Full text: Bauzeitung für Württemberg, Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen (1909)

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BAUZEITUNG 
Nr. 16 
sich zur Aufgabe gestellt, die Mitglieder miteinander in 
Fühlung zu bringen, Mißstände, welche die Berufs 
interessen gefährden, zu beseitigen und eine Besserung 
der gedrückten wirtschaftlichen Verhältnisse des Wasser 
leitungsgewerbes herheizuführen. Die Unternehmer leiden 
auf dem Gebiete des Yerdingungswesens unter unerträg 
lich gewordenen Zuständen. Infolge ungeregelter Kon 
kurrenz sinken, trotz steigender Arbeitsgelegenheit, die 
Preise, während Arbeitslöhne, Baumaterialienpreise, 
Steuern und Abgaben stets in die Höhe gehen. Trotz 
Fleiß und Mühe findet der Unternehmer nicht mehr den 
entsprechenden Lohn für seine Arbeit. Daneben muß er 
sich immer härter werdenden Arbeitsbedingungen unter 
werfen. Hohe Haftgelder, übermäßig lange Haftzeiten 
legen Betriebskapital bis fünf, in einzelnen Fällen bis 
zehn Jahre fest. Hierdurch wird die Leistungsfähigkeit 
beeinträchtigt. Dazu kommen Zinsverluste durch will 
kürlich lang hinausgeschobene Abrechnungen. Die Ver- 
dingungsverzeichnisse vieler Behörden und Stellen bieten 
keine sichere Unterlage für die genaue Berechnung der 
Selbstkosten, wie sie das solide Geschäft erfordert. Statt 
daß für die verschiedenen vorkommenden Arbeiten be 
sondere Preispositionen eingesetzt werden, muß der Unter 
nehmer den Rohrgrabenpreis einschließlich Fels- und 
Wasserbewältigung, Beseitigung und Wiederherstellung 
von Kanälen und Mauerwerk im Boden, Bach- und Eisen 
bahnkreuzungen, abnormale Grahentiefen, Chaussierung 
und Pflasterung sowie Mitlieferung von fehlenden Chaussie- 
rungs- und Pflaster material abgeben, ohne daß der mindeste 
Anhaltspunkt für den Umfang und die Masse dieser kost 
spieligen Leistungen gegeben wird. Ebenso muß oft der 
Preis der Rohrleitungen die Mitlieferung der teuren 
Formstücke enthalten, deren Zahl und Verwendung sich 
häufig erst während des Baues ergibt und von den An 
ordnungen der Bauleitung abhängt. Mit all diesem ist ein 
unberechenbares Risiko verbunden, welches das Geschäft 
fast zu einem Lotteriespiel macht. Die Unterbietungen 
durch unerfahrene Konkurrenten, das ganze Elend des 
Submissionswesens, machen es unmöglich, dem Risiko 
durch angemessene Preise zu begegnen. Ganz ungerecht 
fertigt ist der übertrieben teure Verkauf der Verdingungs 
unterlagen durch die ausschreibenden Stellen. 
Sehr zu beklagen ist die Tatsache, daß die Behörden 
und Gemeinden ihre Wasserwerke oft ganz unsachkundigen 
Leuten übertragen, nur weil diese das billigste Angebot 
abgeben. Man scheint ganz zu vergessen, daß eine solche 
Anlage auf lange Dauer bestehen soll, daß aber die Ge 
währ für eine solche Dauer, besonders bei den in neuerer 
Zeit in Aufnahme gekommenen dünnwandigen Röhren, 
nur in einer vollkommen sachgemäßen und sorgfältigen 
Arbeit liegt, die von einem unerfahrenen Nichtfachmanne 
nicht erwartet werden kann. In der Regel können solche 
Leute auch nicht rechnen und setzen nicht selten ihr 
kleines Vermögen zu. Die Rücksichtnahme auf einige 
Prozente Ersparnis ist bei Wasserleitungsbauten am 
wenigsten angebracht und rächt sich häufig schwer. In 
neuerer Zeit kommt auch vor, daß Gemeinden nach der 
Submissionseröffnung noch Unterbietungen annehmen und 
damit den unlauteren Wettbewerb unterstützen. 
Die Bekämpfung all der vorhandenen Mißstände ist 
für den einzelnen unmöglich. Nur im engen Zusammen 
schluß der Fachgenossen bietet sich die Aussicht auf 
eine Aenderung der Verhältnisse und auf Milderung des 
Konkurrenzkampfes. Es steht deshalb zu erwarten, daß 
sich die bedeutenderen Firmen der Branche bald voll 
zählig dem Verbände anschließen. Der Verband hofft, 
bei den Behörden in Rücksicht auf die volkswirt 
schaftliche Bedeutung des in ihm vertretenen Gewerbes, 
Unterstützung für seine Bestrebungen zu finden, denn 
Tausende von technischen und kaufmännischen Angestellten, 
Meistern und Arbeitern sind in ihrer Existenz von der 
Lage der Unternehmer abhängig. Die Geschäftsstelle
	        

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