmste Aufgabe des Vereins sein,
die Vorbildungsfrage einer Lösung entgegenzuführen. Die
Mitgliederzahl hat im verflossenen Jahre erfreulicherweise
um 18 zugenommen, sie ist somit auf 332 gestiegen. Zur
Beratung von Vereinsangelegenheiten fanden vier Aus
schußsitzungen statt, in denen außer der Vorbildungsfrage
die Angelegenheit der Bauamtswerkmeister, Staatsstraßen
meister u. s. w. wegen Erhöhung ihres Endgehalts und
Anstellung nach Beilage 1 des Beamtengesetzes, die Aende-
rung der Anstellungsgrundsätze für Bahnmeister und tech
nische Eisenbahnsekretäre, die Vermehrung der etats-
mäßigeu Stellen bei der Verkehrsanstalten Verwaltung und
die Titelfrage verhandelt wurden.
Nach dem vom Kassier des Vereins erstatteten Kassen
bericht hat das Vereinsvermögen im Jahr 1908 um
502,86 M. zugenommen und beträgt nunmehr 3656,50 M.
Der für das Geschäftsjahr 1909 aufgestellte und erläuterte
Voranschlag fand allseitige Zustimmung. Dem Kassier
wurde Entlastung erteilt und der Dank der Versamm
lung ausgesprochen. Einem Antrag der Vereinigung der
Bauamtswerkmeister im Finanzdepartement um Absendung
einer Eingabe im Herbst dieses Jahres soll entsprochen
werden.
Vier weitere Anträge wurden nach längeren Verhand
lungen in folgende Resolution zusammengefaßt:
„Die heutige Mitgliederversammlung des Württ. Bau
beamten-Vereins, die von Staats-, Korporations- und
Gemeindebeamten sehr zahlreich besucht ist, empfindet
es schwer, daß die Beamtenstellen der mittleren Bau
beamten vielfach denjenigen des übrigen mittleren Be
amtendienstes nicht völlig gleichgestellt sind, trotzdem
die Ansprüche, welche hinsichtlich der allgemeinen Vor
bildung an den übrigen mittleren Beamtenstand gestellt
werden, von sehr vielen Angehörigen unsers Standes
heute schon erfüllt, ja nicht selten überschritten werden.
Den Grund dieser verschiedenen Bewertung können wir
nur darin erblicken, daß eine bessere Vorbildung für das
mittlere technische Studium zurzeit nicht vorgeschrieben
ist und auch zur Erlangung von mittleren technischen
Beamtenstellen nicht zur Bedingung gemacht wird. Es
ist uns wohl bekannt, daß die Erfüllung des ersten
Wunsches vorerst noch großen Schwierigkeiten begegnet;
um so mehr ist von uns nach Kräften anzustreben, daß
die Regierung nicht sowohl im Interesse unsers Standes,
als zweifelsohne im eignen dienstlichen Interesse die
Berechtigung der letzteren Forderung anerkenne, bei
Besetzung der bezeichneten Stellen künftighin danach
verfahre und insbesondere Techniker, die die Bauwerk
meisterprüfung nicht mit Erfolg erstanden haben, von
der Bewerbung um definitive Stellen ausschließe.“
Ferner wurde einem Antrag der nicht etatsmäßig
angestellten Mitglieder, eine Eingabe um Vermehrung
von definitiven Stellen und Besetzung solcher Stellen
nur mit geprüften Bauwerkmeistern vom Verein aus zu
unterstützen, zugestimmt.
Eine Anregung, mit dem Bauwerkmeister-Verein
Württembergs eine gemeinsame Geschäftsstelle zu unter
halten, fand keine Unterstützung. Die nächste Mitglieder
versammlung soll im März nächsten Jahres abgehalten
werden, Festsetzung des Orts und der Tagesordnung
werden dem Ausschuß überlassen.
Ueher die letzte Delegiertenversammlung süddeutscher
Bautechnikerverbände konnte nichts Näheres mitgeteilt
werden, da das Sitzungsprotokoll noch nicht eingegangen
war. Für die diesjährige Delegiertenversammlung in
Karlsruhe wurden die bisherigen Vertreter wiedergewählt.
Schluß der Sitzung um 1 Uhr.
Um D/ 2 Uhr vereinigten sich 76 Personen zu einem
gemeinsamen Mittagsmahl. Der Vereinsvorstand brachte
hierbei einen begeistert aufgenommenen Königstoast aus.
Das Vereinsmitglied Graser gedachte in launigen Worten
des zehnjährigen Bestehens des Vereins und seiner ge
deihlichen Fortentwicklung. Auf den Vorstand und
die Ausschußmitglieder leerte das Vereinsmitglied Wasser
sein Glas. So verlief in schönster Harmonie die Zeit,
bis endlich zu einem Rundgang durch die Stadt (Be
sichtigung der Baugenossenschaftshäuser, Wagnerschule
Und der neuen Bahnhofanlage) aufgebrochen wurde. Die
Besichtigung der Stadterweiterung u. s. w. bot so viel des
Interessanten, daß hier nicht der Raum ist, auf einzelnes
näher einzugehen; insbesondere wurde die von der Stadt
erstellte Wagnerschule als ein Werk beachtet, das
in jeder Hinsicht Bewunderung verdient. Stadtrat Eich-
müller sowie die Ulmer Herren Röderer, Weil, Braun
und Tränkle übernahmen in liebenswürdiger Weise die
Führung; an dieser Stelle sei deshalb den genannten
Herren im Namen des Vereins noch herzlich gedankt.
Y ereinsmitteilungen
Akad. Architekten-Verein „Motiv“, Stuttgart.
Am 10. März unternahm der Verein einen Ausflug nach
Untertürkheim zur Besichtigung des dortigen Schulhaus
neubaues. Unter der liebenswürdigen und sachkundigen
Führung des A. H. Regierungsbaumeister W. Remppis
konnten die Teilnehmer den ganzen Bau bis ins einzelne
gründlich betrachten. Der Abend wurde einer gemütlichen
Zusammenkunft gewidmet. B.
Akad. Architekten-Verein Darmstadt. Semester-
schlußversammlung am 4. März 1909. Nachfolgende aus